[518] Origenes der Kirchenvater, geb. 185 n. Chr. in Ägypten (Alexandrien?), Schüler des Clemens in der Katechetenschule zu Alexandrien, las die Werke des Platon, verschiedener Stoiker und Neuplatoniker, hörte wohl auch Ammonius Sakkas. Er unterrichtete an der Katechetenschule, wurde der Ketzerei bezichtigt und lebte seit 232 in Caesarea als Presbyter. Er starb 254 in Tyrus.
O. ist der erste Systematiker des Christentums, dessen Dogmen er in philosophischer Weise, als ein von Philo, den Neuplatonikern u. a. beeinflußter Vertreter einer christlich-kirchlichen Gnosis deutet und einheitlich ableitet. Die Objekte der in der Schrift »Von den Prinzipien« niedergelegten Erörterungen sind Gott, Welt, Freiheit und Offenbarung.
Gott ist nach O. nicht – wie bei den »häretischen« Gnostikern – ein vom Weltschöpfer des Alten Testaments verschiedenes Wesen, sondern identisch mit diesem Gott, dem Vater Christi. Gott ist unkörperlich, rein geistig, einfach, eine Einheit, unveränderlich, überseiend, übergeistig, allmächtig, allweise, allgütig, die Quelle alles Guten (»Non corpus aliquod aut in corpore esse putandus est Deus, sed intellectualis natura simplex, nihil in se adiunctionis admittens, ita ut nec maius aliquid nec inferius habere credatur, sed ut sic ex omni parte monas et ut ita dicam henas et mens ac fons ex quo initium totius intellectualis naturae vel mentis est«). Er allein erkennt sich, wie er ist. Ewig wie der Vater ist der Logos, der Sohn Gottes, der im Gottvater (seinem »Orte«) ist, von ihm abhängig und von ihn als Vernunftkraft ausgehend, gleichen Wesens (homoousios) wie der Vater, aber diesem doch untergeordnet, der »zweite Gott« (deuteros theos). Vom Logos empfängt der heilige Geist seine Vernunft und Weisheit. Der Logos ist die »Idee der Ideen« (idea ideôn), der Inbegriff der Ideen (systêma theôrêmatôn en hautô), der Demiurg, durch den Gott alles erschaffen hat, zugleich das Prinzip der Welterlösung.
Die Schöpfung der Welten – der jetzigen Welt sind schon viele vorangegangen und es werden ihr noch viele folgen – ist eine ewige, zeitlose, da Gott als unveränderliches Wesen nicht zu irgendeiner Zeit etwas neuangefangen haben kann und da Gott sich immer betätigen mußte. Ein Produkt der göttlichen Schöpferkraft ist auch die Materie. Diese ist qualitätslos, aber fähig, qualitative Bestimmtheiten anzunehmen und existiert de facto nur mit irgendwelchen Qualitäten. Ewig in Gott waren alle Geister oder Seelen, die einst alle gleichwertig waren. Durch ihre Willensfreiheit haben die Seelen schon im Zustande der Präexistenz sich für das Gute oder Böse entschieden. Die Geister, welche das letztere taten und so von Gott abfielen, wurden Seelen, die durch leibliche Hüllen gefesselt sind und deren Zustände ihr Korrelat in bestimmten Körperverfassungen erhalten haben. Das Böse aber ist nichts Wesenhaftes, nichts Ursprüngliches und Positives, sondern nur ein Mangel des Guten, eine »Beraubung« (»privatio«) und schlägt schließlich ins Gute um.
O. lehrt nämlich eine Wiederbringung aller Dinge, eine »Apokatastasis« (apokatastasis, epanorthôsis), eine Aufrichtung alles von Gott Abgefallenen, eine Vergottung aller Geister, eine Erlösung aller Seelen, auch der bösen Geister auch des Satans. Durch den Logos erlöst, vereinigt sich alles wieder[518] mit Gott, welcher dereinst alles in allem sein wird. Alle Geister werden dann als Gottessöhne Gott so erkennen, wie es der Logos vermag, und das Böse wird aufgehoben sein.
Als »Origenisten« gelten Basilius der Große, Gregor von Nyssa und Gregor von Nazianz. Die spekulativen Elemente des Systems des Origenes sind von der christlichen Orthodoxie nicht rezipiert worden.
SCHRIFTEN: Von den zahlreichen Schriften des O. kommt für die Philosophie besonders das Werk: Peri archôn (De principiis), 1836, in Betracht – Ferner: Contra Celsum, 1876; deutsch 1745. – Werke, 1738-59, 1780-94, 1831-47, 1856, 1899, auch in Mignes Patrologiae Cursus (Bd. XI-XVII). – Vgl. REDEPENNING, Origenes, 1841-46. – J. DENIS, De la philosophie d'Origène, 1884.