Die Wünschelruthe

[436] Die Wünschelruthe (Lat. virgula mercurialis, Franz. baguette divinatoire) ist eine unter gewissen abergläubischen Umständen verfertigte zweiästige in einem Stiel verbundene Ruthe, wie eine Gabel geformt, von Holz, Messingdrath, oder Metall, welche ehedem von abergläubischen Menschen angewendet und an gewisse Oerter auf die Erde hingelegt wurde, um da, wohin sich diese Ruthe vorzüglich hinneigte, verborgne Schätze unter der Erde zu entdecken. Eigentlich wurde sie im Bergbau gebraucht, um edle Metalle, Mineralien oder unterirdische Wasser – Erzgänge damit ausfündig zu machen; der Aberglaube aber, der in den vorigen Zeiten vielleicht noch weit mehr Gewalt über die Menschen hatte, gab eben diesen, oder auch Betrügern, so genannten klugen Leuten u. dgl. häufig Veranlassung, da, wo sie sich Schätze zu erhalten wünschten, durch Hülfe jenes Zauberstabs sie auch wirklich aufzusuchen. Indessen würde diese Anwendung der so genannten Wünschelruthe vielleicht nur noch als Denkmahl ehemahligen Aberglaubens genannt werden, wenn nicht neuerlich diese Sache wieder zur Sprache gekommen wäre, indem besonders ein Italiäner, [436] Namens Campetti (ein junger Landmann zu Gargnano, am Ufer des Gardasees geboren), durch ernstliche und nachdrückliche Versicherung, Metalle und Wasser unter der Erde durch körperliche Sensationen wahrnehmen zu können, großes Aufsehen machte, und auch wirklich die angestellten Versuche allerdings sehr für diese Behauptung zeugten. Ritter, ein bekannter Naturforscher zu München, reiste auf Befehl des Königs von Bayern im Jahr 1806 zu Campetti nach Gargnano, brachte ihn mit nach München, um wiederhohlte Versuche darüber anzustellen; und es wurden diese auch wirklich, besonders mit Schwefelkies-Pendeln gemacht, von denen man behauptet, daß sie in der Nähe von Metallen schwingen. Ritter hat denn besonders bei dieser Gelegenheit sich eines Instruments bedient, das er Balancier genannt hat, und ganz einfach, in einem Stabe oder kleinen Streifen von Kupfer oder anderm Metalle, ungefähr 6 Zoll lang und einen halben breit, besteht. Die näheren Nachrichten darüber findet man in Aretins neuem Litt. Anz. v. 1807 v. No. 22. an; und den Resultaten von dieser wichtigen Untersuchung, die gegenwärtig das Nachdenken vieler erfahrner und berühmter Chemiker beschäftigt (unter andern hat Gilbert zu Halle äußerst interessante Beleuchtungen dieser Versuche 1808 herausgegeben) sieht man mit großer Erwartung entgegen.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 436-437.
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