Besonnenheit

[139] Besonnenheit (sôphrosynê, auch Maßhalten, Enthaltsamkeit) ist die Eigenschaft oder Tugend des besonnenen Handelns, d.h. des vollbewußten, vernünftigen, überlegten, mit Bedacht auf die Folgen stattfindenden Handelns. Sie gilt schon PLATO und ARISTOTELES (Eth. Nic. I 13, 1103 a 6) als eine Tugend (s. d.); nach ersterem besteht sie darin to te archon kai tô archomenô to logistikon homodoxôsi dein archein kai mê stasiazôsin autô (Rep. 442 D), nach letzterem ist sie eine mesotês peri hêdonas kai lypas (Eth. Nic. III, 13). Die Stoiker bestimmen sie als epistêmê hairetôn kai pheuktôn (Stob. Ecl. II 6, 102). PLATNER versteht unter ihr »das Vermögen der menschlichen Seele, die Kraft der Vernunft oder geistige Tätigkeit zu äußern, mittelst gewisser Fähigkeiten der Organisation« (Phil. Aph. I, § 775). HERBART: »Besonnenheit ist die Gemütslage des Menschen in der Überlegung« (Lehrb. zur Psychol.3, S. 83). SCHLEIERMACHER erklärt sie als »das Producieren aller Acte des Erkennens in einem empirischen Subject, welche einen Teil der sittlichen Aufgabe in ihm setzen« (Phil. Sittenl. § 313), als »vollkommen der Idee angemessene Construction des Begriffs und der Anschauung« (l.c. § 314).

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 139.
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