[110] Schleppen, schon im alten Rom bekannt, doch keineswegs in solcher Länge wie im Mittelalter, sollen sie stets ein Zeichen der Würde sein, weßhalb vornehme Frauen, hohe Kirchendiener und Beamte, das Vorrecht sie zu tragen in Anspruch nehmen. Die kurzen Schleppen römischer Matronen endigten in Purpursäumen und Perlenbesetzungen. Im 15. und 16. Jahrhundert ging die Vorliebe für lange, kostbare Schleppen so weit, daß man sie von eigends dazu bestimmten Trägern aufnehmen lassen mußte. Gold- und Edelsteinstickereien erhöhten ihre Pracht, und noch heut bewahren die Meßgewänder der ersten Kirchenfürsten die Erinnerung daran. Im 17. und 18. Jahrhundert wurden die Schleppen allgemeiner, doch eben darum nach und nach[110] altmodisch. Noch zur Glanzzeit Napoleon's gaben die Damen des Kaiserhofes gern ihren griechischen Gewändern diesen prunkenden Zusatz, bis endlich die runden Roben überhand nahmen. Jetzt verlangt nur noch das Hofcostüm zuweilen den Schleppmantel, wiewohl keineswegs in der vormaligen Ausdehnung. Die vornehmste Prinzessin geht heut zu Tage ohne schleppentragenden Pagen und nur bei hochfestlichen Gelegenheiten, als Krönungen etc, bedient man sich zu diesem Zwecke junger Adliger. Malerisch schön nimmt sich die Hoftracht der ungarischen Damen, welche nie ohne Schleppmantel von Sammt erscheinen, und den goldgestickten, mittelalterlichen Schleier darauf hinabgleiten lassen, aus; doch bedingt solcher Putz, um effectreich zu sein, durchaus eine hohe, imposante Gestalt und Kenntniß wie Gewöhnung des Schleppentragens, was die Damen vom Theater sehr gut wissen und durch fleißiges Einüben zu erreichen suchen.
F.