Der Vogel Greif

[408] Der Vogel Greif (Gryphs, Gryphus), ein in der Fabellehre der Alten sehr bekanntes Wunderthier, dessen Gestalt sehr vielfache Zusätze, je nach den Phantasien der Dichter und Schriftsteller, erhalten hat. Gewöhnlich giebt man ihm die Gestalt eines Löwen, einen Adlerkopf mit Pferde-Ohren, übrigens aber Flügel und statt der Mähne einen Kamm von Fisch-Floßfedern. Nach der Fabel sollten sie das Gold aus der Erde graben und es gegen die Räuber bewachen. Die griechischen Tragiker bedienten sich der Greife als schwebenden Zuggespanns vor den Wagen der Götter. In der Heraldik kommt er öfters als Schildhalter vor. Sehr viel ist über die Entstehung der Idee von dieser Fabel gemuthmaßet worden: namentlich haben der Graf von Veltheim in seiner Abhandlung von den goldgrabenden Ameisen und Greifen der Alten und der berühmte Archäolog Böttiger in seinen Vasengemälden sehr viel Sinnreiches darüber gesagt, von denen Letzterer diese und ähnliche Ungeheuer blos als Erzeugnisse der indischen Tapetenwirkerei mit vieler Wahrscheinlichkeit erklärt, da [408] die Indier sich von den ältesten Zeiten her an seltsamen Zusammensetzungen ihrer heiligen Thiere ergötzten; und als nun die Griechen am Hofe des persischen Königs solche Tapeten erblickten, so glaubten sie, die Thiere wären nach der Natur genommen, und hielten sie für wirkliche Geschöpfe des wunderreichen Indiens. Auf ähnliche Art entstanden auch die nachherigen Arabesken, Grotesken etc. mit denen jene also einerlei Ursprung hätten.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7. Amsterdam 1809, S. 408-409.
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