Campanella, Tommaso

[86] Campanella, Tommaso, geb. 1568 bei Stilo (Calabrien), Dominikanermönch, wurde nach einem unsteten Leben 1598 verhaftet und 27 Jahre gefangen gehalten, lebte dann in Rom und später in Paris, wo er 1639 starb.

C. bekämpft den Aristoteles und verlangt ein selbständiges Studium der Natur, in Anlehnung besonders an Telesius. In der Erkenntnislehre betont C., daß alle (weltliche) Erkenntnis auf Wahrnehmung und Erfahrung beruht, daß alles, was im Verstande ist, aus den Sinnen kommt, um dann aber beurteilt zu werden, da die Sinne allein täuschen können. Nur aus der Betrachtung der Natur selbst ist für die Metaphysik Erkenntnis möglich. Denn die Welt ist »das zweite Buch, darinnen ewiger Verstand selbst eigene Gedanken schrieb«, »der lebendige Spiegel, welcher uns das Antlitz Gottes im Reflexe zeigt«. Die innere Erfahrung zeigt uns unser Ich als etwas absolut Gewisses. Ich kann mich nicht über mich täuschen, wenn ich nicht bin (Univ. philos. I, 3, 3). Der Anfang aller äußeren Erkenntnis ist die Empfindung. »Omnes sensus simul causant totius rei cognitionem«. »Duce sensu philosophandum esse existimamus«. Die Erinnerungsvorstellungen entstehen durch Abschwächung von Empfindungen. Das Denken ist ein »sentire languendum et a longe« (l. c. I, 4, 4). Es gibt in uns »notiones communes«, allgemeingültige Begriffe, welche die sichersten Prinzipien der Wissenschaften sind (l. c. I, 2, 5).

Daß Gott existiert, wissen wir absolut gewiß, denn die Vorstellung des Unendlichen kann nur von diesem selbst stammen, nicht von einem endlichen Wesen. Gott ist das unendliche, über alles Endliche erhabene Sein, das Überseiende. Die allen Dingen eigenen Prinzipien (»Primalitäten«)des Seienden: Macht (Können), Weisheit (Wissen) und Liebe (Wille) sind in ihm unendlich. Durch seine Macht und Liebe hat Gott die Welt aus nichts geschaffen und sie zweckmäßig geordnet. Alle endlichen Dinge enthalten die »Proprinzipien« des Seins und Nichtseins, d.h. neben den positiven Bestimmtheiten auch Mängel und Schwächen des Erkennens usw. Gott hat zuerst die Ideen und die Weltseele geschaffen, die in allem wirkt. Die Urkräfte sind Wärme und Kälte, welche in der Materie wirksam sind (De sensu rer. II, 5; wie Telesius). Alle Dinge sind durch »Sympathie« miteinander verbunden, worauf die Magie beruht. Bis in die kleinsten Elemente ist alles beseelt, strebend und empfindend (De sensu rer. I, 5). Die Seele des Menschen ist unsterblich, ein Ebenbild Gottes, den sie so liebt, wie er seine Geschöpfe liebt. Das Streben nach Selbstvervollkommnung ist die Quelle der Sittlichkeit. – Im »Sonnenstaat« gibt C. (von Plato beeinflußt) das Bild eines vollkommenen Staates, in welchem Priester-Philosophen herrschen, ein Kommunismus in allen Dingen besteht, Ehe und Erziehung vom Staate geleitet sind. In späteren politischen Schriften fordert C. die Unterordnung des Staate unter die Kirche.

SCHRIFTEN: Philosophia sensibus demonstrata, 1596. – Prodromus philos., 1611, 1617. – De sensu rerum, 1620. – Realis philos. epilogisticae partes IV; 1623 (Anhang: Civitas solis, auch 1643). – Atheismus triumphatus, 1631. – Philos. rationalis et realis[86] partes V, 1638. – Universalis philos. seu metaphysicarum rerum iuxta propria dogmata partes III, 1638 (Hauptwerk). – Vgl. RIXNER u. SIBER, Beitr. z. Gesch. d. Physiol. H. 6. – SIGWART, Kleine Schriften I. – H. WUTTIG, Erkenntnislehre u. Ethik bei C., 1897.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 86-87.
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