Johann Gottlieb Prestel

[488] Johann Gottlieb Prestel, Mahler, Zeichner und Kupferstecher, neuerlich vorzüglich berühmt durch seine Blätter in der so genannten Handzeichnungs-Manier, wurde i. J. 1739 zu Grünebach im Schwäbisch-Kemptischen geboren. Er lernte die Anfangsgründe seiner Kunst bei zwei Fresco-Mahlern zu Tyrol; hierauf ging er nach Venedig, wo er an Jos. Wagner und Nogari wahre Freunde fand. Letzterer trug ihm sogar seine junge Verwandtin an, die er zur Erbin bestimmt hatte; der unruhige Prestel schlug sie aus, wodurch er Nogari so aufbrachte, daß ihn dieser mit den Worten: Ingrato Tedesco! (d. h. undankbarer Deutscher!) aus dem Hause jagte. – Auf Wagners wohlgemeinten Rath eilte er nun, Venedig baldigst zu verlassen; er that es, ging erst nach Rom, und hielt sich noch mehrere Jahre in Italien auf. – Im J. 1769 war er in Nürnberg, wo er eine junge interessante Person, Maria Catharina Höllin1, heirathete. Nach einiger Zeit ging er in die Schweiz, wo er sich größten Theils bei Lavater [488] aufhielt, und durch dessen Empfehlung viel mit Portraitmahlen verdiente. – Kenner beklagen, daß er seine Art zu mahlen, in der er am glücklichsten war, verließ; allein wer ändert einen unbeständigen Charakter, wie er denselben besaß. – Als er nach Nürnberg zurück kam, vertauschte er den Pinsel mit dem Grabstichel. Seine ersten Versuche waren schlecht; er arbeitete darauf in Röthel- und Tuschmanier, und machte glücklichere Versuche im Radiren. Hieraus entstand dann endlich seine Handzeichnungs-Manier. Er wußte die Handzeichnungen auf das glücklichste nachzuahmen; und die schönen Blätter, die er herausgab, übertrafen alles, was Engländer und Franzosen hierin geleistet hatten. In Nürnberg fanden dieselben indeß wenig Abgang; er gerieth in häusliche Verlegenheiten, und ließ sich mit seiner Familie in Augsburg nieder, wo er unter etwas verbesserten Umständen seine Arbeiten fortsetzte. Vorzüglich bekannt – wenn denn doch nicht immer ganz mit Auswahl gemacht – sind die 3 großen Sammlungen interessanter Zeichnungen der vorzüglichsten Mahler aus mehreren Schulen, wovon die erste 48, die zweite 30, die dritte 36 Blätter enthält.


Fußnoten

1 Sie war zu Nürnberg 1747 geboren, und hatte eben so seltne Kunsttalente, als ihr Charakter vortrefflich war. Unter der Leitung ihres Mannes machte sie sehr schnelle Fortschritte in der Kunst, so daß sie ganz fähig war, denselben bei seinen Arbeiten zu unterstützen. Sie arbeitete viel für ihn. Dabei war sie eine treffliche Hausmutter und eine wahrhafte Dulderin. Allein Prestel war ihrer nicht werth; Gleichgültigkeit und Strenge war von seiner Seite ihr Lohn. Nothgedrungen ließ sie sich von ihm scheiden, und theilte die gemeinschaftlichen Kinder mit ihm. Sie ging – im. J. 1786 – nach London: hier fand sie Entschädigung für ihre Leiden; hier gab sie mehrere Blätter heraus, welche fast in ganz Europa geschätzt werden. Ich nenne hier nur eines: Evening, with the Repose of Cattle, nach Rosa di Tivoli, in groß quer Folio.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 488-489.
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