Charles James Fox

[357] Charles James Fox (lies: Thschärls Osjehms Faks), gewiß einer der berühmtesten Staatsmänner Englands in der neueren Zeit. Er [357] stammte aus einer Familie, die in mehreren Ahnen die bedeutendsten Staatsmänner aufzählen konnte. Auch sein Vater, Henry Fox, nachmaliger Lord Holland, verwaltete mehrere Staatsämter (als Kriegssekretair, Staatssekretair und Generalzahlmeister der Armee), wo man ihm große Talente und Beredsamkeit zugestand, ungeachtet ihm die unermeßlichen Reichthümer, die er bei der letzten Stelle sich erwarb, auch große Vorwürfe zuzogen. Unser Charles James Fox, sein dritter Sohn, im Jan. 1748 geboren, wurde als Liebling seines Vaters mit zu großer Nachsicht1, aber denn doch sehr gut erzogen, und in mehreren Sprachen, besonders auch der französischen, treflich unterrichtet. In der öffentlichen Schule zu Eaton zeichnete er sich schon im 13. Jahre sehr vortheilhaft aus. Sein Privatlehrer, D. Newcome, fand sehr oft Gelegenheit, sich eben so sehr über seinen Muthwillen zu ärgern, als seine Talente und seine ungewöhnlichen Fortschritte zu bewundern. Ueberall war er – auch unter seinen Mitschülern – der erste. Feurig, überspannt und ausschweifend in allen Dingen, überließ er sich dem Studiren eben so, wie den Zerstreuungen, auf alle Arten. (Freilich hatte es ihm auch dazu nicht an Gelegenheiten gefehlt; denn so gab ihm z. B. sein Vater, als er mit ihm, dem 14jährigen Knaben, in die Bäder zu Spaa reiste, jeden Abend 5 Guineen zum – Spielen.) Er kam nun auf die Universität zu Oxford, auf welcher er den Aristoteles, Longin und Homer – letztern wußte er beinahe auswendig – mit gleicher Leichtigkeit, wie die Professoren, las. Indessen nahte die Zeit heran, wo er – so wollte es [358] die damalige Sitte – sich auf Reisen in fremde Länder begeben mußte, und auch hier studirte er Politik, Geschichte, Sitten der Völker, kurz Alles, was ihm einst in seinem Vaterlande nützlich werden konnte. Aber eben so überließ er sich auch zugleich allen möglichen Zerstreuungen – oder richtiger wohl, Ausschweifungen – besonders im Spiel und in der Liebe. Trotz des Vaters Freigebigkeit waren seine Schulden ungeheuer: und es kostete von Seiten jenes viel Ernst und viel Geld zu Bezahlung seiner Schulden, um ihn ins Vaterland zurückzubringen. Sonderbar genug spielte dieser nachher so groß gewordene Staatsminister damals den größten Petitmaitre. Viele Personen haben ihn zur selbigen Zeit in rothen Absätzen an den Schuhen, Chapeau bas, im brodirten Kleide, ein großes Bouquet an der Brust – den Ton für alle junge Elegants angeben sehen! Und alles dies hatte er schon im 19. Jahre vor sich gebracht, wo es dem Vater gelang, ihm eine Stelle im Parlament zu verschassen. Schon im J. 1763, noch vor dem erforderlichen Alter, ward er Parlamentsglied als Repräsentant von Midhurst in der Grafschaft Sussex; 1770 wurde er zum Mitglied der Admiralitätscommission ernannt, auf welche Stelle er 1772 resignirte und im Januar 73 als Mitglied des Schatzkammer-Collegiums angestellt wurde; aber diese Stelle verlor er, nachdem fein Vater 1774 gestorben war2, weil er den Lord North, ersten Lord der Schatzkammer, beleidigte: doch als dieser nach einiger Zeit seine Stelle aufgeben mußte, und der Marquis von Rockingham an dessen Stelle trat, ward unfer Fox (welcher während dieser Zeit bei Gelegenheit der über den amerikanischen Krieg entstandenen Debatten im Unterhause, wo die kraftvollsten Reden gehalten wurden, unter Burkes Anleitung sich zum Redner und Staatsmann ganz gebildet hatte) 1782 Staatssekretair für die auswärtigen Angelegenheiten; aber auch dieses Amt legte er, da Rockingham starb, und Lord Shelburne [359] (nachheriger Marquis von Landsdowne) zum Verdruß Foxens die Stelle erhielt, welche er lieber dem Herzog von Portland ertheilt gesehen hätte, nieder, und nahm nun seinen alten Sitz, der Bank der Schatzkammer gegen über, wieder ein. Bald hatte er nun hier den wichtigen Kampf wegen der Regierung des Staats zu bestehen; denn William Pitt, noch ein Jüngling, wurde durch die Gunst des Königs und des Volks zum ersten Minister erhoben. Die erste große Angelegenheit, wo er sich thätig erzeigen konnte, war der berühmte Proceß gegen den gewesenen Generalgouverneur von Ostindien, Hastings (s. diesen Art.). Nachdem er, durch das Glück im Spiele sehr begünstigt, wieder zu einem anständigen Vermögen gelangt war, machte er im J. 1788 seiner Gesundheit halber eine Reise in die Schweiz, kehrte aber bald wegen der merkwürdigen Krankheit des Königs zurück. Jetzt brach nun die große merkwürdige Revolution in Frankreich aus, wo Fox sich stark und bestimmt für die Sache der Freiheit erklärte. Sein ewiger Nebenbuhler, Pitt, brachte es dahin, daß Foxʼs Name aus der Liste der königl. Räthe ausgestrichen wurde. Fox wußte sich zu fassen und stieg dagegen immer mehr in der Liebe eines großen Theils der englischen Nation. Auch trasen nachher leider! seine so oft geäußerten Bemerkungen, die immer und immer gegen den Krieg gerichtet waren, ein: die Fortsetzung des Kriegs gegen Frankreich war für England sehr nachtheilig, und – seinen Alliirten verderblich. Indessen fühlte Fox dieses nur gar zu sehr, und eine Zeitlang zog er sich aus Verdruß ganz von den Staatsgeschäften zurück, wiewohl er den Entschluß, sich für immer davon loszusagen, noch aufgab, als neue und ganz eigenthümliche Ereignisse eintraten: Pitt wagte es, ohne Zustimmung des Hauses der Gemeinen, dem Kaiser und den französischen Prinzen Subsidien vorzuschießen, und Fox formirte 1796 eine eigne Anklage deshalb gegen ihn, die zwar nicht durchging, aber denn doch den Haß gegen den ersten Minister noch sehr vermehrte. – Auch Wilberforce freute sich Foxʼs eifriger Unterstützung bei seinen für die Abschaffung des Sklavenhandels [360] gethanen Schritten; und mächtig wirkte er mit zur Abschließung des Friedens von Amiens, der nach Pittʼs Abtretung von seinen Stellen erfolgte: eben so mächtig erklärte er sich nachher gegen die Wiedereröffnung der Feindseligkeiten. Indessen kam Pitt (1804) wieder an das Staatsruder; er betrieb den Krieg und zog nun auch das bisher neutrale Spanien mit hinein; aber Fox tadelte dies laut als übereiltes, ungerechtes Betragen. Endlich führte der Tod Foxʼs größten Gegner von dem Schauplatze ab (Jan. 1806), und Fox trat nun in demselben Jahre – nach einer 22jährigen Opposition – wieder den Posten als Staatssekretair der auswärtigen Angelegenheiten an, den er 1784 abgegeben hatte. Jetzt verfolgte er mit aller Macht seine immerfort behauptete Meinung, dem Kriege ein Ende zu machen. Alles wurde treflich eingeleitet; die meisten Schwierigkeiten waren vielleicht schon gehoben – da raubte auch ihn, den großen Minister, der Tod seinen Freunden und der Menschheit, der er so gern den Frieden gegeben hätte. Er starb an der Wassersucht den 3. Sept. 1806.

Was diesen für England so wichtigen Staatsmann vor allem auszeichnete, war seine Freimüthigkeit und die Herzlichkeit seiner Sprache, ob ihm gleich vielleicht der Vorzug des blühenden Redners fehlte, und man ihm überhaupt – da er im Feuer seines Temperaments sich oft die Zeit nicht nahm, seine Perioden harmonisch zu ordnen, er auch oft zu schnell sprach – mehr kraftvollen als schönen Vortrag zuschrieb. So kühn und entschlossen er nun öffentlich auftrat, so mild und liebreich war er in seinem Privatleben, in seinen Sitten einnehmend, im Umgange höchst liebenswürdig. Mit Recht sagt sein Biograph in dem Monthly Magazine (aus dem auch diese Skizze großentheils entlehnt ist): »Seit Cromwell hat kein Privatmann in England eine so ausgezeichnete Rolle gespielt, als Charles Fox. Aber jener führte Armeen an, befehligte über Flotten, erschöpfte den Schatz, und stürzte einen Staat, indessen dieser durch Mittel höherer Menschen – durch Talente sich einen hohen Grad von Autorität [361] erwarb, und geboren schien, seinem Lande nützlich zu sein, es zu retten.« Die Nation liebte ihn; Westminsters Bewohner beteten ihn, den Mann des Volkes, an. Seine letzten Handlungen: den Nachtheil des Kriegs zu hemmen, das brittische Interesse mit dem Irlands näher zu verbinden, und endlich die bewirkte feierliche Erklärung beider Parlameuter für die Abschaffung des Sklavenhandels, waren des großen Mannes ganz würdig. Ein schöner Beweis seines Edelsinns, seiner Großmuth mag hier den Schluß dieser Skizze – dessen Länge die Wichtigkeit des Mannes, den sie darstellte, entschuldigen wird – machen: Im Februar 1806 ließ sich ein Mensch bei Fox anmelden, unter der Eröffnung, daß er ihm Dinge mitzutheilen hätte, die ihm Vergnügen machen würden. Fox besprach sich ganz allein mit ihm, und erfuhr dann, daß dieser Mensch, um alle Kronen zu beruhigen, das Project entworfen habe, das Haupt der Franzosen aus dem Wege zu schaffen. Höchst entrüstet befahl er dem Meuchelmörder, ihn den Augenblick zu verlassen, gab aber nachher sogleich dem Prinzen von Benevent in einem Schreiben Nachricht davon, ließ jenen Mörder zurückhalten und überließ es nun dem Prinzen, die nöthigen Sicherheitsmaßregeln zu treffen. Auch wurde diese Großmuth von dem französischen Kaiser anerkannt, und es ward die Veranlassung zu näheren Friedensunterhandlungen, die aber leider! da auch nachher Fox in die seinen Tod befördernde Krankheit fiel, wieder abgebrochen wurden.


Fußnoten

1 Nur Ein Beispiel, wie sehr ihn sein Vater alles thun ließ, was dem übermüthigen Knaben beliebte: Noch vor dem 6. Jahre, als der Vater einmal die Uhr aufzog, äußerte der Knabe seine Lust, diese Uhr zu zerbrechen. Der Vater verweigerte es ihm; – »aber ich habe rasende Lust,« erwiederte der Junge mit Ungestüm. »Nun, mein Kind, sagte der Vater, wenn du so gewaltigen Drang dazu fühlst, will ich dir nicht entgegen sein; da, nimm sie!« – Karl nahm die Uhr und schleuderte sie mit aller Gewalt auf den Boden. – Solche übertriebene Nachsicht mußte den Grund zu manchen Untugenden legen, welche freilich in den Charakter des großen Mannes so manche Flecken hineinbrachten.


2 Als Lord Holland starb, vermachte er dem Sohne 20,000 Pfund voraus, 900 Pfund Renten, und ein paar Güter, welche auf 4000 Pfd. eintrugen, und – alles dies war in kurzer Zeit verschwendet.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7. Amsterdam 1809, S. 357-362.
Lizenz:
Faksimiles:
357 | 358 | 359 | 360 | 361 | 362
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Bunte Steine. Ein Festgeschenk 1852

Bunte Steine. Ein Festgeschenk 1852

Noch in der Berufungsphase zum Schulrat veröffentlicht Stifter 1853 seine Sammlung von sechs Erzählungen »Bunte Steine«. In der berühmten Vorrede bekennt er, Dichtung sei für ihn nach der Religion das Höchste auf Erden. Das sanfte Gesetz des natürlichen Lebens schwebt über der idyllischen Welt seiner Erzählungen, in denen überraschende Gefahren und ausweglose Situationen lauern, denen nur durch das sittlich Notwendige zu entkommen ist.

230 Seiten, 9.60 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon