[67] Böhme, Jakob, geb. 1575 in Alt-Seidenberg (Oberlausitz), hatte schon als Knabe Visionen, las auf der Wanderschaft religiöse und astrologische Schriften, wurde 1594 Schuhmachermeister in Görlitz; als solcher las er Schriften von Mystikern, schrieb 1612 die »Aurora«, der seit 1619 noch viele andere Schriften folgten. B. wurde von den Orthodoxen angefeindet und starb 1624.
J. Böhme, der »philosophus tentonicus«, ein Autodidakt von höchst frommem Gemüt, gibt in schwerfälliger, aber oft eindringlich-lebendiger Weise seinen mystisch-theosophischen, von Paracelsus u. a. (besonders Alchymisten) beeinflußten Ideen Ausdruck. Die Art seines Denkens erinnert an die älteren Gnostiker. Das Christentum bekommt bei ihm eine pantheistische Färbung und ein religiöser Dualismus tritt auf, für den neben dem Guten auch das Böse ein allen Dingen innewohnendes, als aufgehobenes Moment (als »bittere Qual«, die hier »Freudenquell« ist) auch in Gott enthaltenes Weltprinzip ist. Gott ist »Herz oder Quellbaum« der Welt, diese ist Gottes Leib; in ihr hat sich Gott kreatürlich gemacht (Aurora Kap. l f.). Der Gegensatz von »Licht« und »Finsternis« spielt hier eine große Rolle. Alles, was ist, ist aus dem »Ungrunde« in Gott. Für sich allein (als Vater) ist Gott der Wille des Ungrunds, der über alle Gegensätze erhaben, insofern alles und nichts ist, ein Wille, der im »Nichts« urständet und ein »Ichts«, ein Etwas, Bestimmtes werden will. Dies führt zur Selbstoffenbarung Gottes, zur Selbstschauung Gottes und Selbstfindung in seinem Sohne vermittelst des heiligen Geistes. Gott muß, um wahrhaft Gott zu sein, sich offenbaren, er muß sich gegenständlich werden und die Welt aus sich hervorgehen lassen. Kein bestimmtes und bewußtes Sein ohne Gegensatz. Dieser liegt also auch in Gott; die »ewige Natur« in ihm ist der Quell aller Dinge, der Wille zum Sein (zum »Ichts«), die »Sucht« zur[67] Manifestation und Vergegenständlichung führt das Eine in die »Schiedlichkeit« ein. Gott bedarf eines »Gegenwurfs«, der Welt. In Gott ist Liebe, aber auch ein »Zornfeuer« und so bestehen alle Dinge in »Ja und Nein«; das Ja ist Kraft und Leben, aber ohne das Nein gäbe es keine Bewegung, keinen Trieb zur Veränderung. In Gott sind beschlossen die sieben »Quellgeister« (Qualitäten), d.h. die Grundkräfte des Seins und Geschehens, die psychischer Art sind und im Materiellen zum Ausdruck kommen. Sie werden (ewig) im »Blitz des Lebens« geboren (Aurora, S. 81, 159 ff.), nämlich: Begierde, Bewegnis, herbe »Angstqualität«, Feuerblitz, Liebe, Verständnis (Hall oder Schall) und deren Zusammenfassung. Die Welt ist eine Manifestation göttlicher Kräfte, ein Spiegel der Gottheit und seiner Dreieinigkeit, ein Gleichnis derselben. Die »herbe« und die »süße« Qualität, das »Zorn-« und »Liebesfeuer« und die anderen Kräfte, die in Gott liegen, äußern sich in allem, so auch im Menschen, dessen Seele das Böse, Teuflische überwindet, wenn sie in Gott und Christus ihre Wiedergeburt feiert, Gottes Wesen anzieht, dieses in sich walten läßt; denn Himmel und Hölle sind in uns.
Anhänger Böhmes sind Chr. v. Frankenberg, B. Walther, Werdenhagen, J. G. Gichtel, J. Pordage u. a.; beeinflußt von ihm Saint Martin, Schelling, Baader, Schopenhauer u. a.
SCHRIFTEN: Aurora oder die Morgenröte im Aufgang, 1612. 1656. – Von den drei Prinzipien göttlichen Wesens. – Vom dreifachen Leben des Menschen. – Von sechs mystischen Punkten. – Der Weg zu Christo. – Mysterium magnum, u. a. Werke, 1675, 1682; 1831-47, 1861. In Auswahl, hrsg. von Classen, 1885 ff. – Vgl. BAADER, WW. III, XIII. – A. PEIP, J. Böhme, 1850. – DEUSSEN, J. B, 1897. – LASSON, J. B., 1897.