Themistocles

[117] Themistocles, einer der berühmtesten Feldherren Athens, der Sohn eines braven, stillen Bürgers von Athen, Neocles, lebte anfangs so ausschweifend, daß ihn sein Vater enterbte. Dieß spornte ihn an, den Schandfleck wieder durch Wohlverhalten und [117] tapfre Thaten auszuwischen. Er endete den ihm wider Corcyra übertragenen Krieg glücklich, befreite das Meer von den Seeräubern; aber das höchste, was ihn für sein Vaterland unsterblich machte, war der Krieg wider die Perser. In diesem wurde er zum Feldherrn gegen Xerxes erwählt, und gab zuerst, da zwischen den Atheniensern und Lacedämoniern ein Streit über das Hauptcommando, auf welches er allerdings Anspruch machen konnte, entstand, das schöne Beispiel der Nachgiebigkeit, indem er es dem Spartanischen König Eurybiades überließ. Lange kam es zu keiner entscheidenden Schlacht; indessen hatte sich die Armee des Xerres bei Thermopylä eingedrängt, breitete sich in Phocis aus, und verwüstete alles mit Feuer und Schwert. Themistocles wandte jetzt alles an, um sein Vaterland zu retten: er ließ verwiesene Bürger, vorzüglich den Aristides, zurückberufen; er steckte sich hinter das Orakel, das den Ausspruch thun mußte, sie könnten ihr Heil bloß in hölzernen Mauern (Schiffen) suchen, um sie zu bewegen, sich zu Schiffe zu begeben etc. und als selbst die Peloponneser nicht länger aushalten wollten, ließ er dem Xerxes eine falsche Nachricht und den Rath hinterbringen, daß, da er die Griechen hier alle beisammen hätte, er, wenn er gegen sie vorrückte, sie auf einmahl aufreiben könnte. Xerxes ging in die Schlinge; er kam in die Meerenge, und wurde hier zu dicht eingeschlossen: so konnte die kleine Griechische Flotte ihn mit Vortheil angreifen und es erfolgte bei Salamis (ungefähr 480 J. vor Chr. Geb.) der vollständigste Sieg, wobei die Griechen nur 40, die Perser hingegen auf 200 Schiffe verloren. Jetzt trug Themistocles auf die neue Befestigung Athens an; die Lacedämonier, darauf neidisch, wollten es nicht zugeben, und schickten deßhalb Gesandte nach Athen. Themistocles versicherte die Gesandten, daß es damit nicht so viel auf sich hätte, ließ auch, so lange sie in Athen waren, den Bau einstellen, und erbot sich, mit ihnen nach Sparta zu reisen; insgeheim aber gab er Auftrag, daß während seiner Abwesenheit Tag und Nacht fortgearbeitet würde. In Sparta hielt er sich lange auf; und als endlich doch das Gerücht von der Fortsetzung eines Festungsbaues hieher kam, läugnete er standhaft, und schlug vor, sie möchten Gesandte nach Athen schicken, [118] er wolle so lange als Geisel da bleiben. Den Atheniensern aber ließ er insgeheim sagen, sie möchten die Spartanischen Abgesandten so lange festhalten, bis man Ihn wieder in Freiheit gelassen hätte. Dieß geschah: nun hinterbrachte er ganz offen den Lacedämoniern die Sache, und – sie sahen sich freilich genöthiget, ihn in Freiheit zu lassen; desto größer und unauslöschlicher aber ward auch ihr Haß gegen ihn. Er brachte es nun auch dahin, daß der Hafen Piräus in Stand gebracht, mit Athen vereinigt, und so die Herrschaft der Athenienser auf dem Meere desto stärker befestiget wurde. Und dennoch wurde dieser Held, dieser so ganz sich auszeichnende Patriot, trotz aller seiner so großen Verdienste um seine Vaterstadt, endlich aus Neid und Eifersucht durch den Ostracismus (s. dies. Art.) verbannt, ja, sogar als Landesverräther verdammt und seine Güter confiscirt. Ihm blieb jetzt nichts übrig, als zu seinen Feinden zu fliehen: er ging zu Artaxerxes, König von Persien (des Xerxes Sohn und Nachfolger), der über seine Ankunft die höchste Freude bezeigte, ihm sogleich die auf seinen Kopf gesetzten 200 Talente selbst überreichte, mehrere Städte zum Eigenthum, auch eine Gemahlin gab, und nun die glücklichsten Hoffnungen von dieser Erscheinung seines größten Feindes faßte. Anfangs machte ihm auch Themistocles viel Hoffnung, als ob er die Persische Armee wider sein eignes Vaterland anführen würde. Da es aber nach einigen Jahren zu ernstlichen Zurüstungen kam, und er nun nicht weiter ausweichen konnte, nahm er (Olymp. 78. – 466 J. vor Chr. Geb.) Gift, um nicht an seinem, wenn gleich undankbaren, Vaterlande, zum Verräther zu werden. So starb er im 65. Jahre seines Alters zu Magnesia, einer von den ihm geschenkten Städten, wo ihm auch ein prächtiges Grabmahl errichtet wurde. Die Achtung des Königs – wenn gleich in seinen Hoffnungen getäuscht – ward gegen ihn im Tode noch größer. – Mehrere seiner witzigen Einfälle, die zugleich von seinem großen Verstande zeugen, hat man aufbewahrt. Von seinem Sohne, der über die Mutter sehr viel vermochte, pflegte er zu sagen: Dieser Knabe ist der Beherrscher von Griechenland: Er regiert seine Mutter; seine Mutter regiert mich; ich regiere die Athenienser, und die Athenienser regieren die Griechen. [119] Auch hat man 21 Episteln unter seinem Namen herausgegeben, die aber wahrscheinlich nur erdichtet sind.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 117-120.
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