[96] Die Mauren. Diesen Namen führt ein sehr altes noch jetzt in Afrika vorhandenes Volk, das seine ehemahligen Wohnsitze an der am weitesten westwärts gelegenen Nordküste Afrikaʼs nebst einem Stück am Atlantischen Meere hinunter noch jetzt im Besitz hat. Die Römer, ihre ersten Unterjocher, nannten diesen weitläuftigen Landstrich Mauritanien. Sie wurden von den Vandalen bezwungen; diese mußten wieder den Griechen weichen, welche aber auch bald von den Arabern oder Saracenen vertrieben wurden. Als i. J. 711 die Araber Spanien eroberten, waren viele Mauren, die indessen Muhamedaner worden waren, als Unterthanen unter ihrem Heere, und lebten bis zum eilften Jahrhundert unter ihrer Herrschaft; allein zu dieser Zeit vertrieben sie die Araber aus ihren alten Besitzungen in Afrika, und stifteten hier das Königreich Feß und Marokko. In Spanien verjagten sie fast zu eben dieser Zeit die Araber aus den meisten Ländern, vereinigten sich aber bald mit den Ueberwundenen so fest, daß beide ein Volk auszumachen schienen und gemeinschaftlich Mauren genannt wurden. Allein ihre ganze Herrschaft wurde im 13. Jahrhundert durch die Siege der Christen auf das einzige Königreich Granada eingeschränkt. Sie waren in der That ein vortreffliches Volk. Wo sie herrschten, da blühte Ackerbau und Industrie; sie liebten Künste und Wissenschaften; kein Fendalsystem, das in Spanien so viel Unheil verbreitete, störte ihren Wohlstand; und ihre Toleranz und Friedfertigkeit gegen die Christen ist um so lobenswürdiger, je mehr es die Spanischen Könige sich angelegen sein ließen, sie ganz auszurotten. Zuerst übernahm Ferdinand der Katholische dieses der Kirche wohlgefällige Werk, benutzte die innern Unruhen in Granada, eroberte nach zweijährigem ungemein tapferm Widerstande das Reich und die gleichnamige Hauptstadt, i. J. 1492, und zwang die Unglücklichen, entweder sich taufen zu lassen oder Sclaven zu werden. Sie wählten das erstere, und sie heißen seitden Moriskoʼs oder Maranen; sie blieben aber [96] in der Stille der Muhamedanischen Religion getreu. Da die Mißvergnügten unter den Spanischen Großen mit ihnen öfters correspondirten, und selbst Don Carlos, wie man vermuthet, mit ihnen im Verständniß lebte, beschloß Philipp II. ihren gänzlichen Untergang; er nöthigte sie durch den abscheulichsten Druck zu Ergreifung der Waffen, und vertrieb dann über 100,000 derselben. Da aber immer noch hundert tausende in Spanien lebten, vertrieb sie Philipp III. auf Antrieb der Geistlichkeit gänzlich (1609 u. 1610). Die Bedrängten flohen in ihr Vaterland über das Meer zurück; und mit ihnen floh auch Industrie und Wohlstand aus den Wohnungen der Sieger, die ihre besten, arbeitsamsten und reichsten Einwohner verbannt und so die Volksmenge beinahe um eine Million verringert hatten. Wirklich ist die Vertreibung der Moriskoʼs eine Hauptursache des innern Verfalls Spaniens, und man empfindet davon noch jetzt die nachtheiligsten Wirkungen.