Die Rosenkreuzer

[335] Die Rosenkreuzer. Vor dem Jahre 1610 war dieser Name in Deutschland unbekannt; aber um diese Zeit erschienen gewisse Schriften, welche damit bezeichnet waren, und wodurch das Publicum von dem Dasein einer geheimen Gesellschaft benachrichtigt wurde, deren Zweck auf eine allgemeine Verbesserung der christlichen Kirche, auf die Begründung einer dauerhaften Wohlfahrt der Staaten, und auf einen vollkommnen Lebensgenuß beabsichtigt [335] sei. Man erzählte, daß ein gewisser Christian Rosenkreuz der auf einer weiten Reise im Orient alle geheime Wissenschaften erlernt, und sich im Besitz des Steines der Weisen befunden haben sollte, schon im Jahre 1388 der Stifter dieser Gesellschaft geworden sei: aber man irrte; denn der eigentliche Schöpfer dieses schönen Plans war ein Gelehrter zu Wirtemberg, Valentin Andreä. Ob er wirklich dabei die Absicht hatte, einen solchen Orden zu stiften, oder ob er das Unwesen, welches man zu seinen Zeiten mit der Alchymie und den geheimen Wissenschaften trieb, dadurch lächerlich machen, oder endlich den geheimen Bund, welchen Agrippa von Nettesheim ehemahls gestiftet hatte, wieder erneuern wollte, bleibt zweifelhaft. Die Sache hörte nach und nach auf öffentliches Aufsehen zu machen, und die Secte der Rosenkreuzer kam in Vergessenheit, und existirte höchstens noch in den Köpfen der Goldköche und Adepten. Im vorigen Jahrzehend sing man jedoch an, abermahls davon zu sprechen. Die Exjesuiten sollten sich nehmlich unter dem Namen der Rosenkreuzer aufs neue vereinigt, und zur Ausbreitung der katholischen Religion unter den Protestanten verbunden haben. Die Religions-Vereinigungsprojecte, welche damahls zum Vorschein kamen, konnten leicht auf so eine Idee führen; aber dann hätten diese neuen Rosenkreuzer mit ihren ältern Brüdern nichts als den Namen gemein gehabt, indem die letztern weit entfernt, den Katholicismus zu begünstigen, zu den Anhängern des Protestantismus gehörten, und diesen durch das so genannte innere Licht verbessern wollten.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 4. Amsterdam 1809, S. 335-336.
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