Amazonen

[171] Amazonen. Ein kriegerisch gebildeter Frauenstaat, von welchem fabelhafte Sagen ganz Griechenland erfüllten. Nach diesen Sagen sollten sie am Flusse Thermodon in Kleinasien, dann im kaukasischen Hochlande wohnen, ja sich bis zum äußersten Westen Libyens verbreiten; sie gestatteten sich nur einmal im Jahr vertrauten Umgang mit Männern, verstümmelten ihre männlichen Kinder, und lösten den Mädchen die rechte Brust ab, damit sie in Führung des Bogens nicht gehindert seien, daher auch ihr Name: Brustlose. Die Mädchen mußten Jungfrauen bleiben, bis sie drei Feinde erlegt hatten etc. Wenn nun einer Seits historische Forschungen das wirkliche Vorhandengewesensein eines solchen Mannweiberstaates nachzuweisen strebten, und ihren wirklichen Wohnsitz bestimmten, welchen Forschungen zu Folge die Amazonen als Stammmütter der[171] sarmatischen Völkerschaften genannt werden, so ist anderer Seits durch mythologische Forschungen klar erwiesen, daß jene Erzählungen der Griechen von abgelösten Brüsten, Knabenverstümmelungen u. dgl. nur poetische Sagen, und die Amazonen eigentlich kriegerisch gerüstete Priesterinnen einer Naturgottheit, des Mondes, der Diana waren, deren großer Götterdienst im Westen Asiens weitverbreitet, von den Priesterinnen Enthaltsamkeit von Männerumgang forderte, und der die meisten jener Dichtersagen erklärt. Die Amazonen werden genannt als die Gründerinnen der kleinasiatischen Städte Ephesus, Smyrna, Myrina, Kyme, Priene, Pitane und Mitylene; zu Ephesus stellten sie das berühmte Bild der Artemis (Diana) auf, schon daraus geht hervor, daß sie dieser Göttin huldigten, und wahrscheinlich führten sie den Dienst derselben in den genannten Städten ein. Wenn sie dabei kriegerisch geschmückt und bewaffnet mit Bogen, Pfeilköcher und Jagdspeer erscheinen, so stimmt dieß wieder mit dem griechischen Mythus zusammen, welcher Artemis mit einem Gefolge also gerüsteter Nymphen umgab. So kommen die Amazonen auch auf alten, uns erhaltenen Bildwerken keineswegs brustlos, sondern vielmehr als hochbusige Jungfrauen vor, würdig ihrer Göttin, der ernährenden Allmutter, deren Bild die Fülle vieler Brüste zeigt. Artemis war die keuscheste der Göttinnen, daher bei ihren Priesterinnen die gleichen Gelübde. Wohl mochten sie aber auch in begeisterter Raserei ihres orgischen Götterdienstes ernsten Gebrauch von den Waffen machen, um so mehr, wenn es galt, denselben weiter auszubreiten, oder gegen einen Andern zu vertheidigen, der sich auf gleiche Weise geltend zu machen suchte. Nach der griechischen Mythe kämpfte Herkules mit der Amazonenkönigin Hippolyteum ihren Gürtel, oder ihr Wehrgehenk. Theseus zog gegen sie aus, und machte die Antiope zu seiner Gefangenen und Gemahlin. Bellerophon besiegte die Amazonen, als sie in Libyen eingefallen waren; sie kamen auch im trojanischen Kriege dem König Priamos zu Hilfe, [172] wobei Ponthesilea von der Hand des Achilles fiel. – Auf Abbildungen tragen die Amazonen bald sythetische, bald phrygische, auch dorische Kleidung. Nach der erstern ein eng anschließendes Gewand, gefleckt oder mit Sternen regelmäßig verziert, darüber eine kurze Tunika, oder ein faltenreicher flatternder Mantel, als Kopfbedeckung eine phrygische Mütze; nach der zweiten ein nachlässig um die Hüfte mit einem schmalen Gurt geschütztes Gewand, der Oberleib entblößt, bisweilen eine Brust rerhüllt, das Haupt behelmt. Sie tragen auf Bildern einen mondförmigen Schild, um die Lenden einen kriegerischen Gurt, als Waffen, Lanzen, Schwerter, Keulen, Streitäxte, Bogen und Köcher, und werden zu Fuß, zu Roß und auf Streitwagen abgebildet. Mit Alexander verschwinden sie.

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Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 1. Leipzig 1834, S. 171-173.
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