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Seit dem Erscheinen der 7. Auflage des Ausführlichen Lateinisch-Deutschen Handwörterbuches, die mein Vater gerade nach fünfzigjähriger lexikographischer Tätigkeit besorgen konnte, hat die lateinische Lexikographie unter der Ägide von Wölfflin gewaltige Fortschritte gemacht. Nicht ohne Bedenken bin ich daher dem Wunsche der Verlagshandlung nachgekommen, die für einen einzelnen schwer zu bewältigende Aufgabe einer zeitgemäßen Neubearbeitung zu übernehmen. Die epochemachendste Erscheinung auf dem Gebiete der lateinischen Lexikographie, der neue Thesaurus linguae Latinae, konnte leider nicht so, wie ich es gewünscht hätte, ausgenutzt werden, da erst die Buchstaben A–D erschienen sind und eine Ungleichmäßigkeit in der Bearbeitung des Wörterbuches vermieden werden mußte. Erst, wenn der Thesaurus fertig vorliegt, wird es einer künftigen Auflage obliegen, bis auf den Grund gehende Änderungen vorzunehmen. Bei dieser 8. Auflage des Ausführlichen Lateinisch-Deutschen Handwörterbuches mußte es daher meine hauptsächliche Aufgabe sein, das Archiv für latein. Lexikographie und Grammatik von Wölfflin, worin die neuesten Ergebnisse der lexikographischen Forschungen niedergelegt sind, zu benutzen und das dort Dargebotene zu verwerten. Außerdem ist das Wörterbuch auf das sorgfältigste durchgesehen und unter Benutzung der Sammlungen meines Vaters und der meinigen fast jeder Artikel mit Zusätzen und Verbesserungen versehen worden.
Unterstützt wurde ich bei meiner Arbeit durch schriftliche Mitteilungen der Herren Prof. Dr. Hauler in Wien, Prof. Dr. Landgraf in Bayreuth und Prof. Dr. Hosius in Greifswald. Außerdem haben mir meine Kollegen Herr Geh. Hofrat Prof. Dr. Ehwald und Herr Prof. Dr. Pick und die mir befreundeten Herren Prof. Dr. Ludwig und Prof. Dr. Liebenam in Gotha wertvolle Beiträge geliefert und in Zweifelsfällen stets gern Auskunft erteilt. Allen diesen Herren fühle ich mich zu herzlichem Danke verpflichtet.
Meinen ganz besonderen Dank aber spreche ich Herrn Prof. Dr. Bonnet in Montpellier aus, der mir sämtliche in sein Handexemplar der 7. Auflage eingetragenen Notizen zur Verfügung stellte, die ich zu wesentlicher Verbesserung und Vermehrung vieler Artikel benutzen konnte.
Durch die Freundlichkeit des Herrn Dr. Schwering in München, eines der Mitarbeiter am Thesaurus, ist mir ermöglicht worden, die sämtlichen Inschriftenstellen nach dem Corpus inscriptionum Latinarum zu zitieren. Auch diesem Herrn danke ich für seine mühevolle Arbeit.
Das in dieser achten Auflage Geleistete besteht im wesentlichen aus folgendem:
1. Eine große Zahl Artikel ist neu aufgenommen worden und zwar a) Wörter, die schon in größeren Wörterbüchern stehen, aber in den früheren Auflagen übergegangen waren – b) Wörter, die als neuere und bessere Lesarten jetzt in den neuesten Ausgaben der lateinischen Schriftsteller stehen – c) Wörter aus den Glossen, die ich natürlich schon des beschränkten Raumes wegen nicht alle heranziehen konnte.
2. Eine Anzahl Artikel, die die neueste Textkritik als entschieden unrichtig verworfen hat, ist entfernt worden.
3. Mehrere Wörter und Wortbedeutungen, die bisher als in der lateinischen Sprache nicht vorkommend verworfen wurden, sind aufgeführt und sogar teilweise mit zahlreichen Stellen belegt.
4. Verschiedene Artikel sind entweder teilweise oder ganz umgearbeitet worden.
5. Viele der in den einzelnen Artikeln vorkommenden Beispiele sind nach den besten Textrezensionen berichtigt, auch sind oft passendere an die Stelle von weniger passenden gesetzt worden.
6. Eine große Anzahl von Zitaten – so sämtliche Stellen aus Plautus, den Inschriften und den Glossen – habe ich auf ihre Richtigkeit geprüft, wo nötig, berichtigt und durch Einsetzung veränderter Lesarten der neuesten Ausgaben verbessert.
7. Was die Quantität betrifft, so sind nur die von Natur langen Vokale bezeichnet, unbezeichnet sind kurze und ihrer Quantität nach zweifelhafte Vokale; nur in seltenen Fällen ist des Unterschiedes wegen eine besondere Hervorhebung eines kurzen Vokales eingetreten.
8. Die Etymologie ist, soweit sie überhaupt feststeht, überall unter Zugrundelegung des epochemachenden latein. etymol. Wörterbuches von Walde (2. Aufl. 1910) angegeben.
9. Auf das Vorkommen gewisser Wortformen, namentlich auch der Komparative und Superlative, ist immer bei den einzelnen Wörtern hingewiesen. Dabei haben mir die Formenlehre von Neue-Wagener in ihrer 3. Aufl. und das Lexikon der lat. Wortformen meines Vaters gute Dienste geleistet.
10. Auf die Bedeutung der Wörter und ihren Wandel ist durchweg Rücksicht genommen. Auch habe ich mich bemüht, die Bedeutungen im einzelnen in passenderem Deutsch als bisher wiederzugeben.
11. Die Phraseologie sowie die Angabe der Gegensätze ist bedeutend vervollständigt worden.
12. Die Verweisungen auf gelehrte Kommentare und andere Werke zur weiteren Belehrung sind unter möglichster Benutzung der neuesten Literatur sehr vermehrt worden.
Die Erwägung aller dieser Punkte sowie die schon jetzt erschienene wohlwollende Besprechung des ersten Halbbandes in der Zeitschrift Sokrates (1913. S. 50 f.) durch Herrn Professor Dr. O. Wackermann in Hanau, der hierfür meinen herzlichen Dank entgegennehmen möge, läßt mich hoffen, daß man auch dieser 8. Auflage das Recht zugestehen werde, sich als eine verbesserte und vermehrte zu bezeichnen.
Satz und Druck hat die Buchdruckerei von Bär & Hermann in Leipzig auch diesmal in so ausgezeichneter Weise geliefert, daß das Buch in typographischer Hinsicht den gesteigerten Ansprüchen der Jetztzeit vollkommen entspricht.
Möge auch diese neue Auflage nicht bloß den Schülern höherer Gymnasialklassen, sondern auch den Studierenden und selbst den Gelehrten vom Fache als brauchbares Handbuch gute Dienste leisten.
Gotha, im Oktober 1913.
Prof. Dr. H. Georges.