Äther

[97] Äther (aithêr, aether): die schwerlose, widerstandslose, unwägbare, feinste Materie, die als Substrat der strahlenden Wärme, des Lichtes und der elektromagnetischen Energien gedacht wird, als ein alle Körper durchdringender, den Weltraum erfüllender Stoff, der sich in Elemente, Äther-Atome, gliedert.

In mythischer Form tritt der Äther auf bei HESIOD als Sohn des Erebos (Finsternis) und der Nyx (Nacht). In den orphischen Dichtungen erscheint er als Weltseele (s. d.), als Zeus (Stob. Ecl. I, 2, 42). Später gilt der Äther als einer der Grundstoffe, als eine Art feinster Luft, immer noch als etwas »Göttliches« (aithera dian, EMPEDOKLES: Aristot., De an. I 2, 404 b 14). Bei[97] den Pythagoreern (Philolausfragment) kommt der Äther als fünftes Element (s. d.) vor, so besonders bei ARISTOTELES. Nach ihm ist der Äther der feinste, leichteste Stoff, der den Himmelskörpern als Substrat dient (De coel. I 3; De gen. et corr. II, 2 f.; Diog. L. V, 1). Er ist der Qualität nach das erste Element (Meteor. I, 3; De gen. an. II, 3), der Zahl nach aber das fünfte (später pempton stoicheion, quinta essentia (s. d.) genannt). Die Stoiker bestimmen den Äther als Feuerhauch, in welchem die Himmelskörper sich bildeten: anôtatô men oun einai to pyr ho aithera kaleisthai, en prôtên tên tôn aplanôn sphairan gennasthai, eita tên tôn planomenôn (Diog. L. VII, 1); er ist die unmittelbare, reine Form des Pneuma (s. d.) (CICERO, De nat. deor. VII, 137: LACTANTIUS, Inst. V, 5; STEIN, Psych. d. Stoa I, 26 ff.). ZENO, KLEANTHES (Min. Fel., Octav. 19, 10) und BOËTHIUS rufen im Äther die Gottheit an (Stob. Ecl. I, 2, 60). Als feinsten Stoff bestimmt den Äther PHILO JUDAEUS. Bei PROCLUS ist er eins mit der alles durchdringenden Weltseele, ein Lichtstoff. Ähnlich lehren die Naturphilosophen der Renaissance, so AGRIPPA, für den der Äther der »spiritus mundi«, das fünfte Element, die samenentfaltende Kraft der Dinge bedeutet. G. BRUNO sieht im Äther, den er dem leeren Raum gleichsetzt, das einigende Band der Körperelemente (De min. I, 2), zugleich den »spiritus universi«, das Wärmend-Belebende (De immenso IV, 421; De monade p. 69; LASSWITZ, Gesch. d. Atom. I, 388 f.). Als feinste Materie im physikalischen Sinne ohne occulte Qualitäten bestimmen den Äther HOBBES, R. HOOK, MALEBRANCHE, LEIBNIZ, NEWTON, BERNOULLI, HUYGENS (der ihn als Ursache der Schwere betrachtet) u. a. K. ROSENKRANZ bestimmt den Äther als »die allgemeine, gestaltlose Materie«, »das universelle, absolute Continuum« (Syst. d. Wiss. S. 199). Nach R. HAMERLING bestehen die Körper aus »verschieden verdichtetem Äther« (At. d. Will. II, 86). – Nach OKEN ist der Äther »die erste Realwerdung Gottes, die ewige Position desselben. Gott und Äther sind identisch«. Er ist die Urmaterie, der »göttliche Leib, blie Ousia oder die Substanz« (Naturph. I, 44). SPILLER erblickt im Äther die Urkraft, Gott; den reinen Monotheismus nennt er »Ätherismus« (D. Urkr. d. Weltalls 1876).

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 97-98.
Lizenz:
Faksimiles:
97 | 98
Kategorien: