Aulus Vitellius

[467] Aulus Vitellius, einer der nichtswürdigsten Kaiser, welche diese Würde auf dem römischen Throne bekleidet haben. Schon sein Vater, Lucius Vitellius, hatte sich durch Niederträchtigkeiten und durch die verächtlichsten Speichelleckereien emporgebracht – er war z. B. der Erste, welcher den wahnstunigen Caligula und auch nachher den Claudius als einen Gott verehrte, der es auch als besondere Gnade erkannte, der Kaiserin Messalina die Schuhe auszuziehen! – Dieser sein Sohn, im Jahre 15 nach Chr. geboren und zu Caprea, dem Sitze der Wollust und der Ausschweifungen, erzogen, war an sich ein träger, hirnloser Mensch, der seine Schlemmerei so weit trieb, daß er sogar Brechmittel einnahm, um desto mehr essen zu können. Allen Lastern und Ausschweifungen ergeben, [467] wußte er sich am Hofe des Caligula dessen Gunst durch sein Kutschertalent, des Claudius Wohlwollen durch seine Liebe zum Spiel, und des Nero besondere Gewogenheit durch kriechende Schmeichelei über dessen Talente für den Gesang zu erwerben, spielte so bei allen die wichtigste Rolle und erhielt die wichtigsten Staatsämter und Priesterstellen. So ward er auch, da er die Armee in Deutschland, deren Legionen er commandirte, durch Geschenke sich geneigt gemacht hatte, nach des Kaisers Galba Tode, von jener zum Kaiser in seinem 57. Jahre ausgerufen, während die prärorianischen Truppen zu Rom den Otho dazu erklärten. Wider diesen seinen Nebenbuhler verloren seine Armeen drei wichtige Schlachten hinter einander und nur erst die vierte, zwischen Cremona und Verona, hatte für ihn den erwünschtesten Ausgang. Otho tödtete sich selbst und nun huldigte die ganze Armee, so wie der Senat, dem neuen Kaiser Bitellius, der mit besonderm Vergnügen auf dem Schlachtfelde, wo jenes Treffen vorgefallen war, verweilte und bei dem Anblicke der vielen Leichname und des mit Blut gefärbten Bodens versicherte: der erschlagene Feind riecht gut, aber noch besser der Burger! So zog nun dieser Schlemmer ein, und die unbeschreiblichsten Ausschweifungen und Verschwendungen waren an der Tagesordnung: binnen wenigen Tagen waren vier Millionen und in Zeit von 4 Monaten 900 Mill. Sestertien verschwendet. Aber auch an Grausamkeit suchte er sich seinen Vorgänger Nero zum Muster zu nehmen, dem er sogar Altäre und feierliche Todtenopfer errichtete. Die empörendsten Grausamkeiten wurden verübt, und nicht nur seine Freunde ließ er hinrichten, selbst seine Mutter ließ er Hungers sterben. Doch zum Glück dauerte die Regierung dieses gekrönten Ungeheuers nicht lange. Die Armeen, im Orient sowol als an der Donau, empörten sich und riefen den Bespasian zum Kaiser aus; alles kam in Aufruhr. Er selbst suchte noch auf dem Capitol Rettung; der Tempel ging in Flammen auf, Rom würde mit Sturm eingenommen und der Abscheuwürdige Tyrann, nach einer etwa 8 monatlichen Regierung ermordet; seinen Körper schleppte man mit Haken fort und warf ihn in die Tiber.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 8. Leipzig 1811, S. 467-468.
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