Soliman der erste

[313] Soliman der erste (Andere, die nicht erst mit der Eroberung Constantinopels die Türkischen Kaiser zu zählen anfangen, nennen ihn den zweiten) verdient mit Recht den ihm beigelegten Ehrennamen des Großen. Er war der berühmteste aller Regenten der Pforte, und erhob sie auf den höchsten Gipfel der Macht, den sie je erreicht hat. Keiner seiner Nachfolger [313] war ihm an Kriegsruhm und Klugheit gleich, vielmehr gingen durch ihre Trägheit fast alle Vortheile verloren, die Soliman errungen hatte. Er war der Sohn Sultans Selim I., kam 1520 auf den Thron, und eroberte schon 1521 Belgrad, die wichtigste Festung des Reichs nach Ungarn zu. Im darauf folgenden Jahre vertrieb er, ungeachtet des tapfersten Widerstandes, die Johanniterritter von der Insel Rhodus, fiel dann in Ungarn ein, gewann hier 1526 die große Schlacht bei Mohacz, die ihn in den Besitz von Ofen und des größten Theils des Reichs setzte, und dem König Ludwig II. das Leben raubte; rückte sogar unter steten Siegen bis vor Wien, 1529, lief mehrere Mahle Sturm, mußte aber mit empfindlichem Verluste abziehen. Er behauptete dessen ungeachtet den größten Theil von Ungarn, und unterstützte durch seine Waffen den Fürsten von Siebenbürgen, Johann von Zapolia, und nachher dessen Sohn gleiches Namens, die von vielen Ständen zu Königen ausgerufen worden waren, lange Zeit gegen den Gegenkönig Ferdinand I. Ueberhaupt war er einer der furchtbarsten Feinde des Hauses Oestreich, und seine Erbitterung gegen dasselbe trug wenigstens mittelbar sehr viel zur Erhaltung der Freiheit der Deutschen Reichsstände und der Protestanten bei: denn er schloß mit Franz I., König von Frankreich, einen Bund gegen Carl V., und hinderte ihn auf diese Art, Deutschland zu unterjochen. Gegen Persien wandte er seine Waffen gleichfalls mit glücklichem Erfolg, eroberte Bagdad, Mosul und viele Landesstriche dieses Staates, bezwang ein Stück von Arabien, Namens Yemen, und erlangte sogar im Mittelländischen Meere, trotz des schlechten Zustandes seiner Flotte, die erst von ihm und seinem Vorgänger etwas verbessert, und noch gar nicht regelmäßig eingerichtet war, durch die furchtbaren Raubzüge des berühmten Barbarossa, dem er zuerst die Würde eines Kaputan Pascha gab, und durch den Seeräuber Dragut ein entscheidendes Uebergewicht. Barbarossa eroberte Tunis und Algier (ersteres ging bald wieder verloren), und beunruhigte die ganze Küste des Mittelländischen Meeres. – Allein dem Soliman war in den spätern Regierungsjahren das Glück nicht so günstig: er wurde von den Persern geschlagen, belagerte Maltha vergebens, [314] und erlebte auch nicht das Ende des letzten Krieges gegen Ungarn; denn er starb während der langwierigen Belagerung von Sigeth, 1566, im 74sten Lebensjahre. Er war ein edeldenkender, tapferer und geistvoller Fürst, der auch im Frieden viele vortreffliche Anstalten machte, und seinem Volke ein Gesetzbuch gab. Bloß die Liebe zu der Sultanin Roxolane, einer Sclavin, verleitete ihn zu Grausamkeiten; denn auf ihren Antrieb ließ er seinen vortrefflichen Großvezier, Ibrahim, hinrichten, und ermordete, um ihrem Sohne, Selim II., die Thronfolge zu sichern, alle Kinder, die ihm eine andere Sultanin geboren hatte.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 5. Amsterdam 1809, S. 313-315.
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