[574] Lysias, ein berühmter Redner zu Athen, ungefähr in der 80. bis 100. Olympiade, Sohn des Redners Cephalus. In seinem 15. Jahre kam er nach Thurium in Großgriechenland, nahm Unterricht in der Philosophie und Beredsamkeit, und wurde nachher, da er zugleich ein wohlhabender und angesehener Mann war, mit zur Verwaltung der Republik gezogen. Als in der Folge die Athenienser in Sicilien jene große Niederlage erlitten, wurde auch er in seinem 47. Jahre mit mehrern Athenern verwiesen, und er ging wieder nach Athen, wo er aber bald von den dreißig Tyrannen, die auch sogar seinen Bruder Polemarchus ermordet hatten, auf sieben Jahr verwiesen und seine Güter confiscirt wurden. Nach Wiederherstellung der Freiheit in Athen war Lysias außerordentlich thätig, gab einen Theil seines Vermögens zum öffentlichen Wohl her, und Thrasybulus suchte ihm dafür das Bürgerrecht zu verschaffen, welches zwar das Volk ihm zuerkannte, aber, weil man es in der Form dabei versehen hatte, ihm doch nicht zu Theil ward. Er starb in einem hohen Alter von etlichen 70, nach andern, 80 Jahren. Lysias war einer der geschicktesten Redner, und als scharfsinniger Schriftsteller, welcher nemlich meistentheils seine Reden für andre schrieb, verdunkelte er die meisten Redner seiner Zeit, indem er vorzüglich eine unnachahmliche Leichtigkeit, Reinheit, Klarheit und Gedrängtheit, eine hohe Menschenkenntniß, und vor allem eine unbeschreibliche Anmuth besaß. Man hatte 425 Reden von ihm, von denen aber sehr viele für untergeschoben gehalten wurden: auf uns sind nur 34 gekommen.