Marcus Attilius Regulus

[127] Marcus Attilius Regulus, einer der edelsten Römer, war im Jahre 256 vor der christlichen Zeitrechnung (598 nach Erbauung Roms) zugleich mit dem Manlius Vulso Consul, und nebst diesem Anführer der Römischen Truppen, welche im ersten Punischen Kriege gegen die Carthaginienser fochten. So ungeübt auch die Römer noch im Seekriege waren – denn sie hatten bis jetzt noch nie Kriegsschiffe ausgerüstet –, so gelang es doch den tapfern Consuln, die furchtbare feindliche Flotte gänzlich zu schlagen und sogar in Afrika zu landen. Regulus blieb mit der Armee, ungeachtet die Römer bei weiten den größten Theil derselben nach [127] Italien zurückgezogen hatten, doch auch im folgenden Jahre siegreich, drang, nachdem er mehrere Festungen erobert und mehrere Schlachten gewonnen hatte, bis vor Carthagoʼs Mauern, und schrieb den um Frieden bittenden Besiegten die entehrendsten Bedingungen vor. Zur Rettung der Verzweifelnden erschien jetzt ein Spartanisches Heer, unter der Anführung des Xantippus, der nun durch eine wohlgewählte Stellung und eine geübte Reiterei den Römischen Helden schlug. Fast alle Truppen des Regulus wurden niedergemacht; er selbst gerieth in Gefangenschaft, und blieb als Gefangner bis zum Jahre 504 nach Roms Erbauung in den Händen der Sieger. Der Krieg war indessen mit abwechselndem, jedoch für Rom immer überwiegendem Glücke fortgeführt worden; die Carthaginienser faßten daher in dem eben erwähnten Jahre den Entschluß, einige Gesandte an den Römischen Senat zu schikken, um wegen der Auswechslung der Carthaginiensischen Gefangnen zu unterhandeln und, im Fall eines glücklichen Erfolgs, das Friedensgeschäft einzuleiten. Um das, was sie wünschten, wirklich zu erreichen, bestimmten sie sich, den gefangenen Regulus als Unterhändler mit den Gesandten nach Rom gehen zu lassen; und da sie ihn durch Furcht vor schwerer Ahndung auf ihre Seite lenken zu können glaubten, so verpflichteten sie ihn durch einen Eid, sogleich nach Carthago wieder zurückzukehren, wenn die Abgeordneten in ihrem Gesuch nicht glücklich sein sollten. Aber die Carthaginienser täuschten sich in ihren Hoffnungen. Regulus überzeugte den Senat von den Nachtheilen jener Auswechslung, und gab zugleich ein musterhaftes Beispiel der reinsten und erhabensten Tugend. Denn weder die schreckliche Aussicht auf das Loos, welches ihn in Carthago erwartete, noch auch die dringenden Bitten seiner Gattin und seiner Freunde, welche ihn beschworen, diesem Schicksale nicht entgegen zu gehen, konnten ihn bewegen, die Heiligkeit des eidlichen Versprechens persönlichen Rücksichten nachzusetzen; er verließ sein Vaterland und sah es nie wieder. Nach der gewöhnlichen Meinung wurde er von den erbitterten Carthaginiensern, nach Ablösung der Augenlieder, in die Strahlen der Sonne gelegt, des Nachts in ein inwendig mit Stacheln versehenes Faß gebracht, und von einem Berge herabgewälzt, und zuletzt gekreuzigt; allein mehrere wichtige Gründe sprechen gegen diesen schon an sich nicht glaublichen Märtirertodt.[128] Polybius, der älteste und vorzüglichste Schriftsteller über jenen Punischen Krieg, sagt nichts von einer Hinrichtung des Regulus; und die spätern Geschichtschreiber stimmen in ihren Erzählungen über die Todesart dieses Helden gar nicht mit einander überein. Wahrscheinlich gründet sich also jene Behauptung auf eine Sage, welche entweder der Haß der Römer gegen die Carthaginienser erdichtete, oder auch die Grausamkeit der Marcia, der Gemahlin des Regulus, veranlaßte, die, wie man wenigstens erzählt, bei der Nachricht von dem Tode ihres Gemahls die in ihrer Verwahrung befindlichen Carthaginensischen Gefangenen unter jenen Martern hinrichten ließ. – Die Untersuchung über das endliche Schicksal des Regulus, das schon viele Gelehrte beschäftigte, hat noch neuerlich mehrere Streitschriften veranlaßt. Herr Professor Roos in Gießen schrieb 1790 ein Programm, in welchem er der gewöhnlichen Meinung widersprach. Als Professor Fickenscher zu Erlangen im Jahre 1796 und 1797 diese wieder vertheidigt, und auch Ruperti in einer Kritik der Roosischen Schrift (s. Ruperti und Schlichthorsts Magazin für Schullehrer, Bd. 2. St. 1. 1791) Herrn Roos zu widerlegen gesucht hatte; so unterstützte Roos seine Zweifel mit neuen Gründen in seinen Problemen aus der alten und neuen Geschichte, Gießen, 1798. 8.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 4. Amsterdam 1809, S. 127-129.
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