Italien

[483] *Italien – Die Begebenheiten, die sich seit dem französischen Revolutionskriege hier ereignet haben, und die Veränderungen, welche dieses Land in geographischer Hinsicht erlitten hat, sind so verwikkelt und mannigfaltig, daß, um zu einer richtigen Uebersicht derselben gelangen zu können, es nothwendig ist, die vormalige Eintheilung dieses Landes aufzuführen und bei jedem Staate desselben die Veränderungen, die er erlitten, anzugeben. Doch kann dieses, um dem Leser nicht ein und dasselbe zwei Mal vorzutragen, nur in Ansehung derjenigen italiänischen Staaten geschehen, von denen kein besonderer Artikel dieses Werkes handelt; da hingegen bei den besonders abgehandelten Staaten die Veränderungen desselben bei den einzelnen Artikeln theils schon bemerkt, theils in den Nachträgen zu finden sind.

Italien wurde, vor Ausbruch der französischen Revolution, in folgende Theile und Länder eingetheilet:

I) in den obern Theil. Dieser enthielt:

1) das Herzogthum Savoyen (s. dies. Art.);

2) das Fürstenthum Piemont. Dieses machte bis zum Jahre 1798 einen Theil von den Ländern des Königs von Sardinien aus, der es auch in dem mit Frankreich abgeschlossenen Frieden (15. Mai 1796), in welchem er Savoyen und Nizza abtrat, behielt. Allein, aufs neue mit Frankreich in Krieg verwickelt, mußte er (9. Dec. 1798) auch Piemont abtreten, verlor alle seine Besitzungen auf dem festen Laude und behielt blos die Insel Sardinien. Piemont wurde nun im Januar 1799 in vier Departements getheilt und zur französischen Republik geschlagen. In demselben Jahre bemächtigten sich zwar die Oestreicher und Russen dieses Fürstenthums wieder, und auch die Hauptstadt Turin mit der Citadelle wurde ihnen am 20. Juni übergeben; allein, nach der Schlacht von Marengo [483] (14. Juni 1800) kam es wieder an Frankreich, wo es jetzt besonders in die Departements Eridan, Stura und See-Alpen getheilt ist. – Eben dies Schicksal hatte

3) das Herzogthum Montferrat, welches ebenfalls dem König von Sardinien gehörte, und welches dem französischen Departement Marengo einverleibt ist;

4) das Herzogth. Mailand (s. d. Art.), 5) das Herzogth. Parma u. Piacenza (s. Parma), 6) das Herzogth. Modena, 7) das Herzogth. Mantua (s. diese Art.), 8) die Republik Venedig (s. dies. Art. in den Nachtr.), 9) die Republik Genua, 10) die Republik Lucca (s. diese Art.);

11. 12. 13) das Herzogthum Guastalla und die Fürstenthümer Sabionetta und Bozzolo: diese drei Fürstenthümer gehörten zu den Herzogthümern Parma und Piacenza (s. Parma), und wurden Anfangs zur cisalpinischen Republik (s. dies. Art. in den Nachtr.) geschlagen; allein im Jahr 1806 schenkte sie Kaiser Napoleon, durch ein Decret vom 31. März, seiner mit dem Fürsten Camillo von Borghese vermählten Schwester Paulline erblich für ihre männlichen Nachkommen, und ihr Gemahl erhielt den Titel eines Fürsten und Herzogs von Guastalla. Durch ein zweites Decret vom 24. Mai desselben Jahres wurde jedoch dieses Fürstenthum mit dem Königreiche Italien vereiniget; die Fürstin Paulline und der Fürst Borghese behalten den Titel: Fürst und Herzog von Guastalla, und die Schatzkammer von Italien bezahlt der Fürstin für den Werth dieses Fürstenthums 6 Millionen mailändischer Liren (2 Millionen, 200,000 Gulden) bis zum Jahre 1809 in verschiedenen Terminen.

14) Das Herzogth. Mirandola, 15) das Fürstenthum Novellara (s. über beide den Art. Modena).

16. 17) Das Fürstenth. Castiglione und das Fürstenth. Solferino, welche der deutsche Kaiser als Reichslehne besaß: sie wurden, seit den Eroberungen der Franzosen in Italien, im Jahr 1796 zur eisalpinischen Republik geschlagen und gehören jetzt, [484] nach der Erhebung dieser Republik zum Königreiche Italien, ebenfalls zu diesem.

18) Das in Piemont gelegene Fürstenthum Masserano: dieses kam mit Piemont an die Republik und das Kaiserthum Frankreich.

19) Das Fürstenthum Monaco (Mourgues), zwischen Nizza und Genua, stand schon seit 1641 unter Frankreichs Schutze, wurde daher, nach der von dem Könige von Sardinien am 15. Mai 1796 geschehenen Abtretung von Nizza an die Republik Frankreich, mit dieser vereiniget, und macht jetzt einen Theil des französischen Departements Seealpen aus.

20) Die Fürstenthümer Massa und Carrara (s. den Art. Massa).

II) in den mittleren Theil. Dieser enthielt:

1) das Großherzogthum Toscana (s. d. Art.);

2) den Kirchenstaat, oder das Gebiet des Papsts. – Dieser bestand vor der französischen Revolution aus folgenden 13 Provinzen: Herzogth. Ferrara, Gebiet von Bologna, Romagna, Urbino, Mark Ancona, Citta di Castello, Gebiet von Perugia, Gebiet von Orvieto, Herzogth. Spoleto, Landschaft Sabina, Gebiet von Rom (Campagua di Roma), Patrimonium Petri, und endlich Herzogth. Castro. Ueberdies gehörten dem Papst noch in Frankreich: der Staat von Avignon und die Grafschaft Venaissin; desgleichen im Neapolitanischen: das Herzogth. Benevento. – Indessen wurden schon durch ein Decret der französischen Nationalversammlung vom 12. August 1791 zuerst die Grafschaften Avignon u. Venaissin (s. Avignon) dem französischen Reiche einverleibt und zum Departement Vauelüse geschlagen. Im Friedensschlusse zwischen der französischen Republik und dem Papste zu Tolentino (19. Febr. 1797) trat dieser auch noch das Herzogthum Ferrara, das Gebiet von Bologna und Romagna ab, welche nun mit der cisalpinischen Republik vereiniget wurden und jetzt zum Königreiche Italien und dessen Departements von Nieder-Po, Reno und Rubicone gehören. Im Jahr 1798, nachdem das päpstliche Gebiet [485] zur römischen Republik erkläret worden war, kam Benevento an Neapel oder die Parthenopäische Republik (s. Neapel), wurde jedoch nachher, am 5. Juni 1806, dem kaiserlich französischen Oberkammerherrn und Vicegroßwahlherrn, Carl Moriz Talleyrand Perigord (s. dies. Art.) übergeben, und derselbe unter dem Namen Carl Moriz zum Herzog von Benevent erhoben. Nach Wiederherstellung des Kirchenstaats wurde derselbe durch ein päpstliches Decret im Jahr 1800, außer Rom, in 7 Delegationen oder Provinzen eingetheilt, nemlich: Viterbo, Spoleto, Perugia und Citta di Castello, Camerino, Macerata, Ancona, und endlich Urbino. Allein durch ein Decret des Kaisers Napoleon vom 2. April 1808 wurden die vier letztern Provinzen dem Königreiche Italien, als drei neue Departements, einverleibt.

3) Der Stato degli Presidii, oder der Besatzungsstaat, war eine kleine Landschaft im Gebiete von Siena in Toscana. Er führte diesen Namen, weil er aus befestigten Orten bestand und verschiedene Besatzungen hatte, welche der König von Spanien, Philipp II., als er 1557 Siena an den Herzog von Florenz abtrat, in diese Orte legte, die er sich überhaupt vorbehielt, um die Verbindung zwischen Neapel und Ober-Italien zu unterhalten. Seit 1735 war diese Landschaft dem Könige von Neapel überlassen und erfuhr daher dieselben Schicksale, die seine übrigen Lande im französischen Revolutionskriege trafen. Als endlich Neapel in dem mit Frankreich abgeschlossenen Friedensvertrage am 28. März 1801 auf Porto Longone (auf der Insel Elba), auf den Stato degli Presidii und das zu demselben gehörige Fürstenthum Piombino Verzicht leistete, kam dieses Land, mit Ausnahme Piombinoʼs, an Hetrurien (s. Toscana).

4) Das Fürstenthum Piombino blieb, nach der nur gedachten Abtretung, mehrere Jahre bei Frankreich. Allein durch ein Decret vom 18. März 1805 verlieh Kaiser Napoleon seiner Schwester Elisa, Gemahlin des ehemaligen Obersten und Senators Pasquale deʼ Bacciochi, der zum Fürsten von [486] Piombino erhoben wurde, dieses Fürstenthum, so wie (am 23. Juni) die ehemalige Republik Lucca (s. dies. Art.).

5) Die Republik San Marino, welche, ungeachtet sie im Departement Rubicone des Königreichs Italien liegt, ihre republikanische Verfassung behalten hat.

III) den untersten Theil: dieser enthielt blos das Königreich Neapel, auf welches wir hier, so wie auf die Nachträge dazu verweisen.

IV) die italiänischen Inseln, nemlich:

1) Sicilien (s. Neapel), 2) Sardinien, 3) Corsica, 4) Malta (m. s. alle diese Art.), 5) die Liparischen und 6) die Aegatischen Inseln (s. Neapel).

7) Die Insel Elba, sonst zwischen Neapel, Toscana und Piombino getheilet (indem die Festung Porto Longone zum Königreich Neapel, Porto Ferrajo zum Großherzogthum Toscana und das Uebrige derselben zum Fürstenthum Piombino gehörten), trat Oestreich in dem Lüneviller Frieden 1801 (9. Febr.) an den Herzog von Parma – und Porto Longone am 28. März 1802 der König von Neapel an Frankreich ab. Seit 1802 ist diese Insel, so wie

die vorherige toscanische Insel Capraja, zu Frankreich geschlagen, von welchem Kaiserthume sie jetzt ein eignes Departement ausmachen.

Alle übrigen vorherigen toscan. Inseln, nemlich: Gorgona, Pianosa, Formiche, Giglio, Gianuti etc., gehörten, nach Abtretung Toscanaʼs an Frankreich, zum Königreich Hetrurien, anjetzo aber, nach der 1808 geschehenen Vertheilung dieses Königreichs in drei französische Departements, zum Kaiserthum Frankreich.

8) Die zu Neapel gehörigen Tremiti-Inseln.

Durch diese und andere in der Geschichte des französischen Revolutionskrieges bemerkten Veränderungen, welche die einzelnen Länder und Landschaften Italiens betrafen, sind in demselben mehrere Staaten vergrößert worden, andere vorher bestandene aber untergegangen. Es begreift daher [487] Italien gegenwärtig folgende 9 Länder und Besitzungen:

I) Das Königreich Italien, welches aus der cisalpinischen Republik (s. dies. Art.) erwuchs, und in 24 Departements getheilt ist, wovon die letzten die drei neuen, seit 1808 aus den vorherigen päpstl. Provinzen, wie vorher bei II. n. 2. gedacht worden, gebildeten Departements sind. – Außer diesen eigentlichen Departements gehören zum Königreiche Italien 25) das ehemalige venetian. Dalmatien und alle im Frieden zu Lüneville (am 9. Febr. 1801) von Oestreich an Frankreich abgetretenen venetianischen Inseln und Besitzungen, welche überhaupt den Namen Dalmatien führen, in 14 Theile abgetheilet sind und eine provisorische Regierung haben; 26) die Fürstenthümer Guastalla, Sabionetta u. Bozzolo seit dem 24. Mai 1806 (s. oben); 27) seit dem 13. August 1807 die ehemalige Republik Ragusa (s. dies. Art.). – Die Größe des Königreichs Italien beträgt gegen 1700 Quadratmeilen und die Zahl der Einwohner ungefähr 5½ Million. Die herrschende Religion des Landes ist die katholische, jedoch werden auch andere geduldet. Die Staatsverfassung ist monarchisch und die Regierung in männlicher, ehelicher und adoptirter, Nachkommenschaft erblich. Alle Geschäfte werden von dem Staatsrath besorgt, bei dem der König, oder einer seiner Großbeamten Präsident ist. Dieser Staatsrath, der nur eine rathgebende Stimme hat, zerfällt in zwei Räthe: 1) in den gesetzgebenden Rath von 12 Staatsräthen, 2) in den Rath der Auditoren von 15 Staatsräthen, der, nach dem Vortrage des Ministers, über streitige Gegenstände spricht und das höchste Apellationsgericht ist. Außer dem Staatsrath ist ein Senato consulente. Zur Belohnung der Dienste in Militair- und Civilämtern, so wie der Künste und Wissenschaften, ist der Orden der eisernen Krone gestiftet, mit einem jährlichen Einkommen von 600,000 Liren. Er hat, außer dem Prinzen vom Hause, dem Großmeister, den Prinzen fremder Häuser und Fremden, 800 Ritter, 150 Commandeurs und 35 Dignitarienstellen. [488] Die Ritter erhalten jährlich 300, die Commandeurs 700 und die Dignitarien 3000 Liren.

II) Die Republik San Marino (s. oben). III) Der Kirchenstaat, welcher (s. oben) nur noch folgendes enthält: 1) Rom und dessen Gebiet, 2) Viterbo, 3) Spoleto, 4) Perugia nebst Citta di Castello. Indessen dürfte dieser Staat wohl nächstens ganz aufhören. Denn schon im Jahr 1808, seit dem oben erwähnten kaiserlichen Decret (2. April 1808), haben Spoleto und die Hauptstadt von Viterbo, Civita Vecchia, eine dem ehemaligen Königreiche Hetrurien gleiche Organisation erhalten. IV) Das Herzogthum Lucca u. Piombino. V) Das Königreich Neapel. VI) Die Insel und Königreich Sicilien. VII) Die Insel und Königreich Sardinien. VIII) Die Insel Malta. IX) Die Republik Poglizza. Diese ist ein gebirgiger und waldiger Landstrich von 20 Dörfern, von einem Umfange von 9 Quadratmeilen und 20,000 Einwohnern, der zu dem ehemaligen venetianischen Dalmatien gehörte. Ihr Oberhaupt, der seit 1797 unter östreichischem Schutze steht und jährlich auf einem Landtage gewählet wird, heißt Großgraf.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7. Amsterdam 1809, S. 483-489.
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