[299] Die Oper, ein musikalisches Schauspiel, oder die dramatische Vorstellung einer Begebenheit, welche singend und unter Begleitung von Instrumenten vorgetragen wird. Sie wird in die ernsthafte (feria) und in die komische eingetheilt; in jener sind gewöhnlich Götter und Helden die handelnden Personen. Sie erfordert sehr viel Pracht und viel Geschicklichkeit von Seiten der Sänger; bisweilen sind auch Balletts damit verbunden. Daß die dieser Art dramatischer Vorstellung vorgeworfenen Verunstaltungen großen Theils Grund haben, ist nicht zu läugnen; aber gewiß ist es auch, daß ein solches Schauspiel, wenn auch nicht alle [299] einzelnen Kräfte der verschiedenen schönen Künste dazu aufgeboten werden, uns dennoch (wie Wieland in seinem vortrefflichen Versuche über das Deutsche Singspiel bemerkt) durch die bloße Vereinigung der Kräfte der Poesie, Musik und Action einen hohen Grad des anziehendsten Vergnügens gewähre, und daß, wenn dasselbe mehr auf den Hauptzweck der schönen Kunste hingeleitet und von wahren Virtuosen bearbeitet würde, jener Vorwurf des Unnatürlichen und Ungereimten hinwegfallen müßte. Etwas der Oper ähnliches findet man bei der Griechischen Tragödie, wo der Dialog nach gewissen Tonarten, ungefähr wie unser Recitativ, declamirt, und die lyrischen Stellen oder die Chöre förmlich gesungen wurden. In den neuern Zeiten war es vorzüglich zu Ende des 16. Jahrhunderts, daß man mit dem Schauspiele, dem eigentlich der Gesang nie ganz fremd war (indem oft zwischen den Aufzügen ernsthafte Lieber und unterhaltende Tänze angebracht wurden, und auch schon vorher der Geschmack, musikalische Unterhaltungen in die öffentlichen prächtigen Schauspiele und Feste einzuweben, herrschte), allmählig starke Veränderungen vornahm, und die Musik ein wesentlicher Theil des Schauspiels ward, ungeachtet dieß immer nur noch Ergötzlichkeit für die Höfe bei besondern Feierlichkeiten war. Das erste vollständige musikalische Drama erhielt Italien 1597 von Horazio Vecchi, und bald darauf eines von Rinuccini, einem der wichtigsten Dichter und Verbesserer der Italiänischen Oper. Aber noch hatte man kein besonderes Theater dazu; und es wurden noch zu Anfange des 17. Jahrhunderts die musikalischen Schauspiele in Italien auf öffentlichen Straßen und auf herumziehenden Karren gegeben, bis endlich zu Venedig, ungefähr 1637, die Andromeda von Ferrari, in Musik gesetzt von Manelli, auf einem öffentlichen Theater erschien, und darauf daselbst und an mehreren Orten Italiens ordentliche Opernbühnen eingerichtet wurden. Das Abenteuerliche und Wunderbare, welches zugleich auch vielerlei Maschinerien erforderte, nahm nun immer mehr und mehr bei der Oper überhand, bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts Apostolo Zeno (aus Candia, Hofpoet und Geschichtschreiber Carls VI. zu [300] Wien, st. 1758) dieselbe regelmäßiger zu machen versuchte, und Götter- und Wunderwelt verlies, welche Bahn nach ihm Metastasio gleichfalls betreten hat. – Die Musik der Oper machte ebenfalls im Anfange nur wenig Fortschritte; erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts fing man an, mehr Ausdruck in dieselbe zu legen, und das Recitativ als eine ganz eigne Gattung von dem übrigen Gesange abzusondern. Alex. Scarlati und Leonardo Leo (m. s. diese Art.) trugen zu Anfange des jetzigen Jahrhunderts zur Vervollkommnung derselben das meiste bei; Porpora, Graun und Hasse hatten an ihnen die besten Muster: und endlich suchte Ritter Gluck die theatralische Musik gänzlich zu reformiren (s. den Art. Gluck). Was insbesondere die Oper in Deutschland anlangte, so kann man die Daphne von Martin Opitz als das erste Deutsche Singspiel ansehen; sie wurde zu Breslau 1627 gedruckt, vom Kapellmeister Schütz in Musik gesetzt, und zu Dresden zur Vermählung der Schwester des Churf. Joh. George I. mit dem Landgrafen von Hessen, Georg II. aufgeführt. In Hamburg, Braunschweig, Leipzig (s. den Art. Alceste) erhielt sich die Deutsche Oper immerfort; allein seit 1741 wurde sie durch das Schreien der Kunstrichter, an deren Spitze Gottsched stand, gänzlich verdrängt, und dagegen an mehreren großen Höfen, zu Wien, Dresden, Berlin etc. die Italiänische Oper eingeführt, zu deren Beförderung man keine Kosten scheute. Wielands Alceste (1773), componirt von Schweizer, machte zuerst wieder gerechte Sensation, worauf auch mehrere folgten; allein immer noch scheinen Welsche Opern, die an so vielen Höfen mit großen Kosten unterhalten werden, den Vorrang zu behaupten.
In Rücksicht auf die komische Oper, welche Scenen aus dem gemeinen Leben entlehnt, und deren Endzweck eigentlich dahin geht, Fröhlichkeit und Lachen zu befördern, so muß man die Italiänische von den übrigen, namentlich der Deutschen, unterscheiden. Die Italiänische komische Oper – opera buffa – hat das eigne, daß sie, eben so wie die ernste, durchaus, in Recitativen, Arien etc. gesungen wird. Ihre Erfindung ist fast eben so alt, als die der opera seria. Anfangs wurde sie mehr als Zwischenspiel in großen Opern, denn für sich [301] allein gespielt. Die besten Opern waren nachher zu Anfange des jetzigen Jahrhunderts die von Apostolo Zeno, von Goldoni, auch von Metastasio; und die Musik zu denselben wurde (besonders seitdem la serva padrona von dem berühmten Pergolesi große Sensation machte, und vorzüglich auf die Bildung der Französischen Operette einen so merklichen Einfluß hatte) nachher von sehr vielen Compositeurs, welche dadurch berühmt wurden, mit vielem Glücke gesetzt. Die Deutsche komische Oper oder Operette unterscheidet sich von der Italiänischen dadurch, daß der Dialog der Handlung größren Theils prosaisch, folglich ohne Musik ist, und bloß mit der Musik in Arien, Duetten, Chören etc. abwechselt; in den neuern Stücken läßt man jedoch, vorzüglich in den Finaleʼs (s. d. Art.), nach Art der Italiäner die Handlung ebenfalls mit der Musik begleiten. Nach Flögel (Geschichte der komischen Literatur) ist die komische Oper in Deutschland eben so früh als die ernsthafte aufgekommen. Das älteste Stück dieser Art führt den Titel: »Kunst über alle Künste, ein böses Weib gut zu machen; in einem sehr lustigen, freudenvollen Possenspiele vorgestellt,« welches man in die Mitte des 17. Jahrhunderts setzt. Kurz nach Anfange de jetzigen Jahrhunderts erschienen schon mehrere (zu Hamburg ums J. 1724, zu Prag ungefähr 1731 etc.). Noch mehr wurden die Operetten durch die musikalischen Zwischenspiele (z. B. von der Neuberin 1748) und durch die Intermezzi von Koch 1751 zur Mode; und die bekannte Operette: der Teufel ist los, nach dem Engl. von Weiße, erhielt zu Leipzig 1752 außerordentlichen Beifall, so heftig auch der Streit war, der darüber unter Gottsched entstand. Noch allgemeiner wurde der Geschmack an Operetten durch die übrigen Weißischen Stücke: Lottchen am Hofe, die Jagd, die Liebe auf dem Lande etc. welche durch Hillers Compositionen den großen Beifall erhielten, der ihnen so lange Zeit geblieben ist (man s. den Art. Hiller), bis endlich in den neuesten Zeiten, besonders seit der Erscheinung der Dittersdorfischen Compositionen, die Vorliebe für diese Gattung theatralischer Stücke so zugenommen, daß sie beinahe die eigentliche Komödie von der Deutschen Schaubühne auf einige Zeit zu verdrängen geschienen hat.