[49] Anthropomorph (Anthropomorphisch, Anthropomorphistisch): nach dem Ebenbilde des Menschen, in menschlicher, menschlich-bedingter Form, vermenschlicht. Anthropomorphismus: Vermenschlichung, Hineinlegen des Menschlichen in die Dinge. Insofern unser ganzes Erkennen die Formen des Menschentums an sich trägt, ist es anthropomorphisch, muß sich aber gleichwohl vom Anthropomorphismus im engeren, schlechten Sinne, d.h. von der Betrachtung des Außermenschlichen als etwas dem specifisch Menschlichen Analogen fernhalten.
Gegen die anthropomorphe Religion wendet sich schon der Eleate XENOPHANES. Er sieht ein, daß die Menschen die Götter nach ihrem Bilde denken (Clem. Alex.,[49] Strom. VII, 711b), ihnen menschliche Eigenschaften beilegen (l.c. V, 601c; Sext. Emp. adv. Math. IX, 193). PROTAGORAS lehrt, der Mensch sei das Maß aller Dinge: pantôn chrêmatôn metron anthrôpos (s. Erkenntnis). GOETHE macht auf das Anthropomorphische unserer Erkenntnis aufmerksam. – J. C. S. SCHILLER lehrt (Riddles of the Sphinx 1891) eine wissenschaftlich-anthropomorphische Methode und Weltanschauung, die alles auf individuelle Existenzen, auf Monaden (s. d.) zurückführt. SULLY betont den anthropomorphen Ursprung der Idee der Ursache (s. d.) und des Zwecks (s. d.) (Unt. üb. d. Kindh. S. 74 ff.). Auf den Ursprung der Kategorien (s. d.) aus der inneren Erfahrung und die Introjection (s. d.) derselben in die Außenwelt machen verschiedene Denker aufmerksam. So auch NIETZSCHE, für den alles Erkennen durchaus anthropomorphistisch ist (WW. III, 1, S. XIV, XV, S. 168). Die »empirische« Welt ist nur die anthropomorphisierte Welt. Die Menschen sehen einen Wert und eine Bedeutung in die Natur hinein, die sie an sich nicht hat (X, 176; XII, 1, 8; 1, 9; XI, 6, 1). REINKE erklärt: »Wir können über die Natur nur nach Maßgabe unseres Erkenntnisvermögens urteilen. Dies ist die grundlegende Voraussetzung alles Forschens, durch die allerdings die Wissenschaft eine anthropomorphe Grundlage erhält« (Einl. in d. theor. Biol. S. 17). JERUSALEM betont (in »D. Urteilsfunct.«), daß wir den Anthropomorphismus auch auf der höchsten Stufe des Erkennens nicht los werden. So auch H. CORNELIUS (Einl. in d. Philos. S. 22).