[6] Italien (Kunst). Mit dem Wunsche, das Land jenseits der Alpen, seinen tiefblauen Himmel und malerischen Landschaften, seine Feuerberge, Golfe und stolzen Städte zu sehen, seine von Orangeblüthen gewürzte Luft zu athmen, vereinigt sich bei den Tausenden von Reisenden in der Regel auch der, die dort aufgestellten Skulpturen des griechischen Meißels und die Wunderwerke der Malerei in Italiens Palästen und Kirchen kennen zu lernen. Schon vom 6. Jahrhunderte und früher datiren sich einige Meisterwerke, und der Evangelist Lukas, der Schutzpatron aller Maler, soll Madonnenbilder, die sich in drei Kirchen Roms befinden, verfertigt haben. Die verloren gegangene Kunst der echten Glasmalerei, ihre Verwandte, die Emailmalerei und Mosaik auf Goldgrund, sah schon das 8. Jahrhundert in voller Blüthe; doch scheint Letztere die älteste von allen gewesen zu sein, was die in Pompeji aufgefundenen Steingemälde beweisen. Der Orient setzt die Mosaik ihrer Unzerstörbarkeit halber über die Malerei, und griechische Künstler brachten sie von Byzanz nach Italien, wo sie noch heute ihren Sitz hat. Ein Grieche, Theophanes, stiftete 1200 zu Venedig die erste Malerschule, und hiermit begann die erste Epoche der eigentlichen italienischen Malerkunst. Die Einflüsse des milden Klima's, die heitere, fast ungebundene Lebensweise der Südländer, eine von zahlreichen Wundern der Religion und Natur begeisterte Einbildungskraft und vor Allem das rege Interesse für die Kunst begünstigte Italiens Künstler vorzugsweise und hob die Anmuth, Wärme[6] und Phantasie ihrer Gebilde weit über die der Zeitgenossen anderer Nationen. Cimabue (geb. zu Florenz 1240), dem mehrere bedeutende Meister in Pisa vorangingen, gilt als der Gründer dessen, was die erste Periode der italienischen Kunst genannt wird, indem er richtigere Verhältnisse der Zeichnung einführte und seinen Gestalten nicht bloß Formen, sondern auch Seele gab. Sein braver Schüler, Giotto, den die Bildhauerkunst, die Mosaik und Baukunst noch neben der Geschichts- und Minaturmalerei erfolgreich beschäftigten, ging würdig auf der von seinem großen Lehrer betretenen Bahn fort, und viele Andere folgten nicht ruhmlos. Im Anfange des 15. Jahrhunderts glänzte Florenz vor allen Städten Italiens und die besonders durch den geistvollen Cosmo von Medici gepflegten und unterstützten Künste errichteten Denkmäler, die der Nachwelt den Ruhm jener Tage und der Medicäer verkünden. Im Jahre 1402 wandte Tommaso Guidi, mit dem Beinamen Massaccio, und seine Schüler zuerst Oelfarben (sonst kannte man nur eine Art Leimfarbe, womit man malte, und dieß hieß a tempera), doch noch nicht auf Leinwand, sondern auf hölzerne Tafeln oder mit Gips bedeckte Wände, an. Andere Künstler begannen Werth auf das Studium der Perspective und Anatomie zu legen, während wiederum Andere durch ihre reinen, der Natur einfach nachgebildeten Arbeiten den Ungeschmack der Zeit, der sich in überflüssigen Verzierungen und Vergoldungen erschöpfte, bekämpften. Jetzt bildeten sich jene Verbrüderungen, die man Schulen nannte und die man nach ihren Hauptsitzen in die Florentinische, Römische, Venetianische und Lombardische eintheilte, zu denen später noch die Genueser und Neapolitanische kamen. In der zweiten Periode leuchtet der gefeierte Name Leonardo da Vinci hervor, dessen heiliges Nachtmahl gewiß jeder unserer Leserinnen aus Kupferstichen bekannt ist. Er war der Stolz der Schule von Florenz und seine vorzüglichsten Schüler Luini, Fra Bartolomeo und Andrea del Sarto, bis 1488 der Riesengeist Michel Angelo Buonarotti auftrat und welcher, Bildhauer,[7] Baumeister, Maler und Dichter zugleich, mit Rastlosigkeit die kühnsten Schöpfungen hervorzauberte; und wenn in der Sixtinischen Kapelle zu Rom sein iüngstes Gericht ein ewiges Denkmal der Malerkunst bleiben wird, so gilt anderer Seits seine colossale Moses-Statue für den Triumph christlicher Bildhauerkunst, und seine Entwürfe zum Baue der Peterskirche geben Zeugniß von dem gewaltigen Meister in der Baukunst. Segensvoller indeß noch für die Kunst war das kurze, doch herrliche Leben seines Zeitgenossen, des unerreichten Rafael Sanzio von Urbino (geb. 1483). Er, der erste Maler aller Jahrhunderte, ist als das Haupt der römischen Schule, die zu Perugia ihren Mittelpunkt hatte, anzusehen, und schon seine Anfangsarbeiten bezeichnen ihn als viel versprechenden Schüler des berühmten Perugino, den er weit hinter sich zurückließ. Fünf seiner Madonnen, die mit dem h. Sixt und der h. Barbara zu Dresden, Madonna della Sedia in Florenz, Madonna del pesce in Madrid, Madonna di Foligno zu Rom, und endlich die hinreißende Madonna del Giardino, die sich eine Zeit lang zu Paris befand, sind weltberühmt. (S. Rafael.) Unter seinen vielen, mit Liebe von ihm unterrichteten Schülern zeichneten sich mehrere rühmlichst aus, doch kann Giulio Romano wohl für den geschicktesten, Polidoro von Caravaggio, der eine verloren gegangene Manier der Alten wieder auffand und durch Rafael vom Farbenreiber zum Künstler erzogen ward, für den interessantesten gelten. Venedig war mittlerweile nicht zurückblieben; und schon vor Giorgione hatten sich wackere Künstler daselbst, wie zu Padua, bekannt gemacht. Aus dem Morgenlande, wo einige von ihnen längere Zeit gelebt hatten, brachten sie die Gluth der Farbentöne mit, welche dort Meer, Himmel, Vegetation, Berge und Gewänder des Orientalen tragen; aber trotz der bezaubernden Wahrheit und Lebenswärme ihrer Darstellungen erreichten sie doch nie das Ideal der Schönheit und Seelenhoheit, das dem Rafael den Beinamen des Göttlichen erwarb. Giorgione und Titian Vecelli sind die Häupter der Schule [8] Venedigs. Letzterer gilt für den vorzüglichsten Maler in Betreff der Carnation, der er vermöge des erst von ihm angewandten Lasirens eine Durchsichtigkeit verlieh, die der Natur täuschend nahe kam. Er war der eigentliche Maler der Frauenschöne, deren sanft verschmolzenes Colorit und rosig zarte Fleischtinten so selten der Pinsel wieder zu geben vermag. Doch war er gleich groß als Landschaftsmaler, und damit dem glücklichen Titian Nichts fehle, gab ihm sein lachendes Geschick auch noch den heitern Ariosto mm Freunde. Nach seinem Tode (1576) blieb der Ruhm prächtiger Färbung Venedigs Schule, und mit hoher Achtung werden die Namen eines Schiavone, Tintoretto und Paul Veronese genannt, die sämmtlich ihr angehören. Wenden wir uns nun zu der Lombardischen Schule, die verschiedene Orte, Imola, Conto, Ferrara, Modena, Parma, Mantua, Mailand und zuletzt Bologna zum Hauptsitze hatte, so finden wir auch in ihr würdige Namen, als Dosso Dossi, Francesco Francia, Innocenzo von Imola und nach ihnen den so lange unbekannten, unvergleichlich lieblichen Antonio Allegri (geb. 1494, gest. 1534), Correggio genannt. Ihm war der Genius der Kunst ohne Lehrer in der Stille einer demüthigen Wohnung erschienen, sein eignes liebes Weib diente ihm zum Modell der himmlischen Mutter Gottes in der berühmten heiligen Nacht, die Dresdens Galerie gehört, und staunend sprach der Bescheidene, als er zum ersten Male Gelegenheit fand, seine Gemälde mit denen anderer großen Zeitgenossen zu vergleichen, die unvergeßlichen Worte: anch 'io son pittore (auch ich bin ein Maler). Die Harmonie der schönsten Farben, die unnachahmlichste Behandlung des Helldunkels, der innige Ausdruck der Gestalten sichern den Gemälden dieses Meisters, von dessen Leben und Leiden Oehlenschläger's Trauerspiel, Correggio, ein so rührendes Bild gibt, die Unsterblichkeit. Es ist übrigens erfreulich für das weibliche Geschlecht, unter den Ausgezeichneten einer Schule, der Correggio als Muster voranleuchtet, viele Frauen zu sehen; und wenn wir hier nur die in Musik und[9] Malerei gleich treffliche Sofonisba Anguisciola erwähnen, so sind uns dennoch außer ihr mehrere kunstvolle Nachfolgerinnen wohl bekannt. Die dritte Periode der Kunst beginnt mit den drei Caracci's, Lodovico (geb. 1555), dem Oheim und den Gebrüdern Agostino und Annibale. Alle drei verbanden in ihrer Manier die Lieblichkeit des Correggio mit dem strengen Ernste der römischen Schule und übten großen Einfluß auf die schon damals im Sinken begriffene Kunst. Sie hinterließen zahlreiche Schüler, die, im Gegensatze zu denen, welche dem Beispiele des Michel Angelo Caravaggio folgten, die rohe Natur ohne Wahl und Schönheitssinn nachahmten, Eklektiker geheißen wurden. Francesco Albano, dem seine Frau und 12 reizende Kinder zu Modellen dienten, Guido Reni, der Maler der berühmten Aurora im Palaste Borghese zu Rom, Domenichino, dessen Evangelist Johannes allbekannt und beliebt ist, waren sämmtlich Schüler der Caracci; doch gab es auch unter ihren Gegnern, den sogenannten Naturalisten, vorzügliche Meister, wiewohl sie oft in's Gemeine verfielen. Von dieser Epoche an hört die Eintheilung in Schulen auf, und wir führen schließlich nur noch einige der bedeutendsten Künstler der Nebenschulen von Neapel und Genua an: Salvator Rosa, den grandiös kräftigen Landschaftsmaler, Ribera Spagnoletta, Giordano, mit dem Zunamen fa presto, was ihm, dem unermüdlichen, höchst fruchtbaren Maler, dennoch immer vom habsüchtigen Vater zugerufen wurde, und endlich den Solimena. Diese gehören Neapel an, Genua hatte dafür einen Semino Luca Cambiasi, Strozzi etc. Mit der Zeit fortschreitend, begegnen wir dem Andrea Sacchi, welcher den Naturalisten ernstlich entgegen strebte, und Carlo Maratti, seinem Schüler, der, gleich Jenem, Rafael zum Vorbilde wählte. Im Jahre 1675 ward zu Venedig die anmuthige Pastellmalerin Rosalba Carriera (s. d.) geb. und im 18. Jahrhunderte zeichnete sich unter den Römern Battoni, der Nebenbuhler unsers deutschen Rafael Mengs, aus. Die Grazienmalerin Angelica Kaufmann (s. d.), obgleich auch eine Deutsche, [10] kann wegen ihres langen Aufenthaltes in I. ebenfalls zu Italiens Künstlern gezahlt werden, und undankbar wäre es, Rotari, dem das deutsche Florenz so herrliche Gemälde (man sehe nur den Tod des h. Franz Xaver in der katholischen Hofkirche zu Dresden und die Ruhe auf der Flucht von Rotari auf der dortigen Galerie) verdankt, mit Stillschweigen zu übergehen. Mit seinem und dem Tode des gelehrten Casanova trat eine Zwischenperiode der Lauheit für die Kunst in Italien ein. Glücklicher Weise schwand diese bald und Künstler, wie Cammocelui und Agricola zu Rom, Grassi, der einige Zeit in Deutschland lebte, Benvenuti in Florenz und Andere, ließen durch seelen- und kunstvolle Schöpfungen die freundlichsten Hoffnungen für eine der Vergangenheit würdige Zukunft entstehen. In der Baukunst wurden Bruneleschi und Bramante Wiederhersteller des guten Geschmackes. Ihnen eiferten Michel Angelo, Paladio u. A. rühmlich nach. Im Fache der Architektur hat Italien das Großartigste aufzuweisen. Wir erinnern nur an die Peterskirche, den Vatikan, den Dom zu Mailand etc. Mit glücklichem Erfolge wurde auch die Skulptur, besonders da sie griechischen Vorbildern nachstrebte, kultivirt. Canova hat sich in unserer Zeit unsterblichen Ruhm erworben. Als Kupferstecher behauptet Rafael Morghen den ersten Rang. Thorwaldsen, der Sohn des Nordens, hat die Ausbildung seines ungeheuren Talentes Italiens Mustern und Meistern zu verdanken. Für das übrige Europa ist Italien ohne Zweifel die Wiege der Schauspielkunst, wie sie heute ist; hier entwickelten sich aus den Oratorien Opern, hier entstanden Pantomimen, Ballete, hier bildete sich frühzeitig das recitirende Drama aus. Wir erwähnen nur die Namen Guarini, Gozzi, Goldoni, Federici, Alfieri etc. Von hier aus leitete und beherrschte der Kunstgeschmack die übrigen kultivirten Länder so lange, bis diese mehr oder minder eine selbstständige artistische Bildungsstufe erreichten. In Gold- und Bronzearbeiten glänzte Benvenuto Cellini. Eben so zählt man treffliche Steinschneider, [11] Juwelen-, Stucatur- und Mosaikarbeiter. Die Verfertigung künstlicher Blumen, das Strohhutflechten und dergl. wurde hier beinahe zur Kunst erhoben. Neapel liefert schöne Bijouteriesachen aus Lava, Lapis Lazuli etc. In Rom und an andern Orten hat man sogar die Kunst erfunden, Antiken (Skulpturen, altrömische Münzen, Ringe, Bronzen, Mosaiken, Kameen etc.) nachzuahmen und für echte zu verkaufen. Nicht nur im Gesange (s. d. Art. Musik), sondern auch in der Instrumentalmusik hat Italien große Künstler geliefert; wir erinnern hier nur an Paganini, der in neuerer Zeit eine europäische Bedeutung und Berühmtheit erlangt hat. In keinem Lande ist die Kunst des Improvisirens (s. d. Art.) so glücklich ausgebildet worden, wie in I. Noch ist Rosa Taddei (s. d.) gefeiert. Der Italiener liebt und hegt die Kunst, weil er weniger die Arbeit zu lieben braucht, als der Nordländer. Hierin liegt ein großer Aufschluß über seine Empfänglichkeit, seinen Eifer, seine Vorliebe zu allen Künsten. Denn Kunst ist die poetische Seite des Schaffens und mehr heiteres Spiel, als ernste Mühe. Ihre Resultate sind stets glänzender, als die der letztern. Der Mensch ist nicht nur religiösem und politischem, sondern auch klimatischem Einflusse unterworfen, und die Anschauung der Ueberreste einer großen und schönen Vergangenheit regt den Sinn, kräftigt, ermuthigt zu einer ihr würdigen Bestrebung und Schaffungskraft.
F.
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