Skeptische Tropen

[388] Skeptische Tropen (tropoi): Arten der Gründe für die skeptische Urteilsenthaltung (epochê), für den skeptischen Zweifel an der Möglichkeit sicherer objectiver Erkenntnis (tropoi, di' hôn hê epochê synagesthai dokei Sext. Empir. Pyrrh. hyp. I, 36). Zehn solcher Tropen stellt AENESIDEMUS auf: 1) Die Verschiedenheit der Lebewesen und ihrer Auffassung und Wertung (prôtos ho para tas diaphoras tôn zôôn pros hêdonên kai algêdona kai blabên kai ôpheleian). 2) Die Verschiedenheit der Menschen (deuteros ho para tas tan anthrôpôn physeis kai tas idiosynkrisias). 3) Die Verschiedenheit im Bau der Sinneswerkzeuge (tritos ho para tas tôn aisthêtikôn porôn diaphoras). 4) Die Verschiedenheit der Zustände des Menschen. 5) Die Verschiedenheit der Lagen und Entfernungen. 6) Das Vermischtsein des Wahrgenommenen mit anderem. 7) Die Verschiedenheit der Erscheinung durch die Art des Zusammens. 8) Die Relativität überhaupt (pros ti). 9) Die Anzahl der Erlebnisse. 10) Die Verschiedenheit der Bildung, der Sitten, Gesetze, Mythen und Philosopheme (l. c. I, 36 squ.. Diog. L. IX, 79 squ.). Auf fünf Tropen beschränken sich (oder durch fünf Tropen ergänzen die früheren) AGRIPPA, SEXTUS EMPIRICUS u.a. (hoi te neôteroi Skeptikoi paradidoasi tropous tês epochês pente tousde. prôton ton apo tês diaphônias. deuteron ton eis apeiron ekballonta. triton ton apo [388] tou pros ti. tetarton ton hypothetikon. pempton ton diallêlon, Sext. Empir. Pyrrh. hyp. I, 161 squ.. Diog. L. IX, 88 squ.: hoi de peri 'Agrippan toutois allous pente proseisagousi): 1) Die Gegensätzlichkeit der Behauptungen über dasselbe Object. 2) Der Regreß ins Unendliche bei jedem Beweise (s. d.). 3) Die Relativität. 4) Die Willkürlichkeit der Voraussetzungen. 5) Die Diallele (s. d.). Andere Skeptiker stellen zwei Tropen auf, nach welchen weder durch sich selbst noch durch anderes etwas sicher behauptet werden kann (Sext. Empir. Pyrrh. hyp. I, 178 squ.). Daß alle zehn Tropen auf die der Relativität hinauslaufen, bemerkt schon SEXTUS EMPIRICUS (l. c. I, 39. vgl. Aul. Gell. XI, 5, 7)

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 388-389.
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