Gotthold Ephraim Lessing

[390] Gotthold Ephraim Lessing hat um die allgemeine Verbesserung der gesammten Deutschen Literatur und um die Einführung des guten Geschmacks in Werken der bildenden und zeichnenden Künste in diesem Jahrhundert unstreitig das größte Verdienst. Er war der Sohn eines rechtschaffenen und aufgeklärten Predigers zu Camenz, und wurde 1729 geboren. Auf der Fürstenschule zu Meißen entwickelten sich schon alle die Fähigkeiten und Talente, deren höchste Reife man in spätern Jahren so sehr an ihm bewunderte. Erlernung älterer und neuerer Sprachen, Versuche im Gebiete der Dichtkunst und Dramaturgie, Vorübungen in der Kritik und den Alterthümern, dieß waren die Gegenstände, womit er sich hier vorzüglich beschäftigte. Auf der Universität zu Leipzig, die er nachher bezog, flößte ihm die damahlige Methode, die Wissenschaften zu behandeln, einigen Widerwillen gegen die akademische Laufbahn ein; er studirte daher lieber für sich, als daß er Vorlesungen besucht hätte, worin sein Geist keine Nahrung fand: besonders wurde er durch den dictatorischen Ton der Gottschedschen Schule zum Unwillen gereitzt. Bis ins Jahr 1760 hielt er sich ohne feste Bestimmung abwechselnd in Berlin, Wittenberg und Leipzig auf, und lebte großen Theils von dem Ertrage seiner literarischen Arbeiten, den er noch überdieß großmüthig mit seinen Verwandten theilte. In dem nehmlichen Jahre ward er aber Secretair bei dem General Tauenzien in Breslau, und benutzte diese neue Lage – sogar am Pharo-Tische, an welchem er sich oft und gern einfand – zur Erweiterung seiner Urtheilskraft und Menschenkenntniß. Im Jahre 1765 war er nach Berlin zurückgekehrt; allein seine wieder rege gewordne Vorliebe [390] für das dramatische Fach bewog ihn nach Hamburg zu gehen, wo man mit der Einrichtung einer Schaubühne beschäftigt war. Lessing glaubte, daß er hier viel für die dramatische Kunst thun, und ihre Aufnahme zu einem Glanz würde bringen können, zu welchem sie sich bis jetzt in Deutschland noch nicht empor gearbeitet hatte; allein gewisse Hindernisse, die man ihm überall in den Weg legte, und niedrige Cabalen, die die Schauspieler gegen ihn anknüpften, überzeugten ihn bald von dem Ungrund seiner Hoffnung. Auf gleiche Weise sah er hier noch einige andere Aussichten schwinden, auf die er sich Rechnung machen zu können geglaubt hatte. Mißmuthig verließ er Hamburg, und prieß sich glücklich, in der Bibliothekar-Stelle, welche er 1770 zu Wolfenbüttel erhielt, ein bestimmtes und seinem Wirkungskreise angemeßnes Amt zu erhalten. Zwar fühlte er zuweilen lebhaft das Einförmige in dieser Lage, und unternahm auch deßhalb eine kurze Reise nach Italien; allein er kehrte doch gern dahin zurück, und verwaltete sein Amt mit unermüdetem Eifer bis zu seinem Tod, am 15. Febr. 1781. Wenige Jahre vor seinem Tode hatte er sich an seine Hamburger Freundin, Madam König, verheirathet, die er aber in zwei Jahren bei ihrer Niederkunft zugleich mit dem Sohne, den sie ihm geboren hatte, wieder verlor. Als gelehrter Kenner der ältern und neuern Sprachen benutzte er die Schätze der Bibliothek, und theilte sie von Zeit zu Zeit der Welt mit. In allen Fächern der Literatur arbeitete er beinahe mit gleichem Glück, wenn auch nicht mit anhaltender Anstrengung. Eine Menge seiner Aufsätze sind nicht vollendet; allein auch in diesen ist der Meister nicht zu verkennen. Ohne ein weitläuftiges Verzeichniß seiner Schriften aufzustellen, darf man sich nur an den Laokoon, die Dramaturgie, Emilia Galotti, Nathan erinnern, um von diesen auf den Werth der übrigen zu schließen. Den meisterhaften, echt Deutschen Styl ungerechnet, welcher in der That einzig ist, erkennt man überall den scharfsinnigen und prüfenden Geist des Verfassers, der unermüdet nach Wahrheit strebte, und darüber zuweilen seine eigne Ruhe und Zufriedenheit aufopferte. Durch den Streit, welchen er sich durch die Herausgabe der Wolfenbüttelschen Fragmente zuzog, wurden Mehrere veranlaßt, [391] die Redlichkeit seines Charakters in Zweifel zu ziehen. Man that ihm jedoch Unrecht: die Liebe zur Wahrheit hatte ihn auch hier veranlaßt, sich in das Gebiet der Theologie zu wagen; und nur den groben Beleidigungen seiner Gegner mußte man es beimessen, daß er zuweilen in dieser Fehde dem Sport und der Bitterkeit seiner Laune freien Zügel ließ. Sein wahrer Charakter leuchtet am meisten aus den Briefen hervor, welche nach seinem Tode herausgegeben worden sind und um so mehr Glaubwürdigkeit verdienen, da sie der Verfasser nicht für das Publicum bestimmt hatte. – Eine ausführliche Beschreibung seines Lebens hat uns sein Bruder geliefert; über das Charakteristische seines Geistes lese man, außer einer eignen Schrift des Herrn Hofrath Schütz, das Denkmahl, das ihm Herder in seinen zerstreuten Blättern gesetzt hat, und die Bemerkungen von Engel im ersten Theil der Mimik.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 390-392.
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