Geulincx, Arnold

[201] Geulincx (Geulincs, Geulinx), Arnold, geb. 1625 in Antwerpen, seit 1646 Prof. in Löwen, 1658 entlassen, Prof. in Leiden, gest. 1669.

G. ist, von Descartes ausgehend, der eigentliche Begründer des Okkasionalismus, des »Systems der Gelegenheitsursachen«. Die Seele wirkt nicht auf den Leib, dieser nicht auf die Seele ein, sondern Gott hat die Zustände in beiden so miteinander in Übereinstimmung gebracht, daß aus Anlaß der einen notwendig die entsprechenden anderen auftreten. Eine direkte Wechselwirkung zwischen Leib und Seele ist nicht möglich, weil beide total verschiedene Substanzen sind und weil wir das, dessen wir uns nicht bewußt sind, daß und wie wir es tun, nicht tun (»Quod nescis, quomodo fiat, id non facis«). Alles erfolgt in Leib und Seele »absque ulla causalitate, qua alterum hoc in altero causat, sed propter meram dependentiam, qua utrumque ab eadem arte et simili industria constitutum est« (Ethica I, sect. II, § 2). Die Bewegungen im Leibe sind nicht Wirkungen des Psychischen, sondern nur Begleiterscheinungen desselben, Seele und Leib korrespondieren einander »sine ulla alterius in alterum causalitate vel influxu«. Sie verhalten sich wie zwei Uhren, die ständig miteinander in Übereinstimmung gebracht werden (vgl. Leibniz).

Die Körper sind modi des unendlichen Körpers, die Geister modi des göttlichen Geistes. »Sumus igitur modi mentis, si auferas inodum, remanet ipse Deus« (Metaphys. p. 56). Wir sind Zuschauer dessen, was Gott in uns bewirkt. Daher ist die Demut (humilitas), die auf »inspectio et despectio sui«[201] beruht, die Haupttugend, denn es gilt der Satz: »Ubi nihil vales, ibi nihil velis«. Wir müssen Gott lieben, wie Gott uns liebt (vgl. Spinoza), uns ohne allen Egoismus der göttlichen Vernunft hingeben und in reiner Gesinnung unsere Pflicht erfüllen.

In erkenntnistheoretischer Beziehung betont G. schon, daß wir modi unseres Denkens als Dinge zu betrachten gewohnt sind (»solere homines illos modos suarum cogitationum in res obiectas transfundere«, Opera II, 204 f.). Die Dinge sind an sich nicht so, wie wir sie erfassen (»rem non esse ita in se, ut apprehenditur a nobis«).

SCHRIFTEN: Quaestiones quodlibeticae, 1653, 2. A. 1665. – Logica, 1662, 1698. – Methodus inveniendi argumenta. 1663. – Dispatatio ethica de virtute, 1664. – De virtute, 1665. – Gnôthi seauton sive Ethica, 1675, 1696. – Physica vera, 1688. – Metaphysica vera, 1691. – Annotata, 1690-91. – Opera philosophica, 3 Bde., ed. Land, 1891-93. – Vgl. E. PFLEIDERER, A. G., 1882. – J. P. N. LAND, A. G., Arch. f. Gesch. d. Philos. IV. A, G., 1895.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 201-202.
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