Philipp Melanchthon

[112] Philipp Melanchthon. Dieser aufgeklärte und rechtschaffene Gottesgelehrte, welcher im 16. Jahrhunderte das große Werk der Reformation beginnen und vollenden half, war aus der Pfalz gebürtig, und hatte in seiner Jugend den Unterricht seines Verwandten, des gelehrten Reuchlin, genossen. Da dieser schon frühzeitig große Fähigkeiten an ihm entdeckte, und besonders seine gründlichen Kennkniffe in den alten Sprachen zu bemerken Gelegenheit gehabt hatte; so empfahl er ihn zum Lehrer der Griechischen Sprache an die Wittenberger Universität, nachdem er schon vorher auf der Akademie in Tübingen mit vielem Beifall Vorlesungen über alte Schriftsteller gehalten hatte. Es war [112] gerade im Jahre 1518, als er in Wittenberg ankam und die Universität wegen Luthers Unternehmungen in Bewegung fand. Ein Mann, der, wie Melanchthon, durch die Werke der Alten seinen Geist ausgebildet und mit nützlichen Kenntnissen bereichert hatte, konnte nicht lange zweifelhaft sein, ob er sich zu den Freunden der alten Finsterniß schlagen, oder das beginnende Licht der Aufklärung beleben und unterhalten sollte. Er ward Luthers vertrauter Freund und theilte nicht nur alle Unannehmlichkeiten und Beschwerden mit ihm, welche das Reformationsgeschäft herbei führte, sondern unterstützte ihn auch dabei thätig durch seine Gelehrsamkeit und Klugheit. Luthers feurige Gemüthsart und aufwallende Hitze bedurfte sehr oft eines leitenden Freundes und gemäßigten Rathgebers, und Melanchton war beides in vorzüglichem Grade. Wenn daher etwas von Wichtigkeit unternommen, und die katholische Partei durch Hülfe eines gelehrten Vortrags widerlegt werden sollte, so wurde Melanchthon gewöhnlich zur Ausfuhrung dieses Geschäfts bestimmt; und dieß war auch die Ursache, warum man ihm die Abfassung der Augsburger Confession übertrug. Weil er aber nachher von den Anhängern der Schweizer Reformatoren, des Zwingli und Calvin, gelinder urtheilte und sich ihnen in der Lehre vom Abendmahle sogar zu nähern schien; so fiel zuletzt sein Ansehn bei der Lutherischen Partei. Man beschuldigte ihn eines geheimen Einverständnisses mit den Calvinisten, und würde ihn vielleicht noch mehr verunglimpft haben, wenn nicht die Rechtschaffenheit seines Charakters und die ausgezeichneten Verdienste, die er sich um die Wittenberger Universität erworben hatte, seinen Gegner Ehrfurcht eingeflößt und sie von zu groben Vergehungen gegen ihn abgehalten hätten. Als akademischer Lehrer konnte sich Melanchthon eines eben so ungetheilten Beifalls und einer eben so zahlreichen Versammlung von Zuhörern rühmen, als in spätern Zeiten der rechtschaffene Gellert, der vielleicht in mehrern Rücksichten mit ihm verglichen werden kann. Seine Verdienste erstreckten sich übrigens nicht bloß auf alte Sprachen, sondern auch auf historische Wissenschaften, welche damahls in einem unförmlichen Chaos darnieder lagen und aller Zuverlässigkeit und Kritik beraubt waren. Im Jahre 1560 [113] starb Melanchthon; und Deutschland verlor an ihm einen Mann, der den entscheidendsten und wohlthätigsten Einfluß auf sein Jahrhundert gehabt und dem Staate eine Menge brauchbarer und gelehrter Männer gebildet hatte.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 112-114.
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