Mistel

[234] Mistel, in die Familie der Caprifolien, zu den Schmarotzerpflanzen gehörend; ein höchst merkwürdiges Gewächs, das nur auf andern Bäumen fortkommt, und dessen Same niemals in der Erde keimt. Es wird 1½ bis 2 F. hoch, der Stamm so dick, wie ein kleiner Finger; die vielen durch einander laufenden Zweige strecken sich mehr seitwärts, als in die Höhe, und sind mit Knoten oder Gelenken versehen, wo die neuen Schößlinge vorkommen. Die Blätter sind grünlichgelb, glatt, länglich zugespitzt und ungezähnt.[234] Die Blüthen kommen im Frühjahr aus den Winkeln der Blätter und Zweige hervor, und den weiblichen Blüthen folgen Beeren von der Größe einer Erbse, anfänglich grünlich, dann weiß und durchsichtig, mitunter auch röthlich. Auch durch die Hand des Menschen läßt sich der Mistel leicht verpflanzen, und kommt sowohl auf abgestorbenen, als auf lebendigen Bäumen fort. Der Beerensaft gibt mit Seifensiederlauge eine gute Seife. Holz und Rinde haben medicinische Kräfte. Schon die Alten schrieben diesem Gewächse große Kräfte zu, den Priestern der Germanen war es heilig. Die Druiden schnitten die Mistel mit goldenen Messern ab, wahrsagten aus ihren Zweigen, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß aus den letztern die Runenschrift entstand, da die gabelähnlichen Zeichen derselben allerdings den Mistelzweigen ähneln.

L. M.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 7. [o.O.] 1836, S. 234-235.
Lizenz:
Faksimiles:
234 | 235
Kategorien: