Lais

[353] Lais, eine berufene Griechin von Hyccara in Sicilien, wurde, nachdem der Atheniensische General Nicias diese Stadt erobert hatte, wie die übrigen Einwohner verkauft und (in der 91. Olympiade) in ihrem siebenten Jahre nach Griechenland gebracht. Sie ließ sich zu Korinth nieder und lebte daselbst von dem Gewinn, den sie aus ihrer körperlichen Schönheit zog. Ganz Griechenland war in ihre Schönheit verliebt; und sie zählte die angesehensten Männer unter ihre Liebhaber. Demosthenes soll ihrentwegen eine Reise von Athen nach Korinth unternommen haben, aber wegen des von ihr auf ihre Gunst gesetzten hohen Preises von mehr denn 1000 Thalern, nach unserm Gelde, unverrichteter Sachen wieder abgezogen sein und gesagt haben: so theuer erkaufe ich mir keine Reue. Desto glücklicher war bei ihr der arme Diogenes von Sinope, an den sie keine Forderungen machte. Ueberhaupt schien sie die Philosophen zu lieben. Doch bot sie vergebens ihre Kunst auf, den Philosophen Xenokrates zu gewinnen – sie hatte eine Wette angestellt, daß sie es dahin bringen wolle –; sie begab sich sogar unter einem Vorwande des Nachts zu ihm, ohne jedoch den Philosophen zu einer Schwachheit verleiten zu können. Desto mehr vermochte sie über den Aristipp, dem sie viel kostete. Der berühmte Mahler Apelles soll ihre ersten Blüthen gepflückt haben. Einst soll sie Korinth, wo sie so viel Anbeter hatte, verlassen haben, um einem jungen Menschen nachzureisen, den sie sehr liebte. In ihrem herannahenden Alter war sie weniger delicat, und endigte, sagt man, damit, daß sie eine Kupplerin abgab. Nach ihrem Tode wurde ihr ein Monument errichtet. Man erzählt, es haben sie Korinthische Weiber in dem Tempel der Venus umgebracht. Ueberhaupt aber erzählt man so vieles von dieser Lais, und manches davon paßt so wenig in die Zeit, in welcher sie gelebt, daß es höchst wahrscheinlich ist, es habe zum mindesten noch eine Buhlerin unter diesem Namen [353] gegeben. So müßte Lais nach einer genauen Zeitrechnung schon gegen sechzig Jahr alt gewesen sein, wenn Demosthenes ihrentwegen nach Korinth gereist wäre, angenommen, daß dieser große Redner auch erst zwanzig Jahre alt gewesen wäre.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 353-354.
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