[84] Gürtel. Er gehört bei uns nur noch zu den Accessorien der Frauenkleidung, ist jedoch bei den Morgenländern beiden Geschlechtern gemeinschaftlich. Die faltigen Gewänder des Orientalen bedürfen denselben, um sie in der Mitte des Körpers zusammenzuhalten, doch bedienen sie sich dazu weit umfangreicherer Gegenstande, als das, was wir unter einem Gürtel zu verstehen gewohnt sind. Ein um den Leibgeknüpfter Shawl u. dgl. vertritt seine Stelle und muß allerlei Waffen, Geldbörse und selbst das Dintenfaß in seinen Falten aufnehmen. Die der Frauen sind ebenfalls nur das, was französisch une écharpe heißt, doch auch mitunter wirkliche Gürtel, die mit edlen Steinen verziert und durch kostbare Agraffen befestigt werden. Die hebräischen Frauen schmückten die ihrigen gleichfalls sehr und legten sie lose und ziemlich tief, wie die Türkinnen, an. Die Männer Judäa's trugen den Gürtel noch tiefer, daher der biblische Ausdruck: seine Lenden gürten, so viel als[84] sich zur Reise anschicken. Der der Priester lag höher an der Brust und ward vorn zugeknüpft, daß die Enden auf die Füße herabhingen. Die Griechinnen und Römerinnen trugen doppelte. Das Strophium unter dem Gewande, statt Corsett, die Zona darüber. Die Männer gürteten ihre Toga über den Hüften, wie es auch bei der altrussischen und polnischen Tracht gebräuchlich war. Die Ritterfrauen des Mittelalters bedienten sich des Gürtels zum Tragen der Börse und hingen an denselben das Schlüsselbund. Die neuste Mode gebietet von Paris aus, wo man die modernsten Roben jetzt so zuschneidet, daß sie keines Gürtels bedürfen, ihn zu verbannen, was jedoch schwerlich je allgemein werden möchte, da dieses viel getragne Putzstück auch so manche Bequemlichkeit, als das Tragen der Lorgnette etc, bietet, und die Damen gewiß niemals diese letzte Erinnerung an die Toilette der Frau Venus, deren Gürtel »die Liebe, das schmachtende Verlangen, holdes Zwiegespräch und sanfte Schmeichelei« umschloß, ganz aufgeben werden.
F.