Margarethe von Provence

[51] Margarethe von Provence, Gemahlin Ludwig des IX., von Frankreich, Tochter des Grafen Raimund Berengar von Provence, lebte in einer Zeit, wo mächtiges und vielseitiges Streben die Völker aufregte, wo das Leben, in jeder Beziehung, noch frisch und kräftig war, freilich aber auch den Charakter der Entwickelung und Roheit an sich trug. In solcher Zeit steht diese königliche Frau in seltener Würde und Hoheit da; mit echt weiblicher Reinheit des Herzens den Adel eines reichen Geistes verbindend. Durch eine sorgfältige Erziehung erwarb sie sich alle die Kenntnisse, welche in jener finstern Zeit geboten werden konnten, besaß namentlich aber auch jene Seelenstärke, die sich im Unglück bewährt und nur durch einen wahrhaft frommen christlichen Glauben erreicht werden kann. Diese seltene, liebliche Erscheinung konnte nicht lange unbeachtet bleiben. Blanca von Castilien, die Mutter Ludwig's, erkor sie 1234 zur Gemahlin des jugendlichen, frommen Königs von Frankreich. Uebereinstimmung in den edelsten Beziehungen des Lebens, schloß einen engen, heiligen Bund, der aber leider bald durch den jede Beeinträchtigung ihres Einflusses scheuenden Argwohn der Königin Mutter gestört wurde. Mit stiller Ergebung trug Margarethe jede Kränkung, zu der sich noch der Kummer gesellte, den Gatten lebensgefährlich krank zu wissen. Aber sie weicht nicht von seinem Lager und ihrer treuen Pflege nur allein verdankt Ludwig seine Genesung. In den Stunden der Gefahr hat er das Gelübde gethan, nach dem gelobten Lande zu ziehen; Alles bemüht sich, seinen Entschluß zu ändern, aber er will seinem Gott Wort halten und Margarethe erbietet sich zur Begleiterin.[51] Ludwig eroberte Damiette, ließ hier seine Gemahlin, die Mutterfreuden entgegen sah, zurück, und zog nach Kairo. Doch der Glücksstern des Königs war erloschen; er wurde gefangen und Margarethe gebar in dieser Unglücksnacht einen Sohn. Schon tönt das Geschrei der siegestrunkenen Feinde an den Mauern der Stadt, die sie birgt, da bittet sie den greisen Ritter Joinville, sie vor Schmach zu schützen, und sei es durch den Tod. Inzwischen läßt die hochherzige Frau Nichts unversucht, um den Platz zu behaupten. Sie opfert Alles, was sie besitzt, um die herrschende Hungersnoth zu stillen. Die Stadt wird erhalten, der König erhält seine Freiheit und es schlägt endlich die Stunde des Wiedersehens. Da ruft ihn die Kunde von dem Tode seiner Mutter in das heimathliche Frankreich. Mit hoher Glaubensstärke und Kraft erduldet Margarethe die Gefahren der Seereise, allein mancherlei Zerwürfnisse bereiteten dem König nach seiner Rückkehr doch neue Sorgen. Auch jetzt waltete die hohe Frau mit mildem, tröstendem Sinne und bald ward sie des Landes segnende Mutter. Ludwig unternahm 1270 einen zweiten Kreuzzug und fand während desselben seinen Tod, Margarethe verließ von da an die geräuschvolle Nähe des Thrones und führte ein Leben, das seine Bestimmung darin fand, Thränen zu trocknen. Sie starb 1296, in dem von ihr gestifteten Clarenkloster zu Paris, und Frankreich beweinte lange seine edelste Königin.

Sp.

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Damen Conversations Lexikon, Band 7. [o.O.] 1836, S. 51-52.
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