[203] Dornen nennt man diejenigen harten Spitzen an einigen Bäumen und Gesträuchen, welche durch deren Rinde hervorragen und größer als Stacheln sind. Ihre Substanz ist dieselbe als der Stamm, an dem sie sitzen, nämlich Holz, aber sie laufen so spitz wie die feinste Nadel zu, und können auch fast eben so empfindlich stechen und verwunden. Es gibt größere und kleinere Dornen, je nach der Beschaffenheit des Baums oder Strauchs. Je größer, desto härter und holziger, aber auch desto weiter von einander entfernt. Die kleinen, dichter sitzenden sind dagegen viel weicher und unschädlicher. Die schönste Blume unserer Gärten, die Königin derselben, die hochgefeierte Rose, ist mit Dornen umgeben, gleichsam schützend damit eingefaßt, als sollte sich keine ungeweihte Hand ihr nahen, ihr einen frühen Tod zu bereiten. Auf Dornen wandeln ist ein altes, allgemein bekanntes und oft gebrauchtes Sprichwort. Ein dorniger Lebenspfad heißt so viel, als ein schweres, mühseliges, mit Unglück belastetes Dasein, und zum Beweis, daß selten ein Menschenleben ganz ohne Schattenseiten ist, dient das Sprichwort: keine Rose ohne Dornen
L. M.