Rußland

[355] Rußland. Ein Coloß von Macht und Größe, der an innerer Kraft mit den furchtbarsten der jetzt bestehenden Staaten wetteifert, und an Ausdehnung alle bekannte Reiche der alten und neuen Welt (vielleicht das einzige China ausgenommen) übertrifft, ging Rußland seit einem Jahrhunderte, durch den allbelebenden Geist eines großen Regenten geweckt, aus dem Schlafe der politischen Nullität hervor, und schwang sich durch Catharinens II. Unternehmungsgeist, Politik und gesetzgeberische Talente zu der Höhe empor, auf welcher ihn Europa noch anstaunt und – fürchtet. – Sein Umfang begreift 60,000 Quadratmeilen in Europa, also fünf Mal mehr Flächeninhalt als Deutschland, und 240,000 Quadratmeilen in Asien; – fast der doppelte Umfang des ganzen Europa. Kein Staat vereinigt so viele verschiedne Nationen, [355] eine solche Mannigfaltigkeit der natürlichen Reichthümer, des Climaʼs, der Sitten und Cultur unter einem Scepter; kein Staat hat in physischer und politischer Hinsicht eine so vortheilhafte Begrenzung als Rußland. – Gegen Norden und Osten unzugängliche Meere; gegen Südosten Steppen und Wüsten, die es gegen die Unternehmungen der mächtigen Beherrscher Chinaʼs noch mehr sichern als der Geist dieser indolenten Regierung; gegen Süden ungeheure Gebirge und Sandwüsten; gegen Südwesten abhängige oder kraftlose Völker und Regierungen; gegen Westen Nachbarn, die ihm zum Theil selbst diese Grenzen verdanken, deren Interesse es verbietet, sie zu verrucken, weil sie Rußlands Einflusse wenigstens von dieser Seite kein Gegengewicht halten können. Bloß gegen Nordwesten bietet Rußland Angriffspuncte dar; und da schon die Schwedische Seemacht ihm Schrecken einjagen konnte, so sieht man leicht, daß eine Verbindung Englands mit Schweden und Dänemark den Nordischen Riesen gefährlich erschüttern könnte.

Das Russische Reich liefert alles, was wahres Bedürfniß des Menschen ist, entweder reichlich, oder doch hinlänglich. Die mittlern Gegenden sind äußerst ergiebig an Korn und Früchten; die südlichen liefern auch Weintrauben, Spargel, Färbekräuter, den besten Rhabarber. Tiefer gegen den Pol gedeiht nur Getreide, Flachs und Hanf, keine Früchte; und im äußersten Norden ist die todte, starre Natur nicht vermögend, den nährenden Halm zu reifen. – Die Russ. Waldungen geben unter den vielfachen Hölzern auch treffliche Masten und Schiffsbauholz her: jedoch sind Buchen selten; Eichen giebt es im Norden nicht; um Kasan sind sie häufig, sie sollen aber nicht dauerhaft und wasserfest sein. Diese Wälder enthalten einen Ueberfluß von Wild, welches theils zur Nahrung dient, theils kostbares Pelzwerk liefert: Elendthiere, Rennthiere, auch als Hausthiere sehr nützlich, Hafen, die im Winter weiß werden, Wölfe, Bäre und Füchse von allen Farben, Zobel (das kostbarste unter den hiesigen Pelzthieren), Hermeline, Fischottern, Auerhähne, Birkhühner etc. Hirsche, Rehe und wilde Eber sind selten. Die zahlreichen Flüsse und Seen wimmeln von Fischen aller Art; Lachse, Störe und Sterlete sind die nützlichsten. Die Ströme Sibiriens in Asien, die Wolga, Newa, Düna und der Dnieper in Europa[356] bieten eine Wassercommunication dar, wie sie außer Frankreich kein Land der Erde hat; aus dem entferntesten Sibirien gelangen Transporte, wenige hundert Werste abgerechnet, auf Flüssen und Canälen bis nach Petersburg. Ein neuer Canal verbindet die Düna und den Dnieper. Die Landstraßen sind vortrefflich, werden gut unterhalten und nicht wie in andern Ländern durch schweres Fuhrwerk zu Grunde gerichtet. Die Russ. Viehzucht ist ansehnlich. Zwar steht die Schafzucht, wenn man die Ukräne und die Insel Oesel ausnimmt, auf keiner hohen Stufe der Cultur; aber desto beträchtlicher ist die Pferde-Rindvieh-Schweinezucht. In den südlichen Landschaften giebt es viele Kameele. – Die Sibirischen Wälder ernähren ganze Heerden wilder Pferde und Esel, und eine Mittelgartung zwischen beiden (den schnellen Dsiggetai), die, wenn man sie zähmen lernte, von unaussprechlichem Nutzen sein würde. – Die Bienenzucht, besonders die wilde, ist sehr stark, und das Wachs macht einen Hauptartikel der Ausfuhr. – An Mineralien ist das Russische Reich so gesegnet als irgend ein Land der Erde. Die ergiebigsten Erzgruben sind die Kolywanischen und Nertschinskischen in Sibirien, die Orrenburgischen (104 an der Zahl), die Catharinenburgischen. Sie liefern Gold, Silber und Kupfer, welches sehr goldhaltig ist, und wovon allein im Catharinenburgischen Gouvernement für 1½ bis 2 Millionen Rubel jährlich gewonnen werden, Eisen, wovon Rußland jährlich gegen 300tausend Schiffpfund ausführen kann, Quecksilber und andere Halbmetalle. An vortreflichen Marmorarten, edeln Steinen, z. B. Topasen, Jaspis, Asbest, Frauenglas, an Gips, Thon und Kalk, an Salz, Schwefel, Alaun, Bittererde, Braunstein ist Rußland unermeßlich reich. – Es hat ganze Magnetgebirge, ungeheure Granitmassen, unerschöpfliche Steinbrüche.

Der Zahl der Gouvernements des Russ. Reichs, welche Paul I. durch Zusammenschmelzung, z. B. des Kolywanischen mit dem Irkutskischen, des Mohilewischen mit dem Polozkischen (unter dem Namen des Witepskischen), der 4 Litthauischen in 2 – auf 41 reducirt hatte, ist von Alexander I. durch eine Ukas auf 46 gesetzt und zugleich verordnet worden, daß Curland, Liefland und Esthland, [357] Kiew, Minsk, Podolsk, Wolhyrsk ihre alte eigenthümliche Verfassung, Klein- und Weisrußland und Litthauen ihre Privilegien behalten sollen. Die Bevölkerung eines Gouvernements wird zwar auf 3 bis 400,000 männliche Seelen angeschlagen; aber einige mittlere, z. B. Moskau, enthalten mehr, andere, wie Curland, Esthland, Kolywan und Irkutsk, weniger männliche Köpfe. Man kann wohl ohne Uebertreibung die gesammte Volksmasse des Russ. Reichs auf einige 30 Millionen berechnen; immer für den Flächeninhalt eine schwache Bevölkerung, da im Durchschnitte nur 100 Köpfe auf die Quadratmeile kommen. Durch Ansiedlung fremder Colonisten, durch große Begünstigung der Ausländer, durch Findel- und Accouchirhäuser, durch medizinische Anstalten, z. B. Blatterimpfung, durch Abschaffung der Todesstrafe, durch Ermunterung des Landbaus und der Industrie, ist zwar Catharina II. rühmlich bemüht gewesen, die Bevölkerung zu vermehren: aber ihre nunützen Kriege haben derselben mehr geschadet, als ihr durch jene Maßregeln aufgeholfen wurde. Die Einwohner des Russ Reichs lassen sich ihrem Ursprunge nach in 7 Classen theilen. 1) Slavische Völker, nehmlich Russen, Pohlen, Litthauer und Letten. 2) Finnische Stämme: Finnen, Lappen, Esthen Liwen, Tscheremissen, Tschuwaschen, Permier Siräner, Wogulen etc. 3) Tartaren, wozu die Karakalpaken, Kirgisen, Baschkiren, Metscheräken, Teleuten oder Telenauten und Jakuten gehören. 4) Mogolische Völkerschaften: Mongolen, Burären oder Bratski, Kalmücken, Songooren und Derböten. 5) Tungusische Stämme, die vom Jenisei ostwärts bis an das östliche Weltmeer hausen, und zu welchen auch die Lamuten und Mandschus gerechnet werden. 6) Völker, deren Ursprung ungewiß ist: Samojeden, Ostjäken, Arinzer, Koriwen, Kaibalen, Kamtschadalen, Kurilen, Zigeuner und Jukagiren. 7) Fremde Asiatische und Europäische Nationen: Perser, Türken, Armenier, Schineser, Deutsche, Franzosen, Engländer, Holländer, Schweden etc. Die eigentlichen Russen sind wohlgebaut, robust, stark, treu, dienstfertig, geschickt und geschmeidig, tapfer, gnügsam, scharfsinnig, mehr zum Handel als zum Ackerbau aufgelegt. – Ihre Neigung zum Trunke und zur Wollust ist nicht so groß, [358] als man insgemein wähnt. Rechnet man dazu, daß der Branntwein, den in Rußland die Krone verkauft, theuer und schlecht, d. h. halb Wasser ist, daß der gemeine Russe keinen Wein, kein starkes Bier, kein anderes Stärkungs- und Erwärmungsmittel kennt; so würde man ihm selbst einen häufigern Gebrauch des Branntweins zu Gute halten können. Und wie wollte auch die starke, kernhafte, muskulöse Nation sich erhalten, wenn sie wirklich im Trunke und in der Liebe so unmäßig wäre. – Wenn man den zahlreichen Adel, dessen höchste Classe die Knäsen ausmachen, und der von Peter III. in allen Vorrechten dem Liefländischen und Deutschen Adel gleichgestellt worden; wenn man ferner die wenigen freien Nationen, z. B. Kosaken, Tartaren u. dgl. den wegen Mangel an Städten noch sehr schwachen Bürgerstand und die wenigen Odnodworzioden, Freibauern, ausnimmt: so sind Rußlands Bewohner, also 7/8-alle leibeigen und an den Boden gefesselt. Diese Selaverei ist aber nicht überall gleich drückend. Im eigentlichen Rußland, wo der Bauer Statt aller Frohndienste oft nur einen jährlichen Zoll, Obrock genannt, an seinen Erbherrn zahlt (der insgemein 5, selten 10 Rubel auf jeden männlichen Kopf beträgt), ist die Leibeigenschaft viel milder als in Liefland, Esthland und Litthauen, besonders da, wo ungemeßne Frohndienste sind. Die Kronbauern, welche nicht einzeln verkauft, obwohl in Masse verschenkt werden können, sind in mancher Rücksicht glücklicher, obwohl mehr ihrer eignen Hülfe überlassen, als die adelichen Bauern.

Die Regierung ist in Rußland unumschränkte Monarchie: es giebt hier keine Reichsstände, kein Reichsgrundgesetz, keine Landtage: der Senat ist kaum der Schatten eines Parlaments, da er vom Monarchen allein besetzt wird. Mit 21 Jahren ist der Monarch volljährig. Sein Titel ist unermeßlich groß, wird aber meistens abgekürzt. Der präsumtive Thronerbe heißt Cessarewitsch. Die Krönung und Salbung geschieht in Moskau. Das Russische Wapen ist ein zweiköpfiger Adler, der in der rechten Klaue ein Scepter, in der linken eine Kugel hält. – Paul I. setzte an die Stelle seines Bildnisses ein Kreuz. – Die Staatsbedienten sind nach den militärischen Graden in 13 Classen vertheilt, wovon die 8 obern allein ihrem Besitzer Erbadel, die übrigen nur persönlichen Adel gewähren. Die Russischen Ritterorden [359] von Alex. Newsky, Andreas, Ladislas sind alle von Peter I. gestiftet, den St. Georgenorden ausgenommen, welchen Catharina I. (1763) stiftete. Paul I. ließ den Ladislasorden, die einzige Decoration des bürgerlichen Verdienstes, eingehen: dagegen erklärte er sich zum Großmeister des Maltheserordens, und machte Maltheserritter ohne Zahl; sein Nachfolger hat diese Würde aufgegeben. – Die großen Regierungs-Collegien des Russ. Reichs sind: 1) der Staatsrath; 2) der Senat, der oberste Gerichtshof, der aus 8 Departements besteht; 3) das Cabinett, welches unter andern den Sibirischen Handel mit Pelzwerk dirigirt; 4) das Collegium der auswärtigen Angelegenheiten, wovon auch das Postwesen abhangt; 5) die heil. dirigirende Synode, welcher Druckereien und Bücherwesen unterworfen sind; 6) das Kriegs-Collegium; 7) die Finanz, und Domänenkammer; 8) das Justiz-Collegium für Rußland; 9) das besondere Justiz-Collegium für Liefland, Curland und Esthland, welches zugleich das Ober-Consistorium der Protestanten ist.

Die Griechische Religion ist diejenige, zu welcher sich der größere Theil der Nation bekennt, und in einem mildern Sinn die herrschende. Sie wurde 987 von Wladimir eingeführt, als er eine Griechische Prinzessin heirathete. Die Hierarchie ist ansehnlich. Ihre Stufen sind: Metropolit, Archjerёi, Archimandrit (Abt), Igumen (Prior), Igumena (Aebtissin), Protopope, Pope, Protodiakon, Diakon, Pot-Diakon. Ein Griechischer Priester muß mit einer Jungfrau verheirathet sein; wenn sie stirbt, so darf er nicht wieder heirathen, sondern hört auf Priester zu sein, und muß Mönch werden. – In den ehemahligen Schwedischen Provinzen Finnland, Esthland, Liefland und Curland herrscht die Luthersche Religion. – Die Reformirten, Katholiken, Armenianer, selbst Muhamedaner und Heiden haben freie gottesdienstliche Uebung – nur die Juden werden außer Pohlen gedruckt. – Sonst schließt die Religion niemanden von öffentlichen Aemtern aus – und die Toleranz würde in Rußland vollkommen sein, ohne das Gesetz, welches alle Kinder, deren Vater oder Mutter Griechischer Religion ist, in derselben Religion zu erziehen befiehlt, wodurch in den Lutherischen Provinzen mancherlei [360] Verwirrung entsteht. – Die Fackel der Wissenschaften hat zuerst Peter I. in Rußland angezündet. In Petersburg blüht eine Akademie der Wissenschaften, die besonders im mathematischen und physischen Fache große Mitglieder gehabt hat. – Für den Flor der Künste sorgt die Akademie der Mahlerei, Bildhauer und Baukunst, von der Kais. Elisabeth gestiftet und von Catharina II. im Jahr 1764 ganz umgeschaffen (s. auch den Art. Petersburg). – Universitäten sind in Moskau, Kiew, Wilna, und Dorpat. Die 2 ersten Griechisch, die 3te katholisch, die letzte Lutherisch – natürlicher Weise nur von der theologischen Facultät zu versiehn. Für die Verbesserung des Justizwesens hat Catharina II. viel gethan, oder thun wollen. Sie errichtete 1766 eine Commission zur Ausfertigung eines neuen Gesetzbuchs – es blieb aber nur bei der Einleitung dazu. Das Gewissensgericht welches über Vergehungen der Unmündigen und Blödsinnigen entscheiden sollte, war gewiß eine vortreffliche Idee. Paul I. hat die neue Justizverfassung und ihre zahlreichen Behörden und Instanzen abgeschafft, und die Rechtspflege in Liefland, Curland, Esthland auf den alten Fuß gesetzt, nur mit dem Unterschiede, daß diese Provinzen ihre Gerichtspersonen selbst besolden müssen.

Die Polizei ist in Rußland, besonders in den Hauptstädten, was das Spionenwesen und die Energie der Vollziehung anlangt, so meisterhaft als irgend wo. Unter Paul I. war besonders die Kunst des Brieferbrechens zu einer großen Vollkommenheit gediehen. – Außer dem im Jahr 1762 gestifteten medizinischen Collegium hat Paul in jedem Gouvernement eine besondre medizinische Behörde angestellt.

Fabriken und Manufacturen zählte man im Jahr 1776 im Russischen Reiche 484. Die Stahl- und Gewehrfabrik in Tula beschäftigt 6000 Arbeiter. Sonst werden wollene und seidne Zeuge, treffliche, feste Leinwand, Papier, Glas, Leder aller Art, besonders die unnachahmlichen Juften, Pottasche, Pulver in großer Menge und Güte bereitet. Rußland hat schöne Werfte, Färbereien, Zuckerrafinerien, Kupfergießereien u. s. w. – Der auswärtige und innere Handel des Russischen Reichs ist ansehnlich, und wird durch gute Häfen, durch schiffbare Flüsse und [361] Canäle, durch gute Landstraßen und das wohlfeile Fuhrwesen begünstigt. Die Engländer, dann die Schweden und Dänen treiben den stärksten Seehandel nach Rußland über Petersburg, Riga, Reval, Pernau, Libau und Archangel. Mit Persien und der Bucharei, mit China und der Mungalei wird ein starker Handelsverkehr unterhalten. Die Kron-Caravanen, welche ehemahls nach China gingen, haben seit 1762 aufgehört, und der Handel ist frei. Zu Lande handeln die Russen stark nach Breslau, Leipzig und Danzig. Ihre vornehmsten Ausfuhrartikel sind Schiffsbauholz, Eisen, Hanf, Flachs, Pelzwerk, Juften, Talg, Wachs, Pottasche, Thran, Thee, Rhabarber u. dgl. Die Handelsbilanz ist im Ganzen für Rußland günstig; es soll jährlich in gewöhnlichen Jahren auf 2 Millionen Rubel, in dem Englisch-Amerikanischen Kriege auf 4 Millionen gewonnen haben. Der Ertrag der Zölle wird auf 6 Millionen angeschlagen; in den Liefländischen Häfen werden sie in Holländischen und Spanischen Thalern entrichtet. In Petersburg ist ein Commerz-Collegium, dem die Seezölle untergeben sind, und eine Bank, deren Noten das bare Geld vertreten und mit dem Kupfergelde in gleichem Werthe stehen. Ihre Summe ist sehr groß; gleichwohl hatte Catharina II. ihr Kaiserwort gegeben, daß sie nie über 50 Millionen Rubel steigen solle. In 11 Städten sind Auswechslungscomtoirs, wo Banknoten gegen klingende Münze umgesetzt werden. Die häufigen Verfälschungen machen ihren Gebrauch unsicher.

Das Russische Münzwesen ist sehr einfach. In Kupfer hat man Rubel (s. dies. Art.), dann auch Stücke zu 10, zu 5, zu 2, zu 1 Kopeiken, Denuschken zu ¼, Poluschken zu ½ Kopeike. In Silber: ebenfalls Rubel, halbe Rubel, Viertel-Rubel, Stücke zu 20 und 15 Kopeiken. In Gold schlägt man Imperialen zu 10 Rubeln und Dukaten. Rubel von Gold sind selten, noch seltner die halben Rubel. Banknoten giebt es von 5, 10, 25, 50, 100 Rubel. Die goldnen und silbernen Münzen wenden in Moskau und Petersburg geprägt; das Bergrathscollegium hat die Oberaussicht über die Münze. In Curland und in dem Lettischen Theile Lieflands cursirt das Holländische oder Albertusgeld. Ein Albertsthaler hält 40 Mark oder 80 Ferdinge (Ein Viertelsthaler oder Ohrt zu 10 Mark); 5 Ferdinge machen einen Fünfer oder Zweigroschenstück [362] – deren 16 (ohne das Agio) einem Alb. Thaler gleich gelten. Die meisten dieser Fünfer sind Schwedische, Braunschweigische und Sächsische Zweigroschenstücke; und von den letzten sah man 1799 in Riga im Umlaufe mehr als in Leipzig.

Die Staatseinkünfte des Russischen Reichs sind der schlechten Verwaltung ungeachtet beträchtlich, und werden zu 35-40 Millionen Rubel berechnet. Ihre Hauptquellen sind: 1) das Kopfgeld, welches bis zu 2 Rubel gestiegen ist, aber nur von männlichen Köpfen erhoben wird; 2) das Monopol mit Branntwein in den Kabaken (der Liefländische und Curländische Adel ist von diesem Monopol eximirt, und gewinnt außer den Krügen noch durch Contracte, die er mit der Krone über Branntwein-Lieferungen abschließt); 3) die Salzwerke und das Salzregal; 4) die Zölle; 5) die Bergwerke; 6) das Stempelpapier und die Abgabe vom Verkaufe liegender Gründe. Paul I. hat alle Auflagen erhöht. – Dieß war nöthig, um das Deficit zu decken, welches Catharinens II. Kriege und Aufwand in Gebäuden, Schulen und Festen, die Verschwendung ihrer Günstlinge, vorzüglich Potemkinʼs, die Verschenkung der Domänen und Kronbauern, die Einführung der Gouvernementsverfassung im Jahr 1784, die entsetzlichen Betrügereien und Unterschleife der Beamten und so viele Mißbräuche veranlaßt hatten. Aber der Kreuzzug nach Italien, unter Suworow, vereitelte Pauls I. ökonomische Maßregeln. Die Kroneinkünfte werden von der Finanzkammer in Moskau erhoben, mit Ausnahme des Kopfgeldes und des Salzregals, welches sein eignes Comtoir hat.

Das Russische Militär wird auf ½ Million Menschen angegeben, nehmlich 360,000 Mann reguläre und 240,000 Mann irreguläre Truppen, d. h. Kosaken, Baschkiren, Kalmücken etc. allein es ist wohl größer auf den Listen als in der Wirklichkeit. Unter Catharina II. waren wenige Regimenter complett, die Cavallerie-Regimenter guten Theils nur halb beritten, indeß die Obersien den Sold für die fehlenden Soldaten, und das Geld für Pferde und Fütterung in ihren Beutel strichen. Bloß an Offizieren war kein Mangel; manches Regiment hatte allein 15 – 20 überzählige Staabsoffieire. Die Beförderung zu den Offieierstellen geschah insgemein mit [363] Uebergehung der Unteroffiziere und Subalternen durch Einrückung der aus den Garden ausgelaßnen Junker; Gunst und Cabale hatten dabei großen Einfluß. Paul I. stellte einige dieser Mißbräuche ab, begünstigte aber den Geburtsadel zu sehr. Er legte die Soldaten vom Lande in die so wenig zahlreichen Städte, wo sie wie Heringe zusammengedrängt wurden; er änderte ihre bequeme Uniform, und das Versprechen der Solderhöhung blieb unerfüllt. Der Sold des gemeinen Infanteristen ist 8 Rubel jährlich, nebst Mehl und Grütze; seine Kleidung ist gut, aber sie wird nicht oft genug erneuert. Strapazen, beschwerliche Märsche, üble Behandlung nutzen ihn vor der Zeit ab; im Alter hat er keine Versorgung, vor dem Alter keinen Abschied zu hoffen. Einige dieser Beschwerden hat Paul zu heben gesucht; er ertheilte zuerst den Soldaten Urlaub. Ein Rekrut wird 500 Rubel geschätzt und damit vergütet, aber nicht immer erkauft. Seine Anwerbung reißt ihn auf ewig von Aeltern, Gattin, Kindern hinweg, und schleudert ihn in eine neue Welt. So muß ihm der Tod freilich wenig fürchterlich seyn. Die Liefländer, Esthen und Curen, welche kraft ihrer Privilegien und gegen ein höheres Kopfgeld vom Dienste frei waren, sind von Paul auch den Rekrutenaushebungen unterworfen worden. Unkunde der Sprache und Mangel an kriegerischem Sinne machte ihre Lage doppelt schrecklich.

Die Russische Seemacht ist eine Schöpfung Peters I. Sie soll jetzt aus 40 Linienschiffen und einer Galeerenflotte im Baltischen Meere bestehen. Die Russen sind trefliche Seelente; und ihr Land erzeugt alles, was zum Schiffbau nöthig ist, in vorzüglicher Güte: nur das Eichenholz (von Kasan) ausgenommen, welches nicht wasserfest ist; daher die Russischen Schiffe, die überdieß jährlich einfrieren, nicht lange dauern. Die Kriegsschiffe liegen in Kronstadt und in Reval. In Petersburg sind Werfte, die Admiralität und eine Akademie für das Seewesen mit einem Seecadettencorps, wo 300 Zöglinge gebildet werden. Catharina II. hat in Irkutzk eine Schule für die Flußschiffahrt angelegt. Im Nussischen Reiche werden über 20 verschiedne Sprachen gesprochen. Die Russische, ein Dialect der reichen Slavonischen, bedient sich eines dem Griechischen ähnlichen Alphabets. Die Finnische und Esthnische Sprache sind genau verwandt, so wie die der Tartaren es mit der [364] Türkischen ist. Die Curische, Lettische und Litthauische Sprache sollen Töchter Einer Ursprache sein. Jeder der übrigen Hauptstämme, Mongolen, Tongusen, Kamtschadalen, spricht eine eigne Sprache.

Es würde nicht überflüssig sein, dieser Skizze einen flüchtigen Abriß der Russischen Geschichte anzufügen; aber der enge Raum schränkt uns nur auf einige Grundzüge ein.

Die Russische Nation ist ein Slavischer Stamm, der ursprünglich nördlich über der Donau wohnte, von mehrern kleinen Fürsten beherrscht, die sich Großfürsten nannten, und in immerwährenden Kriegen gegen einander lebten; die Mongolen unterjochten sie. – In ihrer Mitte blühte ein republikanischer Staat, die Stadt Novogorod, eine Genossin der Hansa. Die Schwertbrüder entrissen den Russischen Staaten einige der besten Provinzen am Baltischen Meere. Der eigentliche Stifter der Russischen Monarchie war in der Mitte des 15. Jahrhunderts Iwan Wasiliewitsch, welcher das verhaßte Joch der Mongolen abschüttelte. Sein Sohn, Iwan II. eroberte Kasan und Astrakan, 2 Tartarische Reiche. Fedor, Iwans Sohn, nahm 1587 das große Sibirien in Besitz. Mit ihm erlosch Iwans I. Stamm. Die Russ. Großen erwählten 1597 seinen Schwager, Boris Godunow, zu ihrem Regenten, der sich 1605 selbst vergiftete, und dessen Tod die Flamme der innern Kriege anfachte. Im Jahr 1613 kam das Haus Romanow durch Wahl auf den Thron. Michael, Fedorʼs Sohn, war der erste Großfürst aus diesem Stamme. Sein Sohn Alexis bezwang und unterwarf sich 1654 die Kosaken, und eroberte Smolensko, Czernichow und Sewersk, welche Provinzen erst 1686 von Pohlen auf ewig abgetreten wurden. Fedor, Alexius Sohn, regierte nur 6 Jahre, und hinterließ 1682 das Reich seinen 2 Brüdern, Iwan und Peter. Iwan trat bald von der Bühne ab. Peter ward der wahre Bildner des Russischen Staats, Reformator, Held, Gesetzgeber, eroberte von Schweden Liefland, Esihland, einen Theil Finnlands, legte Petersburgan, vermehrte sein Reich durch Persische Provinzen und nahm 1723 den Kaisertitel an. Ihm folgte 1725 seine Gemahlin, Catharina I. die er aus dem Staube auf den Thron erhoben hatte. Sie ernannte 1727 [365] Peter II. Peters I. Enkel, zum Thronerben, der aber jung starb. Anna, Iwans Tochter, Peters I. Nichte, wurde vom Russischen Senate zur Kaiserin gekrönt. Sie erhob August III. auf den Pohlnischen Thron, führte einen glücklichen Krieg mit den Türken, verließ aber die Persischen Provinzen, deren ungesundes Clima die Russen aufrieb. Anna ernannte 1740 den minderjährigen Iwan III. einen Enkel ihrer Schwester, zum Thronfolger; er wurde aber 1741 nebst seiner Mutter vom Throne herabgestürzt, und Elisabeth, Peters I. jüngste Tochter, bestieg ihn. Der Friede mit Schweden verschaffte ihr einen Theil Finnlands, die Festung Nyslot, und ihr Neffe, Adolph Friedrich von Holstein, bestieg den Thron von Schweden. Im 7jährigen Kriege war sie Oesterreichs Verbündete gegen Preußen. – Nach ihrem Tode, 1762, ward ihr Schwestersohn, Peter III. Herzog von Holstein-Gottorp, Kaiser von Rußland. Er schloß Frieden, auch bald darauf ein Bündniß mit Preußen, und wollte seine Ansprüche auf Dänemark und Schleswig geltend machen, als ein tragisches Ende seine Plane zerriß. Peters III. Gemahlin, Catharina II. Prinzessin von Anhalt-Zerbst, bestieg 1763 den Thron, auf dem sie 33 Jahre glänzte. Diese mit gleicher Parteilichkeit vergötterte und gelästerte Frau baute auf dem Grunde fort, den Peter I. zur Vergrößerung und Cultivirung des Russischen Staats gelegt hatte. Sie sorgte gewiß für die Wohlfahrt und den Flor desselben, aber mehr noch für ihren Ruhm. Sie machte zuerst ihren Liebling, Poniatowski zum König in Pohlen, schloß ein Bündniß mit Preußen, schützte die Pohlnischen Dissidenten und Conföderirten, und bewirkte 1772 die erste Theilung Pohlens, wodurch sie einen Theil Litthauens mit Rußland vereinigte (m. s. den Art. Revolution von Pohlen). Der Türkenkrieg war die glänzende Periode ihrer Regierung. Ihre Flotten unter Spiritow und Orlow, ihre Landarmeen unter Romanzow, Bauer, Tottleben etc. erfochten zahllose Siege, und verbreiteten Schrecken bis Constantinopel. Der Friede verschaffte ihr die Festungen Kertsch und Jenikale, die freie Schifffahrt auf dem schwatzen und weißen Meere, er sicherte die Unabhängigkeit der freien Tartarn. Catharina vermittelte 1779 den Frieden in Deutschland, schloß 1780 mit Schweden und Dänemark den Bund der bewaffneten [366] Neutralität, dem Holland zuletzt beitrat, setzte 1782 den Chan der Krim wieder ein. Die neue Regierungsform, die sie 1786 einführte, ihre Instruction für den Gesetzgebungsausschuß, ihr Eifer für den Flor der Wissenschaften und Künste, für Cultur und Bevölkerung machen ihr Andenken heiliger, als der Krieg mit Schweden, der sich 1789 ohne Verlust, aber ohne Ehre endigte, der neue Menschen und Länder verheerende Türkenkrieg, dessen Preis (1791) einige Festungen waren, die 2te und 3te Theilung Pohlens, 1793 und 1795, wodurch sie fast ganz Litthauen, Curland, Podolien und Wolhyrsk an sich riß. Sie starb 1796 den 17. November. Ihr Sohn und Nachfolger, Paul I. ist durch seine Reformen, deren Tendenz dem Geiste der Zeit und dem Geiste seiner großen Vorgänger entgegengesetzt war, ewig merkwürdig. Er schaffte die Gouvernements-Regierung ab, erhöhte die Auflagen, verlegte das Militär in Städte, führte eine strenge Censur ein, die fast zur Gedankensperre ward, verbot die Ausfuhr aller Kriegsartikel, vorher eine Reichthumsquelle für Rußland, erklärte sich zu gleicher Zeit zum Großmeister des Maltheserordens und Bundesgenossen der Türkei, hielt mit Strenge auf die Ehre der Monarchie, und ließ zahlreiche Heere gegen Frankreich marschiren, um sie zu rächen. Der schlimme Erfolg dieser Expedition, der Bruch mit England und Pauls I. trauriger Tod (den 11. März, 1801) sind weltkundig. – Eine fehlerhafte Erziehung und die fatalen Eindrücke der Franz. Revolution hatten diesen Charakter verschoben, dessen Grundzüge Biedersinn, strenge Gerechtigkeit, mit unbiegsamer Heftigkeit verbunden, waren. Durch ein Grundgesetz, welches auf ewige Zeiten gelten soll, hat er 1797 die Frauen vom Russischen Throne ausgeschlossen. Sein Sohn, Alexander I. hat bisher die glücklichen Vorbedeutungen gerechtfertigt, unter welchen er den Thron bestieg. Mit festem Schritte betrat er die Bahn, die Peter I. und Catharina II. vorgezeichnet hatten; aber er weiß sich vor den Blendwerken einer falschen Größe und vor dem Schwindel der Herrschergewalt zu bewahren. Empfänglich für den Rath weiser Patrioten, nachgiebig gegen den Geist des Jahrhunderts, hat er viele strenge Gesetze seines Vorgängers gemildert, hat die Funken des neu auflodernden Kriegs gedämpft, hat das gute Vernehmen mit England und Frankreich hergestellt; [367] Alexander hat die Tortur abgeschafft – hat Geisteszwang und Censur in enge Schranken eingeschlossen. Seine Regierung verspricht, den Russischen Staat nicht durch Eroberungskriege auszudehnen und zu entkräften, sondern durch weise Benutzung und Vereinigung seiner innern Kräfte, durch Begünstigung der Ruhe, des Handels, der Betriebsamkeit und der geistigen Cultur auf eine Stufe des Wohlstandes zu erheben, welche nicht die Eifersucht der übrigen Nationen reitzen, sondern sie zu Bewunderung und achtungsvollem Beifall auffordern muß.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 4. Amsterdam 1809, S. 355-368.
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