[353] Pandora, (Mythol.) wörtlich die Allbegabte. Prometheus, durch die List Jupiters aus dem Himmel gestoßen, hatte die ersten Menschen auf der Erde gebildet, welche anfangs, da sie ohne Leben waren, nur schönen Bildsäulen glichen. Um sie zu beleben, stahl er das Feuer aus dem Himmel, indem er ein dürres Holz an der Sonne anzündete. Unter allen Werken seiner Schöpferkraft zeichnete sich vorzüglich ein junges Mädchen, Namens Pandora, aus. – (Nach einer andern Erzählung war Pandora vom Vulkan erschaffen und von den Göttern zur Strafe auf die Erde geschickt worden.) – Die Götter, begierig die neuen Geschöpfe des Prometheus zu sehen und den verübten Raub zu rächen, statteten ihm einst einen Besuch ab. Bei dieser Gelegenheit sahen sie Pandoren, welche ihnen so sehr gefiel, baß sie insgesammt beschlossen, sie zu beschenken. Minerva schenkte ihr Witz, Venus Schönheit, die Grazien Reitz und Anmuth u. s. w. Merkur aber gab ihr eine mystische Büchse, mit der Warnung, selbige nicht zu öffnen. Pandora, durch diese Geschenke der Götter verschönert, erregte allgemeine Bewunderung: selbst Prometheus fühlte Liebe für sie; indeß besaß er Klugheit genug, die Warnung Merkurs zu befolgen. Nicht so vorsichtig war sein Bruder Epimetheus, der kaum die schöne Pandora zu seiner Gattin erwählt hatte, als ihn seine Neugierde verleitete, jene geheimnißvolle Büchse zu öffnen, aus welcher nun auf ein Mahl ein ganzes Heer von Unglück zur Plage der armen Menschheit herausflog; zum Glück saß noch die Hoffnung auf dem Boden der Büchse. – Der Sinn dieser schönen Dichtung geht unsteitig dahin, daß das menschliche Geschlecht durch Genie und Verstand zur Cultur geleitet wird, in deren Gefolge sich freilich auch verfeinerte Sinnlichkeit und Luxus befinden, welche durch Mißbrauch leicht schädlich werden können.