[445] Hypothetische Urteile (synêmmena, hypothetica, conditionalia, Bedingungsturteile) sind Aussagen über das Statthaben einer Bedingtheit, einer Abhängigkeit: Wenn S ist, ist P, oder Wenn M ist, so ist S = P. Das hypothetische Urteil besteht aus einem Vordersatze (hêgoumenon, hypothesis, antecedens) und einem Nachsatze (hepomenon, lêgon thesis, consequens).
Die hypothetischen Urteile werden zuerst behandelt von TEOPHRAST, EUDEMUS und den Stoikern (Diog. L. VII 1, 73; PRANTL, G. d. L. I, 522, 552, 561, 580). Das hypothetische Urteil definiert BOËTHIUS: »Hypothetica (propositio) autem est, quae cum quadam conditione denuntiat esse aliquid, si fuerit aliud,« »id tantum dicitur, esse alterum, si alterum fuerit« (De syllog. hypoth. Opp. I, 606 f.). Nach CHR. WOLF ist der Unterschied zwischen hypothetischen und kategorischen Urteilen nur ein sprachlicher. »Propositiones categaricae aequivalent hypotheticis et ad eas reduci possunt.« »Propositio categorica est, in qua praedicatum absolute, seu nulla adiecta conditione... hypothetica est, in qua praedicatum tribuitur subiecto sub adiecta conditione« (Philos. rat. § 216, 218, 224, 226). KANT scheidet die hypothetischen Urteile (Log. § 25; von den kategorischen (s. d.). »Die Materie der hypothetischen Urteile besteht aus zwei Urteilen, die miteinander als Grund und Folge verknüppt sind« (Log. S. 163). FRIES bemerkt: »In dem hypothetischen Urteil für sich werden nicht der Vordersatz oder Nachsatz, sondern nur die Consequenz, die Abfolge des Nachsatzes aus dem Vordersatz behauptet« (Syst. d. Log. S. 139). HERBART, BENEKE, TRENDELENBURG, ÜBERWEG, STEINTHAL, HEYMANS (Ges. u. Elem. d. wiss. Denk. S. 51 f.) erklären den Unterschied des hypothetischen vom kategorischen Urteil für einen bloß sprachlichen. WUNDT rechnet die hypothetischen Urteile zu den Abhängigkeits- oder Bedingungsurteilen, die sich in Urteile der Raum- und Zeitbeziehung und der Bedingung gliedern (Log. I, 182). Nach HAGEMANN besteht das hypothetische Urteil »in einer kategorischen Behauptung, aber infolge einer vorausgesetzten Bedingung« (Log. u. Noet.5, S. 39). SCHUPPE erklärt: »Die Darstellung durch das kategorische Urteil ist abstracter, die durch das hypothetische anschaulicher, indem der Nebensatz an die Verwirklichung in Raum und Zeit denken läßt« (Log. S. 95). Nach SIGWART ist das Prädicat des hypothetischen Urteils die »notwendige Folge« (Log. I2, 284, 286, vgl. Beiträge zur Lehre vom hypothet. Urt. 1871). B. ERDMANN betont: »Das hypothetische Urteil ist... vom kategorischen logisch, und zwar dadurch unterschieden, daß seine Behauptung, das, wofür es Geltung fordert, in der Consequenz der Folge aus dem Grunde besteht« (Log. I, 416; über das hypothet. Urteilsgefüge vgl. I, 405 ff.).[445]
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