Die Mathematik

[91] Die Mathematik, a. d. Gr. (wörtlich die Wissenschaft, weil die Mathematik lange Zeit die einzige Wissenschaft war, die gelehrt wurde) die Größenlehre, oder die Wissenschaft der Größen, unter welcher letztern man diejenige Eigenschaft versteht, nach welcher sich ein Ding vermehren und vermindern läßt. Die Egyptier wurden sehr früh gezwungen, mehrere Theile der Mathematik zu cultiviren: ohne Astronomie konnte das periodische Steigen und Fallen des[91] Nilstroms nicht berechnet werden, das für ihren Ackerbau von großer Wichtigkeit war; und ohne Geometrie konnten die Grundstücke nach den Ueberschwemmungen nicht ausgemessen werden. Indeß blieb doch immer diese Wissenschaft bei ihnen in der Wiege; die Griechen vervollkommneten sie sehr, allein die größten Fortschritte hat sie in den neuern Zeiten gemacht.

Die Mathematik wird in die reine und in die angewandte eingetheilt. Jene betrachtet die Größe als eine für sich bestehende Eigenschaft, ohne Rucksicht auf die Materie und Gestalt der Dinge, an welchen sie sich befindet; diese zieht die letztern mit in Betrachtung, und wendet die Lehren der reinen Mathematik auf die wirklich vorhandenen Körper an. Wir wollen jetzt die Haupttheile sowohl der reinen als der angewandten Mathematik betrachten.

Die beiden Haupttheile der reinen Mathematik sind die Arithmetik und die Geometrie. Die Größe, an sich betrachtet, macht nehmlich entweder ein zusammengesetztes Ganzes aus, dessen Theile mit einander verbunden sind, oder sie besteht in einer Sammlung von mehrern Dingen einer Art. Die erstere Art von Größe (als eine Linie oder Fläche) wird eine stetige genannt, und ist der Gegenstand der Geometrie; die zweite (jede Zahl) eine unstetige, und mit diesen Größen beschäftigt sich die Arithmetik. – Die Arithmetik theilt sich wieder in die Rechenkunst und die Analysis (s. den Art. Analysis vergl. mit dem Art. Algebra); und wenn aus den stetigen Größen der Triangel allein herausgehoben und dessen Theile als unstetige Größen betrachtet werden, so heißt dieß die Trigonometrie.

Zu der angewandten Mathematik, die man im vorigen Jahrhundert auf vierzig Wissenschaften ausdehnen wollte, werden gegenwärtig folgende Wissenschaften gerechnet: die Statik; welche von dem Gewichte der Körper handelt; die Mechanik, deren Gegenstand die Bewegund der Körper ist; die Aërometrie, welche sich mit der Luft beschäftigt; die Optik mit ihren Theilen, welche vom Lichte handelt; die Perspective, vermöge welcher man die Gegenstände[92] so zeichnen lernt, wie sie sich aus der Entfernung dem Auge darstellen; die Astronomie, welche von der Größe, Entfernung und Bewegung der Himmelskörper handelt; die mathematische Chronologie, welche die Zeit eintheilen lehrt; die Geographie, welche den Raum auf der Erde mißt; die Gnomonik, oder die Kunst, Sonnenuhren zu verfertigen; die Nautik, oder die Schifffahrtskunst; die burgerliche, Kriegs- und Schiff-Baukunst und die Artillerie.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 91-93.
Lizenz:
Faksimiles:
91 | 92 | 93
Kategorien: