[571] Lysander, ein berühmter Lacedämonischer Feldherr, welcher, aus dem Herculischen Geschlechte abstammend, ganz nach den Gesetzen des Lycurgs erzogen wurde, und auch ihnen, trotz der unzähligen Verführungen an dem Hofe des jüngern Cyrus, an welchem er sich eine Zeitlang aufhielt, treu und so arm und mäßig blieb, wie Aristides. Geschmeidig, [571] thätig und biegsam, wie er war, ging ihm sein Ehrgeitz über alles: diesen zu befriedigen, war ihm kein Mittel zu schlecht, kein Gesetz, kein Vertrag, kein Eid zu heilig, ja selbst sein Vaterland nicht theuer genug. Gewalt und Betrug waren seine Politik, doch suchte er mehr durch List als durch Gewalt fortzukommen; da, wo man mit der Löwenhaut nicht fortkommt, sagte er einst, muß man sich des Fuchspelzes bedienen. Er war es denn auch, der das mächtige Athen zertrümmerte, und den Plan faßte, sein Vaterland, wenn er es auf den höchsten Gipfel gehoben, selbst zu beherrschen. Um vor allem den Athenern, welche damals noch die Uebermacht über die Spartaner hatten, Feinde zu erregen, gewann er zuerst die Stadt Ephesus, deren Hafen ihm ganz vorzüglich schien; begab sich dann zum jüngern Cyrus, den er ganz für sich und so einnahm, daß dieser ihm alle seine Schätze anbot, wovon er den Sold seiner Truppen erhöhen konnte. Durch solche und andre Mittel brachte er bald eine ansehnliche Flotte zusammen, und schlug zuerst den atheniensischen Feldherrn Antiochus, der, unvorsichtig genug, ihm ein Treffen anbot. Jetzt, als er nun am Ende des Jahres das Commando niederlegen sollte, hetzte er, niederträchtig genug, die Bundesgenossen selbst gegen den neuen Feldherrn Kallicratides auf, ja er machte den Cyrus von ihm abwendig. Kallicratides blieb in der Schlacht gegen Conon, und jetzt drangen nun die Bundesgenossen zugleich mit Cyrus in die Ephoren, dem Lysander das Commando wieder zu geben. Durchs Gesetz daran verhindert, vermöge dessen Einer nur Einmal die oberste Befehlshaberstelle zur See haben durfte, stellten sie dennoch den Lysander zum Schein als Untercommandeur unter einem gewissen Admiral Arakus an, wobei aber jener alle die Macht, die dem letztern zukam, erhielt. Lysander hatte nun wieder alle jene Unterstützung, mit welcher er bald eine spartanische Flotte errichtete, nach dem Hellespont schiffte, Lampsacus eroberte, und nun auf die Athenienser mit seiner ganzen Macht und mit solchem Ungestüm losbrach, daß alles in die größte Verwirrung gerieth, und die ganze feindliche Flotte, blos mit Ausnahme der acht Schiffe, mit welchen Conon sich nach Cypern rettete, [572] und außer dem einzigen Schiffe, welches die erste Nachricht von dieser Niederlage nach Athen brachte, fast ohne Schwerdtschlag in die Hände der Spartaner fiel; alle Gefangene mit ihren Feldherren ließ Lysander niedermachen. Jetzt ging er, nachdem er zuvor Samos bezwungen, und mehrere Städte und Inseln sich geneigt gemacht hatte, mit einer Flotte von 180 Schiffen vor Athen. Hier herrschte die größte Verzweiflung, in welcher man das äußerste zu wagen beschloß: allein der schreckliche Mangel an Lebensmitteln nöthigte sie endlich, den verrätherischen Theramenes abzusenden und den Frieden zu unterhandeln. Drei Monate lang hielt Lysander diesen auf, um die Hungersnoth in Athen aufs höchste steigen zu lassen, und bei einer abermaligen Sendung kam denn nun der Friede zu Stande, durch welchen aber Athens Unabhängigkeit gänzlich verloren ging, und nun, eben durch Verabredung mit dem verrätherischen Theramenes, die Oligarchie und abscheulichste Tyrannei in Athen eingeführt wurde. So hatte sich Lysander zum Oberherrn von Griechenland, wenn gleich nicht dem Namen nach, gemacht; aber durch die mitgebrachte Beute aller Art, an Geld sowohl als Kostbarkeiten, wurde nun auch das Lycurgische Gesetz, das den Spartanern allen Gebrauch von Gold und Silber untersagte, untergraben und – Spartas Tugenden gingen zu Grabe. Lysander überließ sich ganz seinen Leidenschaften, ließ sich durch niederträchtige Schmeichler verehren; behandelte den Pharnabaces, einen Statthalter in Persien, aufs schändlichste, und obgleich deshalb angeklagt und von den Ephoren befehligt, nach Sparta zu kommen und sich zu verantworten, wußte er sich doch durch List herauszuziehen. Da nun auch der König Agis von Lacedämon starb, wußte er den Agesilaus durch List und Betrug auf den Thron zu bringen, in der Hoffnung, durch diesen (da er selbst, nicht aus königlichem Geblüte entsprossen, keine Ansprüche darauf hatte) wenigstens die Regierung zu führen Allein Agesilaus ahndete bald den Plan, entzog ihm die Gelegenheit, sich hervorzuthun, reizte zwar dadurch Lysanders Rache noch mehr, welcher denn auch im Stillen seinen Plan, die Verfassung seines Vaterlandes[573] umzustürzen, immer mehr ins Werk zu richten suchte; allein der Entwurf scheiterte, ob er gleich nicht eher, als nach Lysanders Tode, welcher in einem Gefechte im Böotischen Kriege erfolgte, entdeckt wurde. In Sparta ehrte man dennoch, blind gegen seine unzähligen Vergehungen, das Andenken dieses allerdings merkwürdigen Feldherrn, dessen hohe Talente doch durch seinen höchst abscheulichen Charakter so sehr unterdrückt wurden.