I. Die Polis

Per me si va nella città dolente.

Dante inf.


Erörterungen von Uranfängen sind sonst nicht Sache dieses Buches, doch mögen einige Bemerkungen gestattet sein über Tatsachen, welche der Bildung aller PoleisA1 weit vorangehen und das Leben der Nation und ihrer Stämme betreffen.

Die Frage, wo und wie ein Volk beginnt, bleibt dunkel, wie alle Anfänge. Indes scheinen die sozialen Grundlagen des griechischen Lebens, die Familie, die Ehe und das Eigentumsrecht schon in der vorhellenischen Zeit vorhanden gewesen zu sein, spätestens, als Hellenen und Gräco-Italiker noch Ein Volk bildeten. Ein organisiertes größeres Volkstum setzen sie deshalb nicht mit Notwendigkeit voraus; dagegen müssen sie das Werk (oder der Ausdruck) einer Urreligion sein, die dem Kultus der Väter und Ahnen sowie dem des Herdes eine zentrale Stellung einräumte. Durch diesen ist die Familie zusammengehalten, in der wir uns deshalb mindestens ebenso sehr eine religiöse als eine natürliche Vereinigung zu denken haben. Der Ahnenkult ist es auch, der die Monogamie bedingt, die, wie aus den umständlichen Trauungszeremonien und aus der schweren Ahndung des Ehebruchs hervorgeht, auf griechischem Boden von Anfang an vorhanden ist. Und ebenso steht das Recht des Eigentums an Grund und Boden mit der Verehrung des Herdes und der Gräber in ursächlichem Zusammenhang. Während die Tataren ein Eigentumsrecht nur für die Herden kennen, die Germanen den Boden jährlich neu teilen, haben die Gräco-Italiker von der frühesten Zeit an das besondere Grundeigentum, freilich nicht für das Individuum, wohl aber für die Familie. Der Herd lehrte nach Diodor (V, 68) den Menschen den Häuserbau, und zwar waren die Häuser ursprünglich getrennt; es gab keine Scheidemauern. Im Grundstück befand sich das Familiengrab und deshalb – nicht etwa nur zur Sicherung der herrschenden Kaste bei[53] Landteilungen siegreicher Eroberer – waren die Grundstücke unveräußerlich. Auch das Erbrecht knüpft an die durch den Totenkultus bedingte Erbpflicht an. Im Grunde erbt die Habe den Sohn; die Töchter erben anfangs nicht mit. Zur Sicherung der Totenopfer aber werden Erbtöchter mit den nächsten Verwandten vermählt und ist – zwar erst, seit das Volkstum einigermaßen staatlich konstituiert ist – die Adoption gestattet. Einen großen Umfang muß die väterliche Gewalt gehabt haben. Daß sie, wie auch das Eigentums- und Erbrecht in eine der Entstehung der Polis weit voranliegende Zeit zurückgehen muß, läßt sich aus der sichern Erwägung schließen, daß die Polis in diesen Dingen anders würde verfügt haben, wenn sie schon vorhanden gewesen wäre.

In der historischen Zeit dagegen ist das Genos, d.h. die Geschlechtsgemeinschaft im alten Sinne, nur noch als Überrest bekannt und in seiner Urgestalt nirgends mehr vorhanden. Es tritt noch als Erinnerung auf, als Bewußtsein gemeinsamer Abstammung und in gemeinschaftlichem Gräberkultus, indem das Grab der einzige Gemeinbesitz ist; in seiner echten Wohnenschaft aber hat es kein Mensch der geschichtlichen Zeit mehr beisammen gesehen. Schon wie man sich das Verhältnis der jüngern Linien zur Stammlinie zu denken habe, bleibt fraglich und ebenso, wie die Geschlechtsgemeinschaft durch das Hinzutreten der Sklaven und Lohnarbeiter (πελάται, ϑῆτες) modifiziert worden sei. Unvorstellbar aber und gänzlich hypothetisch ist das Verhältnis von Geschlechtern und Stämmen. Die Frage, ob sich Geschlechter zu Phratrien, Phratrien zu Phylen, Phylen zu Stämmen zusammengetan haben, oder ob umgekehrt der Stamm das Prius sei, welches in Phylen, Phratrien und Geschlechter auseinanderging, ob es sich um Unterabteilung oder um Zusammenschluß handelt, ist für uns nicht zu beantworten1.

Dagegen ragt wie ein Felszahn des Urgebirges aus spätern Alluvionen, so aus den politischen Entwicklungen und Erlebnissen der Griechen ein Stück grauen Altertums empor: Die Phylen. Der spätere, sehr verschiedene Gebrauch der Sache und des Wortes hat hier, wie so oft, das Verständnis des Ursprünglichen erschwert.

Die Bevölkerung dorischer Staaten pflegte aus drei Phylen oder Stämmen zu bestehen: Pamphyler, Dymanen und Hylleer. Pamphylos und Dyman waren Söhne des Königs Aigimios und Enkel des Doros gewesen, Hyllos aber der Sohn des Herakles, welcher einst dem Aigimios beim Kampfe gegen die Lapithen geholfen hatte; dieser dritte Bestandteil muß hier der irgendwie bevorzugte gewesen sein, indem er die Anführer hergab, die Herakliden, unter welchen die Dorer ihre berühmte, staatenbildende Wanderung ins Werk setzten.

[54] In Attika und wahrscheinlich auch in anderen ionischen Staaten2 waren der Phylen vier: Geleontes, Argadeis, Aigikoreis und Hopletes, deren Namensheroen als die Söhne des Ion galten, mochte man auch einige Mühe haben, aus der Pluralform der Phylennamen die Singularform zu ermitteln3. Schon das Altertum glaubte aus diesen Namen verschiedene Lebensweisen herauszuhören: etwa Grundbesitzer, Gewerbsleute, Hirten und einen ritterlichen Adel. Allein in der historischen Zeit enthielt jede Phyle zusammen Eupatriden und gewöhnliche Bürger jeder Gattung4, auch wären Beschäftigungen oder Kasten, wie jene, selbst wenn man sie sich in Griechenland überhaupt denken könnte, nicht wohl koordinabel gewesen zu gleichmäßiger Berechtigung im Staate; die Phylen wurden nämlich Wahlkörper, und nach Solons Verfassung stellte in Athen jede hundert Mitglieder in den Rat. Die Namen waren wohl uralt und allmählich – was immer sie bedeutet haben mögen – undeutsam geworden, bis das Volk, das sie seit so vielen Generationen im Munde führte, sie so weit umgebildet hatte, daß sie wieder an etwas Deutliches anklangen. Ebenso verhält es sich wohl auch auf der dorischen Seite mit dem Namen der Pamphyler, den man sich sehr wird hüten müssen etwa durch Mischvolk, Alamannen übersetzen zu wollen. Ob in den frühen Anfängen des Stammesleben die Phylen sich nach Wohnplätzen schieden, ist nicht zu ermitteln; später wohnte jedenfalls Alles durcheinander, und es genügte, daß jeder wisse, zu welcher Phyle er gehöre. Noch die Namen der bei Marathon gefallenen Athener waren auf den Steinpfeilern des großen Grabhügels nach Phylen verzeichnet, und zwar nach den neuen Phylen, welche Kleisthenes an die Stelle der alten gesetzt hatte.

Soll man nun sagen: Dorer seien ursprünglich in drei, Ionier in vier Phylen eingeteilt worden? oder eher: jene seien durch Zusammentreten von drei, diese von vier Stämmen gebildet worden, entstanden? Vielleicht verzichten wir am besten auf beide Ausdrucksweisen und erkennen an, daß wir vor einem Urformen bildenden Mysterium stehen. Ein feuriger Verschmelzungsprozeß, für uns unvorstellbar, bringt ein Volkstum zu Stande, welches dann in seinen Einzelstaaten sich fast regelmäßig in jenerA2 seiner Urform ausspricht. Vielleicht entgeht man dem Irrtum am ehesten durch eine Anleihe bei der Ausdrucksweise des Mythus: Klotho spann den Lebensfaden der Dorer aus drei, den der Ionier aus vier Fäden.

[55] Daß ursprünglich eher die Herkunft als die Beschäftigung die Phylen ausmachte, läßt sich einigermaßen schon aus solchen Beispielen schließen, da bei spätern Gründungen Phylen künstlich gebildet wurden. Die zehn Phylen von Thurioi enthielten die verschiedenen Landsmannschaften dieser so stark gemischten Kolonie; in dem zerütteten Kyrene bildete der aus Griechenland herberufene Ordner Demonax (vor 530) drei Phylen aus den tatsächlichen Hauptbestandteilen der Bevölkerung: den Theräern, den Peloponnesiern samt Kretern und den übrigen Inselleuten. Namen der Phylen verschiedener anderer Städte, wo sie uns außer jenen genannten überliefert werden, ergeben nichts Sicheres über den UrsprungA3, indem sie von Göttern, Heroen, Örtlichkeiten usw. entnommen sind.

Rom aber besaß vielleicht in seinen drei ursprünglichen Tribus eine sehr viel ältere ErinnerungA4, als es selbst wußte, nämlich an das ursprüngliche gräco-italische Zusammenleben, in welcher Gegend dasselbe auch zu denken sein mag. Über die Namen Ramnes, Tities und Luceres ist man insoweit einig, daß dieselben zwar in der Überlieferung erst die sogenannten romulischen Ritterzenturien bezeichnen, ursprünglich aber die Tribusnamen gewesen seien. Freilich hatte in Rom eine entgegengesetzte Sage das Übergewicht, wonach es sich um drei erst längere Zeit nach Gründung der Stadt zusammengekommene Volksteile gehandelt hätte: um Latiner, Sabiner und etwa Etrusker; nur Dionysios von Halikarnaß, als geborener Grieche, sah das Richtige, daß nämlich alle drei Tribus ursprünglich seien, und daß die Spätergekommenen, Sabiner und wer es sonst gewesen, in die schon bestehenden Tribus nachträglich seinen mitverteilt worden. Der dritte Stamm, die Luceres, ist so ursprünglich als die beiden andern; in uralten Zeiten, als das Volk vielleicht noch lange nicht in Italien war, sind die drei zusammen in eins geschmolzen, auch hier etwa wie bei den Dorern zwei Gleiche und ein Ungleiches, welches ein stärkeres oder ein schwächeres gewesen sein kann.

Die ganze spätere Neueinteilung der Phylen möge hier übergangen werden. Daß Kleisthenes für Attika aus den vieren zehn machte, konnte eine dringend gewordene Ausgleichung sein, indem etwa die vier alten, welche noch von Solon als Grundlage anerkannt worden, in dem bewegten Jahrhundert von seiner Zeit bis auf die des Kleisthenes an Stärke sehr ungleich geworden waren. – Noch spät gegründete Griechenstädte wiederholten diese politische Form, auch diejenigen der Diadochen, ja Gründungen des antiquarisch begeisterten Hadrian wie Hadrianopolis und das ägyptische Antinoe. Wie sich der Sinn des Wortes Phyle auf verschiedene[56] Weise verändert, wie selbst rein örtliche Einteilungen später damit benannt wordenA5, gehört nebst vielem andern in das Gebiet der »griechischen Altertümer«. Solche Einrichtungen sind wahre Janusköpfe; nach der einen Seite uralte Vorgänge und Grundlagen alles Seienden, durch Abstammung weiter verpflanzt, nach der andern aber die Basis der Repräsentation in Staaten und daher viele Male verändert und künstlich neu geschaffen.


Schon vor den Griechen hatten die Phönizier Poleis, d.h. Stadtgemeinden, städtische Staatswesen gegründet, mit Verfassungen; ihre Königtümer waren beschränkt durch Räte, deren Mitglieder die Häupter der bevorzugten Familien gewesen zu sein scheinen. Diese Städte hatten die Fähigkeit, Kolonien auszusenden, als freie Abbilder ihres heimischen Zustandes. Es war etwas Anderes als die alten Königsburgen des Orients, welche bei jeder einzelnen Nation den Mittelpunkt des Ganzen vorstellten, etwas Anderes als das enorme Heerlager der assyrischen Dynastien am Tigris, als das zur gemeinsamen Burg aller Güter und Götter gegründete Babylon, als die drei wechselnden Residenzen der Achämeniden, als die Großmärkte des orientalischen Handels und als die Tempelstädte Ägyptens: es waren bereits Bürgerschaften. Höchst aktiv, lauter feste Seestädte, ohne Kriegerkaste wie ohne Kasten überhaupt, hatten sich die phönizischen Poleis doch auf alle Weise wehrhaft zu halten gewußt. Sollte der Ehre der Griechen ein Abbruch geschehen, wenn man annähme, daß dies Vorbild nicht ohne Wirkung auf sie geblieben? In so manchen anderen Beziehungen ist das frühe Eindringen phönizischer Kultur in das griechische Leben jetzt allgemein anerkannt, und vielleicht war Theben eine ursprünglich phönizische Stadt auf später böotischem Boden. Jedenfalls aber müssen die Griechen schon früh auch Kunde von den Städten der phönizischen Küste und von den Kolonien derselben gehabt haben.

Sie selber lebten in Gestalt einer Menge kleinerer und größerer Stämme lange unter Häuptlingen, welche Könige heißen. Der Stamm selbst oder sein Königtum müssen in alten Zeiten hie und da feste Burgen und Städte gegründet oder auch schon vorgefunden haben; es sind nach der Ansicht des Thukydides (I, 7) diejenigen – sowohl auf dem Festland als auf den Inseln – welche entfernt vom Meere, landeinwärts liegen, des damaligen Seeraubes wegen; denn erst die neuern, seit dem Aufkommen einer eigenen Schiffahrt, seien am Meere, etwa auf Halbinseln, mit starker Ummauerung erbaut worden. Mykenä und Tiryns sind sehr viel älter als alle Poleis.

[57] In jener alten Zeit aber lebte weit der größte Teil des Stammes Dorfweise (κατὰ χώμας)5. Dies ist, was Thukydides (I, 10) überhaupt »die alte Lebensweise von Hellas« nennt6. Ob diese Gemeinden schon politisch organisiert und wie sie im Stamme rechtlich vertreten waren7, weiß man nicht und ebensowenig, in wie weit gemeinschaftliche Heiligtümer, Sitten und Wehrpflicht sie mit den benachbarten Gemeinden enger verbanden. Hatten sie feste Ortschaften in ihrem Gau oder Stamm, so werden ihnen dieselben als gemeinsame Burgen, als Asyle gegen Land- und Seeraub gedient haben. Die alten Sikaner in Sizilien, wohnten in lauter festen Ortschaften auf den Höhen wegen der Räuber und dennoch heißt es: »sie wohnten dorfweise8,« obwohl für diese Ortschaften bereits der Name Poleis antecipiert wird. Noch heute ist in Mittel- und Unteritalien so manches einer festen Stadt ähnliche sog. castello nichts Anderes als ein sicherer Aufenthalt für Landleute bei Nacht und in unsichern Zeiten. Noch spät lebten manche Gegenden Griechenlands auf Dorf-Weise weiter und blieben damit so unbeachtet, daß die Kunde von ihrem politischen Wesen nahezu verloren gegangen ist, weil die dazwischen entstandenen Poleis das Eins und Alles geworden waren.

Nun muß ein gewisser starker Pulsschlag schon den alten griechischen Stämmen mehr als andern Ariern eigen gewesen sein; man kann sagen: die nachmalige Lebensvehemenz der Nation hat eine Art Vorbild in den Wanderungen, Ansiedelungen und Mischungen der alten Einzelstämme, die oft lange müssen in Bewegung begriffen gewesen sein. Die Berichte hievon sind kraus, verworren und zur genauen historischen Zusammenstellung kaum hie und da genügend, aber äußerst zahlreich, so daß z.B. auch das Material des Jornandes und Paulus Diaconus an Masse daneben nicht in Betracht kommt. Es bietet sich eine Menge von Details kleinsten Maßstabes; jede Minimalbevölkerung hat ihre Wandersage, während man bei den Germanen alles nur im Großen erfährt. Unsere Alamannen mögen schon im VII. Jahrhundert jede Erinnerung an ihre bunte Abstammung verloren gehabt haben; von ihren Okkupationen auf römischem Boden ist kein populärer und kaum ein historischer Zug auf die Nachwelt gelangt; sie sind und bleiben einfach da; bei den griechischen[58] Bevölkerungen dagegen zeigt sich das stärkste, wenn auch mythisch ausgedrückte Bewußtsein von Herkunft und Ansiedelung. Die Persönlichmachung durch Stammesheroen, deren Fluchten und neue Herrschaften, ihre möglichste Verflechtung in den allgemeinen Mythus, ihre Gräber und deren Kult sind ein Angeld auf das mächtige Lebensgefühl der künftigen Poleis. Wer waren aber innerhalb einer Bevölkerung diejenigen Leute, welche diese Erinnerung neben den Mühen des Tages am Leben hielten? Das müssen wieder (vergl. S. 31) die Sänger der Heldensage gewesen sein. Neben ihnen, und zum Teil aus ihrer Dichtung von nah und fern gesammelt, konnte sich dann eine allgemeinere genealogische, tatsächlich zugleich ethnographische Dichtung wie die Eöen, der homerische Schiffskatalog und ähnliche »Epen« erheben. Bei den Germanen nach der Völkerwanderung hingegen schimmern im Dunkel noch hie und da Dynastien wie die Nibelungen und die Harelungen, und der ganze Rest hängt sich an Dietrich von Bern, der aber auf deutschem Boden gerade nirgends zu fassen ist. Nach griechischem Maßstab müßte in Deutsch – ein unermeßlicher Dynastienwald wachsen.

Nach diesen Wanderungssagen ist nun dem einzelnen Stamm Alles erlaubt, wenn es sich darum handelt, sein Dasein zu verteidigen, und mit triumphierendem Hohn erzählen Kinder und Kindeskinder davon, wie dies geschehen. Zum Echtesten gehört hier z.B. die Stammsage der Aenianen, eines später in Thessalien wohnenden Völkchens, ganz gewiß aus dessen eigener Überlieferung entnommen9. Einst aus der Ebene Dotion (südlich vom Ossa in Thessalien) durch die Lapithen vertrieben, zogen sie bald da, bald dort herum; überall war ihnen das Land zu gering und die Nachbarn zu böse; endlich in Kirrha am korinthischen Golf, bei großer Dürre, steinigen sie auf Anweisung des Gottes ihren König Oinoklos. Dann zogen sie ins Tal des thessalischen Inachos, wo Inachier und Achäer wohnten, und von hier begehrten sie nicht mehr zu weichen. Auf ein Orakel hin, sie würden das Land bekommen, wenn es ihnen freiwillig gegeben werde, verkleidet sich der Aeniane Temon als Bettler, läßt sich vom inachischen König, wie zum Spott, eine Erdscholle schenken und steckt sie fröhlich in seinen Schnappsack10. Zu spät merken die inachischen Ältesten die List und mahnen ihren König, ihn zu packen;[59] Temon entflieht, indem er dem Apoll eine Hekatombe gelobt. Hierauf wird ein Zweikampf beider Könige angeordnet; der änianische verlangt, der inachische solle seinen mitgebrachten Hund wegjagen; indem sich dieser hiezu umwendet, wird er von dem änianischen durch einen Steinwurf (der Stein ist die älteste aller Waffen) getötet. Nun vertreiben die Aenianen die Inachier und Achäer11, verehren jenen Stein, opfern ihm und bedecken ihn mit dem FetteA6 des Opfertieres. Bei den Hekatomben, welche man fortan dem Apoll darbrachte, erhielten die Nachkommen des Temon jedesmal das sogenannte Bettlerfleisch (πτωχικὸν χρέας). So wie hier ein Stamm denkt und fühlt, so später die Verdichtung des Stammes, die Polis.

Sie ist die definitive griechische Staatsform, der unabhängige Kleinstaat, der über eine Feldmark herrscht, in welcher kaum mehr ein anderer fester Ort und jedenfalls keine weitere unabhängige Bürgerschaft mehr geduldet wird. Ihre Entstehung wird nie als eine allmähliche, immer nur als eine einmalige gedacht, infolge eines starken momentanen Willens oder Entschlusses. Die Phantasie desA7 Griechen ist erfüllt von lauter einmaligen Städtegründungen (κτίσεις), und wie sich von Anfang an nichts von selbst ergeben hat, so ist dann das ganze Leben der Polis lauter Notwendigkeit.

Gegeben ist vor allem der kleinstaatliche Charakter. Auch wenn ganze Bevölkerungen aus ihren Sitzen vertrieben werden, so nehmen sie ihre frühere Voraussetzung, in lauter einzelnen Kleinstaaten gelebt zu haben, mit sich auf die Wanderung. Die aus dem südlichen Peloponnes vertriebenen Achäer hätten in ihren neuen Sitzen in Achaia am Golf von Korinth gewiß einen Einheitsstaat bilden können, ja es hätte ihnen dies sehr nahe liegen können, wenn es in ihrem Wesen gelegen hätte; statt dessen gründen sie in den zwölf Gebieten, wo bisher Ionier in zwölf Teilen (μέρεα) dorfweise gewohnt, ebenso viele Poleis, und ihr »Gemeinsames« (κοινόν) erhob sich tatsächlich kaum über periodische Opfer und Feste, etwa beim Hamarion, im Hain des Zeus unweit Aegä12. Und bei den Ioniern, die vor ihnen gewichen waren und dann unter athenischer Führung an die Westküste von Kleinasien gingen, versteht es sich abermals von selbst, daß sie dort eine Reihe und zwar wiederum eine Zwölfzahl von Poleis einrichten.

[60] Es wird sich zeigen, daß der Kleinstaat mit einer festen Stadt seine innere Notwendigkeit, von geringem Umfang und übersichtlich (εὐσίνοπτος) zu sein, genau erkannte. Um weitere Gebiete so zu beherrschen, daß ihre Einzelortschaften nicht Herde des Widerstandes wurden, bedurfte es entweder einer spartanischen Gewaltsamkeit oder einer ganz ausnahmsweisen Anlage, wie die des Volkes von Attika war. Versuche aber, durch Bündnisse größere Gruppen zu bilden, haben nur auf Augenblicke, in Kriegen, nie auf die Dauer Glück und Macht für sich gehabt. Die Hegemonien von Sparta und Athen erregten auf die Länge furchtbaren Haß, und, wer die Polis kennen lernt, wird sich bald überzeugen, wie wenig sie geeignet war, gegen schwächere Verbündete auch nur diejenige Billigkeit walten zu lassen, welche zugleich Klugheit gewesen wäre. An die stets wiederholten Versuche, aus Böotien einen Bundesstaat zu machen, knüpft sich das ganze Unglück der böotischen Geschichte. Bei allen Bundesverhältnissen unter Griechen waltet von vornherein die Absicht der Fähigern auf Übervorteilung und Herrschaft. Trümmer eines schon früh nur halbverstandenen Altertums aber, wie z.B. die Tempelvereine oder Amphiktyonien, darf man in der Zeit der völlig bewußt gewordenen Poleis übersehen.

Diejenige Form aber, welche der fieberhafte Lebensdrang annimmt, indem er die Polis schafft, ist in der Regel der sogenannten Synoikismos, das Zusammensiedeln bisheriger Dorfgemeinden in eine feste Stadt, jetzt wo möglich am Meere. Was das damalige Mixtum von Seeraub und Handel, was die felsigen Vorgebirge und Buchten dazu taten, war vielleicht das Unwesentlichere; man will vor allem einen festen politischen Körper bilden und gegenüber den benachbarten Poleis, in welchen derselbe Prozeß vor sich geht, Stellung nehmen. Mit bloßen Zwecken des Verkehrs, des materiellen Gedeihens usw. wäre man über ein Polisma, ein Ptoliethron nicht hinausgekommen, die Polis jedoch ist mehr.

Der äußere Gewaltzustand aber, der zu ihrer Gründung trieb, war ohne Zweifel in vielen Fällen diejenige Bewegung, welche man die dorische Wanderung nennt. Sowohl die betreffenden Wandervölker selbst, als diejenigen, welchen es gelang, sich gegen sie zu behaupten, waren reif für eine Form, welche auf alle Zeiten größere Macht zur Verteidigung wie zum Angriff verhieß und das eigentliche Ziel ihres Daseins in sich enthielt. Wie für Achaia der Übergang aus dem Leben in Dorfgemeinden in das städtische Leben ganz ausdrücklich an die dorische Wanderung angeknüpftA8 wird, haben wir oben gesehen; was uns aber von dort berichtet wird, hat sich gewiß mehrfach wiederholt.

Die Zeit, da man dorfweise (κωμηδόν), bisweilen in Gauen von sieben, acht Dörfern gewohnt hatte, war bei aller Leidenschaft der Stämme doch[61] wohl die unschuldigere gewesen; man hatte sich etwa gegen Landräuber und Piraten zu wehren gehabt, dabei aber das Bauernleben gepflegt; jetzt stand Polis gegen Polis als Konkurrentin des Daseins und der politischen Macht. Und ohne allen Zweifel war früher das Land weitA9 mehr angebaut, denn mit der Zusammenziehung in eine Stadt mußte die Vernachlässigung der entfernter gelegenen Teile der Feldmark beginnen. Die Synoikismen können der Anfang der Verödung Griechenlands gewesen sein13. Das Beispiel der athenischen Bürger, welche in Friedenszeiten auf ihren Gütern in ganz Attika wohnten, beweist noch nicht für die Übrigen.

Der Prozeß wurde ein normaler, der sich während des ganzen griechischen Lebens wiederholte. So oft eine konzentrierte politische Kraft geschaffen werden sollte, erfolgte eine solche Sammlung einer Bevölkerung in einem Bürgerverband, mit gemeinsamen Lasten, Verpflichtungen und Rechten, innerhalb einer meist schon vorhandenen, jetzt erst mit voller Befestigung versehenen Ortschaft, doch auch nicht selten an völlig neu gewählter Stelle. Mit allem Luxus einer spätern politisierenden Phantasie malte man sich das berühmteste, noch in die mythische Zeit fallende Beispiel als ein Vorbild aus: den Synoikismos der Bevölkerung von Attika in Athen durch Theseus14. Er erst habe in den zwölf Ortschaften, zu welchen bereits Kekrops die Landesbewohner sicherheitshalber zusammengesiedelt, die besonderen Prytaneen und Archonten aufgehoben und nur noch ein Buleuterion und Prytaneion Aller geduldet, in Athen; sie mochten draußen wohnen bleiben auf ihren Grundstücken, allein sie hatten fortan nur noch eine Polis, welche er dann, indem Alle bereits zusammensteuerten, schon als eine große und mächtige den Nachkommen überliefern konnte. So hätte man es gerne überall gehabt, und alles griechische Wesen drängte auf diese seine schließliche Gestalt, die Polis, hin, ohne welche die höhere griechische Kultur gar nicht denkbar wäre.

Allein aus den Beispielen der hellen historischen Zeit lernt man auch die Opfer kennen, welche ein solcher Synoikismos kostete: gewaltsame Übersiedlung der Widerstrebenden oder auch ihre Zernichtung; was sich vollends nur ahnen läßt, ist der Jammer der Vielen, welche sich zwar fügten, aber ihre bisherigen Dörfer, Ortschaften und Städtchen verlassen mußten oder dieselben nur noch mit geringerer Sicherheit und vermindertem Wohlstand bebauen und bewohnen konnten. Schon allein die Entfernung von den Gräbern der Ahnen muß für den Griechen ein Unglück gewesen sein; er mußte nun den Totenkult verabsäumen oder er[62] konnte denselben nur mit Schwierigkeiten vollziehen; jedenfalls hatte er das Ahnengrab nicht mehr täglich vor Augen. Es ist eine in der ganzen übrigen Geschichte kaum wieder vorgekommene Häufung von bittern Schmerzen in dieser griechischen Polis: der allerstärkste Ortssinn und die größte Ortsandacht und diesem gegenüber die größte Menge von gewaltsam auferlegten und beschlossenen Ortswechseln. Kräftige tyrannische Minoritäten werden in der Regel die Sache durchgesetzt haben. In spätern, stürmischen Zeiten freilich wird, wer nicht willenlos zertreten werden wollte, oft aus schwerer Notwendigkeit zur Bildung einer Polis geschritten sein.

Ein sprechendes Symbol aber für den Pulsschlag der Polis, für die Kämpfe, welche schon ihre Entstehung kosten mochte, ist die Geschichte von der Saat der Drachenzähne durch Kadmos. Aus den Zähnen entstehen die Sparten, geharnischte Männer; sowie Kadmos Steine unter sie wirft, fallen sie übereinander her und vernichten einander bis auf fünf. Aus dieser übrig gebliebenen Quintessenz stammen dann die Kadmeionengeschlechter des spätern Theben. Auch daß derjenige todeswürdig ist, der einer Befestigung des Ortes spottet, ist charakteristisch. Es liegt der Gedanke zu Grunde, daß Spotten leicht, tüchtig Mithelfen beschwerlich sei, und daß man einmal aus dem Geringen anfangen müsse. Weil er das nicht einsieht, tötet Oeneus von Kalydon seinen Sohn Toxeus, als derselbe den Graben überspringt, gerade wie Romulus es seinem Bruder macht.

Zahlreich sind nun die Berichte von Städtegründungen: Im Peloponnes wurde das schon bei Homer erwähnte Mantinea später zur Polis durch Vereinigung von fünf Landgemeinden – δῆμοι, wie man hier sagte, statt κᾶμαι. Tegea entstandA10 aus neun solchen, Heräa ebenfalls aus neun, Aegion aus sieben oder acht, Paträ aus sieben, Dyme aus acht. Elis wurde erst nach den Perserkriegen aus vielen Landgemeinden ringsum zur Stadt gesammelt15. Während des peloponnesischen Krieges wollten die Mitylenäer alle Lesbier mit Gewalt zur Übersiedelung in ihre Stadt zwingen, worauf doch die Methymnäer in Athen Anzeige machten, und der Streich unterblieb16. Und wenn im Jahre 408 Lindos, Jalysos und Kameiros freiwillig sich zusammentaten zur Gründung des prächtigen Rhodos, welchem doch wahrlich eine glänzende Zukunft vorbehalten war, mit welchen Gefühlen glaubt man, daß die meisten ihre bisherigen uralten Städte werden verlassen haben17? Zur Zeit des peloponnesischen Krieges[63] überredete Perdikkas II. von Makedonien die Einwohner der Halbinsel Chalkidike, ihre Strandstädte zu verlassen und in eine Stadt, Olynth, zusammenzusiedeln18, womit zugleich ein Abfall von der athenischen Hegemonie verbunden war. Der Staat von Argos war besonders berüchtigt durch die gewaltsamen Synoikismen, welche er vollzog, allerdings um sich gegenüber von Sparta eine stärkere Haltung zu geben. Da mußten nicht nur Hysiä, Orneä, Midea und andere unbekanntere Orte sich fügen, sondern altberühmte Städte wie Mykenä und Tirynth wurden in Trümmer gelegt, und wenn die Einwohner sich nicht zu Argivern machen ließen, sondern lieber in ferne Lande gingen, so geschah dies ohne Zweifel nur, weil man sie nicht halten konnte. Gegenüber einem Feinde wie Sparta wußte freilich auch ein Epaminondas keinen andern Rat, als daß er eine große Anzahl schwacher arkadischer Landstädte bewog, sich als solche aufzulösen und nach einer »Großstadt,« Megalopolis überzusiedeln. Die sich weigernden Trapezuntier wurden teils niedergemacht, teils flohen sie nach dem pontischen Trapezunt. Nach der Schlacht bei Mantinea wollten viele wiederum die »Großstadt« verlassen, wurden aber von den übrigen Megalopolitanern mit athenischer Hilfe und unter Anwendung der größten Gewalt gezwungen zurückzukehren und dazubleiben19. Die verlassenen Orte lagen teils später teils völlig öde20, teils waren sie zu »Dörfern« der Megalopoliten geworden, d.h. sie waren noch einigermaßen bewohnt, und ihre Feldmark noch angebaut.

Warum ließ man solche Städte nicht einfach als Landstädte bestehen21 und etwa durch gewählte Repräsentanten im Rat der Polis vertreten? Deshalb, weil sie sich als Städte nie würden auf die Länge gefügt, sondern die äußersten Kräfte daran würden gesetzt haben, unabhängig und selber wieder Poleis zu werden; ferner weil, wie sich weiter zeigen wird, eine bloße Delegation durch Repräsentanten dem Griechen nie genügt, weil Verhältnisse, die er nicht zu jeder Stunde von seiner Volksversammlung aus bestimmen kann, für ihn unannehmbar und unerträglich sind.

Mit vollem, widerspruchslosen Enthusiasmus wurde vielleicht nur das ganz neue Messene gegründet (369 v. Chr.) Hier hatte Epaminondas keine Gezwungenen aus den nächsten Feldmarken, sondern die längst in die ganze Griechenwelt verlaufenen, jetzt wieder zusammenberufenen Abkömmlinge des Landes Messenien zum Bau einer neuen Hauptstadt[64] anzuführen. Solche, die seit mehreren Generationen, ja seit Jahrhunderten ihre Heimat verloren gehabt, erhielten sie wieder. – Dagegen sind unendlich zahlreich die gewaltsamsten Gründungen durch Tyrannen und mächtige Fürsten. Die sizilischen Tyrannen, auch die besten, sind rücksichtslose Menschenmischer gegenüber schon vorhandenen Poleis, weil sie des Gehorsams derselben sich nur dann sicher glauben, wenn sie die halbe Bevölkerung (oder noch mehr) weggeschafft und durch eine anderswo hergeführte, auch durch angesiedelte Söldner ersetzt haben. Der sonst verdienstvolle Gelon konzentrierte die obere Bevölkerung von Kamarina, Gela, hybläisch Megara und andern Städten in Syrakus, und verkaufte deren Volksmasse als Ausschuß ins Ausland, sintemal der Demos der unbequemste Miteinwohner wäre; sein Bruder Hieron versetzte dann die Einwohner von Katana nach Leontinoi und siedelte 5000 Syrakusier und ebenso viele Peloponnesier in den ausgeleerten Mauern an, teils um an einer so wehrfähigen Stadt22 eine stets hilfsbereite Mannschaft zu haben, teils um einst von einer so ansehnlichen Polis als Gründer nach Heroenart verehrt zu werden23, wie Gelon denn bereits einen solchen Kultus genoß. Die Stadt bekam, damit sie als neugegründet gelte, den Namen Aitne, nahm aber bald nach Hierons Tode, als Alles rückgängig wurde, auch wieder ihren alten Namen Katana an, den sie bis heute trägt. Von den schrecklichen spätern Neumischungen und Ausrottungen auf Sizilien wird bei Anlaß der Dionyse und des Agathokles die Rede sein. Die einzige Entschuldigung lautet wohl immer: entweder so, oder die Städte erheben Gegentyrannen gegen uns und halten zu den Karthagern! – Auch ein Herrscher wie Mausolos drängte in sein Halikarnaß die Bevölkerung von sechs Städten zusammen, es waren von den acht Lelegerstädten die drei Vierteile24, und wir erfahren nicht, wie weit es die Leute als eine Wohltat ansehen mochten. – In der Geschichte der Diadochen nehmen die neugegründeten Städte im Orient und in Ägypten die Aufmerksamkeit vor allem in Anspruch, daneben aber wird nicht zu übersehen sein, was sie sich in dem längst hellenisierten vordern Kleinasien erlaubten an gewaltsamer Deportation, Menschenmischung und Neutaufen berühmter alter Städte. Die Erklärung: daß man nur willige Bevölkerungen auf diese Manier führen könne, würde nicht Stich halten; mehr als einmal gingen die Leute wieder davon, wenn ein anderer Herrscher kam und es ihnen erlaubte25.

[65] Am ehesten noch möchten die Gründungen Kassanders von Makedonien auf sichtbaren Vorteilen der betreffenden Bevölkerungen selbst beruht haben. Man wird etwa erinnert an Städtegründungen der Zähringer, welche ergebene und dabei sehr frei gestellte Bevölkerungen in festem Mauerumfang wünschten. Möge hier auch eine andere Parallele, und zwar mit den frühern griechischen Synoikismen, denen des gemeinsamen Beschlusses, gestattet sein: Gegen Ende des XII. Jahrhunderts, als Mailand an der Spitze einer guelfischen Propaganda gegen die meist ghibellinischen Dynasten, zumal die piemontesischen stand, sammelten sich auf seinen Antrieb hie und da Bauerschaften zur Errichtung fester Orte. So entstanden jedenfalls Chivasso und Coni; dann ohne Erwähnung der mailändischen Hilfe Savigliano, durch solche Bauern, welche sich der Herrschaft der Marchesen von Saluzzo entzogen; ferner mit Hilfe desjenigen Alessandria, welches eben erst als Gründung des ganzen Lombardenbundes aus dem Boden gestiegen war, erhoben sich die neuen Bauernstädte Nizza di Monferrato, Fossano, Montevico; gegenüber dem feindlichen Asti war zwischen Tanaro und Stura die Stadt Clarasco im Bau, und viele Einwohner von Alba siedelten schon dahin über, ja es schien eine Zeitlang, als würde sich Alba der Demolition fügen um gänzlich in dem neuen Ort aufzugehen26. Jene Zeit bietet noch Manches, was den Lebensformen des alten Griechenlands ähnlich sieht; so hatte z.B. Kaiser Friedrich I. einige Zeit vorher an den besiegten Mailändern, als er sie aus ihrer der Zerstörung geweihten Stadt in vier Flecken wies, nichts anderes geübt, als was das Altertum διοικίζειν (in getrennte Wohnorte verweisen) nannte; auch hier hatte häufig die Rache eines siegreichen Feindes darin bestanden, daß er eine Polis auflöste und die Einwohner zwang, wieder dorfgemeindenweise (κατὰ κώμας) zu leben. So hielt es König Agesipolis mit dem besiegten Mantinea, so die Sieger im heiligen Krieg, indem sie sämtliche Städte von Phokis, mit Ausnahme von Abä, dem Boden eben machten und die Einwohner ins Dorfleben wiesen27.


Die Bildung einer Polis war das große, das entscheidende Erlebnis im ganzen Dasein einer Bevölkerung. Die Lebensweise, auch wo man fortfuhr, die Fluren zu bebauen, wurde aus der ländlichen doch eine vorwiegend[66] städtische; bisher waren es »Landwirte« gewesen, nun, als alles beisammen wohnte, wurden es »Politiker.« Die Bedeutung des Erlebnisses aber spiegelte sich in Sagen von der Gründung der Stadt und von ihrer Rettung aus frühen großen Gefahren. Sie hatte das Gefühl eines opfervollen, von göttlichen Zeichen umgebenen, daher eine unbedingte künftige Berechtigung in sich tragenden Ursprungs und Heranwachsens. Schon die Vorbedingung einer Gründung, das Trinkwasser, vielleicht die einzige gute Quelle weit und breit, hatte müssen irgend einer dunkeln Macht abgekämpft werden; Kadmos erlegt den Drachen des Ares, der die Quelle des seitherigen Theben hütete. In mancher Stadt fand sich auf der Agora, im Peribolos eines Tempels oder sonst an ausgezeichneter Stelle, das Grabmal eines Menschen, der in alter, auch schonA11 mythischer Zeit für die Entstehung oder Erhaltung der Stadt das Leben gelassen hatte, freiwillig oder unfreiwillig, meist auf ein Orakel hin. Denn, was kräftig gedeihen soll auf Erden, muß dunkeln Mächten seinen Zoll bezahlen. In Thespiä28 wußte man von einer Zeit, da alljährlich unter den Jünglingen einer hatte müssen ausgelost und einem Drachen überliefert werden, welcher die Stadt schädigte. Mitten auf dem innern Kerameikos von Athen sah man das Leokorion29, den geweihten Raum (τέμενος) der drei Töchter des Leon, welche er zum Opfer hingegeben, als laut delphischem Spruch die Stadt nicht anders gerettet werden konnte. Das Denkmal des Kroton, in der italischen Stadt dieses Namens, hatte folgende Sage an sich30: Herakles, als er seine Rinder durch Italien trieb, hatte den Kroton, welcher ihm Hilfe bringen wollte, nächtlicher Weile für einen Feind gehalten und getötet, darauf aber seinen Irrtum erkannt und gelobt, um dessen Grabmal herum eine gleichnamige Stadt zu bauen. War es kein Denkmal, so heftete sich die Erinnerung etwa an eine Quelle. Zu Haliartos in Böotien entsprang der Fluß Lophis31 aus dem Blut eines Knaben, den sein eigener Vater zusammengehauen, weil bei völliger Wasserlosigkeit Pythia ihm die Tötung des ersten ihm begegnenden Wesens befohlen hatte. Zu Kelänä in Phrygien32 hatte sich ein Schlund geöffnet, in welchen viele Häuser samt den Menschen versanken; da laut Orakelspruch das Kostbarste hineingeworfen werden sollte, und Gold und Silber nichts half, sprang der phrygische Königserbe zu Roß hinein, und nun verschloß sich der Schlund. Bisweilen waren Tiere barmherziger[67] gewesen als die Menschen und die Götter. Den zur Gründung von Lesbos Ausgefahrenen33 war ein Orakelspruch zu teil geworden, wonach sie, bei der Klippe Mesogeion angelangt, dem Poseidon einen Stier und der Amphitrite und den Nereiden eine lebendige Jungfrau ins Meer senken sollten. Die letztere wurde unter den Töchtern der sieben Anführer ausgelost und reichgeschmückt ins Meer hinabgelassen; aber ihr Geliebter sprang mit hinab und umschlang sie, und beide wurden durch Delphine gerettet. Es kommen wohl Beispiele vor, da bei Gründung einer Stadt die Herbeischaffung der Gebeine eines längst Verstorbenen, eines Menschen aus der mythischen Zeit, genügt, wie z.B. bei der definitiven Gründung von Amphipolis durch die Athener unter Hagnon34, als er heimlich Leute nach dem Gefilde von Troja sandte und aus dem Grabhügel des Rhesos dessen Überreste holen ließ; auch mag das Menschenopfer später durch unschuldigere Begehungen, die sogenannten Telesmen ersetzt worden sein, welche in der Vergrabung geheimnisvoller Gegenstände bestanden. Hatte doch einst schon Athene35 dem Kepheus bei der Gründung von Tegea Haare der Medusa geschenkt zur Sicherung der Stadt, welche nun auf alle Zeiten uneinnehmbar sein sollte. Allein noch in späten Jahrhunderten wird doch der alte Greuel bei sehr feierlichen Gründungen wiederholt. Seleukos, sonst vielleicht der edelste unter den nächsten Diadochen Alexanders, hat den Bau seiner großen syrischen Städte mit der Opferung unschuldiger Mädchen begonnen36 und ihnen dann eherne Statuen errichtet, worin die Gemordete zur Tyche der Stadt verklärt und einem ewigen Kultus geweiht war. In Laodikeia hieß das unglückliche Kind Agaue, und auch für Antiochien am Orontes wird uns der Name derjenigen überliefert, welche in der berühmten ehernen Tyche verewigt war, deren kleines marmornes Nachbild sich jetzt im Vatikan befindet; inmitten der anzulegenden Stadt, an vorbestimmtem Tage, bei Sonnenaufgang hatte der Oberpriester die schöne Aimathe geopfert. Wir erfahren diesmal nicht, daß Orakelsprüche die Sache dringend anbefohlen hätten, das Schicksal der Städte sollte zum nurA12 voraus magisch gesichert werden.

Es gab auf den Agoren auch Grabmäler von nicht so unheimlicher Art, in Thurioi war auf der Agora der große Herodot bestattet37, ja später mochte ein Wald von Statuen berühmter Leute und von Altären manchen[68] Platz der Griechenstädte beinahe unbequem machen38, allein das Denkmal der schauerlichen Erinnerung an einen Geopferten wird selten gefehlt haben. Auch bei andern Völkern tönt hie und da um einen Schloßbau eine ähnliche Sage; auf die Serben aber, als das ergreifende Lied von der Gründung von Skadar39 entstand, könnte wohl eine griechische Anschauung übergegangen sein.

Und ist im Grunde dies einmalige Menschenopfer etwas anderes als ein Sinnbild von den so viel größern Opfern, welche die Entstehung fast jeder Polis verlangte? von jener Verödung der Feldmarken in weitem Umkreis? jener Zerstörung oder Mißhandlung kleinerer Ortschaften zu Gunsten der neuen Anlage? Wundere man sich nicht über die Heftigkeit, womit dann der Lebensprozeß einer solchen Polis vor sich geht.

Wir würden von all diesen Dingen sehr viel mehr wissen, wenn die betreffenden Quellen nicht untergegangen wären bis auf wenige, zerstreute Bruchstücke. Ein eigener Zweig der Erzählung in Poesie und Prosa war der Geschichte oder dem Mythus der Gründungen (κτίσεις) gewidmet; erlauchte Namen wie Mimnermos von Smyrna, Kadmos von Milet, Xenophanes von Kolophon finden sich unter den Erzählern solcher heimatlicher Sagen, und außerdem verdankte man dem Letztgenannten auch noch die Aufzeichnung der kühnen Wanderfahrten der geflüchteten Phokäer bis zur Gründung von Elea40. Im Grunde hat das, was später griechische Geschichtsschreibung wurde, mit diesen Anfängen begonnen.


Die äußeren Requisiten, wodurch sich eine griechische Polis von dem Dorfe, wie von den Städten anderer Völker unterschied, lernt man bei einem negativen Anlaß kennen. »Panopeus,« sagt Pausanias (X, 4, 1) »ist eine Stadt der Phokier, wenn man von einer solchen sprechen kann, wo kein Amtsgebäude, kein Gymnasion, kein Theater, keine Agora, kein zur Quelle zusammenrinnendes Wasser vorhanden ist.« Die Panopeer wohnten nämlich troglodytisch über einer Bachschlucht. Unter dem Amtsgebäude wäre vor allem das Lokal der täglich sitzenden Stadtbehörde, das Prytaneion zu verstehen: »das Symbol einer Stadt, denn die Dörfer haben dergleichen nicht.« Ferner die Gerichtsstätte und das Lokal für den größern Rat, wo ein solcher vorhanden war, das Buleuterion. Sodann reichten später Gymnasien so weit, als hellenisches Leben reichte; die Theater aber mögen erst recht überhand genommen haben41, als es mit[69] der politischen Kraft der Städte schon abwärts ging. Als Hauptüberblick einer Stadtbevölkerung, als Raum der Volksversammlung insbesondere waren sie von ganz eigentümlichem Wert und mußten jeden Nichthellenen in Staunen versetzen. Der eigentliche Mittelpunkt einer Polis aber war die Agora, der Platz.

In altertümlichen, kleinen Städten war dieselbe eins und alles; an ihr waren Prytaneion, Buleuterion, Gerichtslokal, einer oder mehrere Tempel gelegen; dabei diente sie noch für Volksversammlungen und Spiele. Aber auch, wenn für dieseA13 einzelnen Bestimmungen anderswo und reichlich gesorgt worden war, blieb die Agora das eigentliche Lebensorgan der Stadt. »Marktplatz« ist eine sehr ungenügende Übersetzung, auch hatten gewiß alle Völker Marktplätze, welche überhaupt Städte hatten. Agora dagegen kommt von ἀγείρειν versammeln, bedeutet auch sehr oft geradezu die Versammlung ohne Rücksicht auf den Ort, und Aristoteles42 hilft uns überdies zu einer sehr deutlichen Unterscheidung. Er verlangt eine Agora der Freien, wo nichts verkauft wird, und wo kein Arbeiter und kein Bauer sich einfinden darf, es sei denn auf Befehl der Behörden; außerdem aber eine andere Agora, die der Bedürfnisse für Kauf und Verkauf. Schon das Lager der Achäer vor Ilion hatte seine Agora mit den Altären der Götter, wo Recht gesprochen wurde43. In Seestädten lag der Platz gewiß gern in der Nähe des Hafens, wenigstens ist es bei den Phäaken so, deren ganzes Dasein ja auf das Wünschenswertste eingerichtet gewesen sein muß44. Hier, angesichts der Schiffe, umgeben von Tempeln, Amtsgebäuden, Denkmälern, Kaufladen und Wechslerbuden, so viele deren noch Platz haben mochten, lag der Grieche dem ἀγοράζειν ob, jenem für Nordländer nie mit einem Wort übersetzbaren Treiben. Die Wörterbücher geben an: »auf dem Markt verkehren, kaufen, reden, ratschlagen usw.,« können aber das aus Geschäft, Gespräch und holdem Müßiggang gemischte Zusammenstehen und Schlendern nicht wiedergeben. Genug, daß der Vormittag davon seine allbekannte Bezeichnung bekam: die Zeit, da die Agora voller Leute ist. Den vollen Genuß hatte man natürlich nur auf dem Markte der Heimatstadt, und jene Perser, welche den ihnen entwischten Demokedes bis in sein Kroton verfolgten, fanden ihn alsbald dort, ἀγοράζοντα45. Aber man kannte den Griechen auch im Barbarenland daran; der Samier Syloson promenierte so in seinem scharlachroten Mantel zu Memphis46, und anderseits kamen auch Barbaren, wenn sie hellenische Sitte lieb gewonnen, gerne auf die Agora[70] einer Griechenstadt. Der Skythenkönig Skyles, so oft er mit seinem Heere vor die Borystheniterstadt (Olbia) kam, ließ seine Mannschaft in der Vorstadt, zog sein skythisches Gewand aus und ein hellenisches an und erging sich dann auf der Agora (ἠγόραζε) ohne Leibwache oder sonstige Begleitung47, – bis ihm seine hellenische Denkweise doch übelbekam.

Wenn sich dann in den Städten ein Pöbel ausbildete, so offenbarte sich derselbe unvermeidlich sehr als Platz-Pöbel (ὄχλος ἀγοραῖος), und schon sehr frühe soll der ältere Cyrus im Hinblick auf manche Geschäfte der griechischen Agoren zu einem spartanischen Boten gesagt haben: ich fürchte mich nicht vor Leuten, welche inmitten ihrer Stadt einen Platz haben, wo sie sich versammeln, um einander mit falschen Eiden zu betrügen48. Ein solches Lebensorgan enthält eben das Große wie das Kleine, das Gute wie das Böse untrennbar gemischt, der historischen Betrachtung aber ziemt es festzustellen, daß ohne Gespräch die Entwicklung des Geistes bei denA14 Griechen weniger denkbar ist als bei irgend einem anderen Volke, und daß Agora und Symposion die beiden großen Stätten der Konversation waren.


Wenn aber irgendwo der Mensch mehr ist als seine Stätte, so gilt dies von den Griechen. Die lebendige Polis, das Bürgertum, ist ein sehr viel mächtigeres Produkt gewesen als alle Mauern, Häfen und Prachtbauten49. Aristoteles nennt schon den Menschen überhaupt »ein politisches Wesen von Natur;« in einer beredten Stelle seiner Politik (VII, 6) stellt er dann den Griechen den zweierlei Barbaren gegenüber, den nordischen Naturmenschen und den asiatischen Kulturmenschen, und weist ihm die Vorzüge beider zu, den Mut der einen und den Verstand der anderen, so daß er nicht nur frei und im Besitz der besten Staatseinrichtungen sei, sondern sogar – sobald er nur einen Staat bilden würde – über alle Anderen herrschen könnte. Nach diesem allgemeinen Fähigkeitszeugnis werden nun die besondern Anschauungen der Griechen über ihre Polis zu prüfen sein.

Sie ist vor allem bereits vorhanden schon bevor es ein Raisonnement darüber gibt. Odysseus trifft überall nur Völker an, welche eine Polis haben, so selbst die Lästrygonen ihr Telepylos, ja selbst die Kimmerier haben die ihrige, in Duft und Nebel gehüllt50. Dann wird das Städtegründen ein dauernder Vorgang in Griechenland selbst und an Hunderten von[71] Stellen des Barbarenstrandes; der eigentliche Wunsch aber ist, daß einem Stamm auch eine Polis entspreche, und Bias konnte den von der Persermacht bedrohten ionischen Städten raten, nach Sardinien auszuwandern und dort eine Ionierstadt zu gründen; hätten sie ihm gefolgt, meint Herodot (I, 170), sie wären die glücklichsten Griechen geworden. Selbst die Komödie läßt sich diese Anschauung nicht entgehen, und Peisthetairos muß den Vögeln vor allem einprägen, daß nur eine Vogelstadt sein solle51.

Menschenrechte gibt es im Altertum überhaupt nicht und auch bei Aristoteles nicht; die Polis ist ihm nur eine Gemeinschaft von Freien52; der Metöke und der massenhaft vorhandene Sklave ist vor allem kein Bürger, und ob er daneben ein Mensch sei, wird nicht weiter erörtert. Diejenigen Forderungen, welche an den Bürger gestellt werden, sind in der Tat, wie sich zeigen wird, nicht Sache des ersten Besten und man könnte unbedingt nicht Jeden dazu brauchen. Wer draußen ist, der mag, wenn er sich überhaupt wehren und behaupten kann, leben wie die Kyklopen, ohne Agora und ohne Gesetze, indem jeder über seine Familie richtet53; in der Polis verhält es sich anders.

Vor allem kommt es hier auf die Qualität an, während man sich in der Quantität Schranken gefallen läßt. Verstümmeltes, mißgestaltet Geborenes soll man – so will Aristoteles54 – nicht aufziehen, und wenn man bedenkt, was für ein unglückliches Wesen der Krüppel unter Griechen war, so wird dies begreiflich. Zu Beschränkung der Volksmenge aber, heißt es weiter, ist nicht die Aussetzung, sondern die Abtreibung des noch Unbewußten und Unbelebten vorzunehmen, denn Erlaubtes und Frevel grenzen da aneinander, wo Bewußtsein und Leben beginnen. Bekanntlich wurden aber beständig viele Kinder ausgesetzt, schon weil man sie nicht aufnähren wollte oder konnte, und Theben, wo die Aussetzung verboten war, wird als eine Ausnahme zitiert55. Hier konnte ein völlig besitzloser Vater das Kind vor die Behörden bringen, welche es um geringen Preis an irgend jemand als Sklaven verkaufte; der Betreffende mußte sich wenigstens verpflichten, es aufzuziehen, und sich durch dessen Sklavendienst schadlos zu halten. Wie es in dieser Beziehung in Griechenland aussah zur Zeit des völligen Verfalles, im II. Jahrhundert v. Chr., wird bei späterem Anlaß zu erwähnen sein.

Das Lebensmaß, welches eine Polis in sich enthalten muß, wird bezeichnet mit dem Wort αὐτάρκεια, das Genügen. Für unsere Rechnungsart[72] ein sehr dunkles Wort, für den Griechen aber völlig verständlich. Eine Feldmark, welche die nötigsten Lebensmittel schaffte, ein Handelsverkehr und eine Gewerblichkeit, welche für die übrigen Bedürfnisse in mäßiger Weise sorgte, endlich eine Hoplitenschar mindestens so stark als die der nächsten, meist feindlichen Polis, dies waren die Bedingungen jenes »Genügens.« Aristoteles redet hier so deutlich als man es wünschen mag56. Eine Polis, sobald sie zu volkreich ist, kann schon kaum mehr gesetzlich leben. Die Zahl der wirklichen Bürger macht eine Stadt groß, nicht eine Vielheit der Gewerbsarbeiter (Banausen) bei Wenigkeit der Hopliten. Die Schönheit liegt auch hier im Begrenzten, im Proportionalen. Ein spannenlanges Schiff ist kein Schiff mehr und ein zwei Stadien langes auch nicht. Eine zu menschenarme Stadt genügt sich nicht; eine allzu bevölkerte genügt sich zwar in Betreff der Bedürfnisse, aber als eine Masse, nicht mehr als eine Stadt, denn sie kann keine wahre Verfassung, keine Politeia mehr haben. Welcher Stratege würde solche Massen anführen? welcher Herold würde genügen, wenn er nicht ein Stentor wäre? Um gerecht zu richten und um die Ämter nach Verdienst zu vergeben, müssen die Bürger einander kennen und wissen, welcher Art die Leute sind. Die beste Begrenzung ist, daß die Stadt so groß sei, als das Genügen des Lebens erfordert, aber übersichtlich. Und zwar scheint es, daß man eine Stadt von 10000 erwachsenen Bürgern57 (πόλις μυρίανδρος) für das im Ganzen wünschbare Maß gehalten habe; Herakleia Trachinia und Katana bei seiner Neugründung als Aitne erhielten diese Zahl58; wir dürfen zur Erläuterung herbeiziehen die Volksversammlung der Zehntausend (μύριοι) in Arkadien, und da selbst Idealbilder (Utopien) von Philosophen so Manches in Staat und Sitte der Griechen klar machen helfen, so mag erwähnt werden, daß der Idealstaat des Hippodamos von Milet eben diese Zahl inne halten sollte59.

Was nun die Polis ist, will, kann und darf, kann am besten aus ihrem historischen Verhalten ergründet werden. Alle Stadtrepubliken unseres abendländischen Mittelalters, auch wenn sie oft und viel an die Polis erinnern, sind doch wesentlich etwas anderes, nämlich einzelne, mehr oder weniger frei gewordene Teile schon vorher bestehender großer Reiche gewesen, und selbst von den italienischen wird zuletzt nur Venedig denjenigen absoluten Grad von Autonomie besessen haben, den die Polis[73] genoß. Auch war die Kirche etwas Gemeinsames, das über allen Städten und Königreichen stand und das in Griechenland völlig wegfiel. Aber abgesehen von diesen Unterschieden ist die Polis an sich eine Schöpfung ganz anderer Art; einmal in der Weltgeschichte hat in voller Kraft und Einseitigkeit sich hier ein Wille verwirklicht, welcher längst wie mit Ungeduld scheint auf seinen Welttag gewartet zu haben60.

In neuern Zeiten ist es, abgesehen von philosophischen und sonstigen idealistischen Programmen, wesentlich der Einzelne, das Individuum, welches den Staat postuliert, wie es ihn braucht. Es verlangt von ihm eigentlich nur die Sicherheit, um dann seine Kräfte frei entwickeln zu können; hiefür bringt es gerne wohlabgemessene Opfer, hält sich aber um so viel mehr dem Staat zu Danke verpflichtet, je weniger derselbe sich um sein sonstiges Tun kümmert. Die griechische Polis dagegen geht von vornherein vom Ganzen aus, welches früher vorhanden sei als der Teil, nämlich als das einzelne Haus, der einzelne Mensch61. Wir dürfen aus einer innern Logik hinzufügen: und dies Ganze wird den Teil auch überleben; es handelt sich nicht bloß um eine Bevorzugung des Allgemeinen vor dem Einzelnen, sondern auch des Dauernden vor dem Augenblicklichen und Vorübergehenden. Von dem Individuum wird nicht bloß im Felde und auf Augenblicke, sondern jederzeit die Hingebung der ganzen Existenz verlangt, denn es verdankt dem Ganzen alles; ja schon die Sicherung seines Daseins, welche damals nur der Bürger genießt und zwar nur in seiner Stadt oder, so weit deren Einfluß reicht. Die Polis ist ein höheres Naturprodukt; entstanden ist sie, damit Leben möglich sei, sie existiert aber weiter, damit richtig, glücklich, edel, möglichst nach der Trefflichkeit gelebt werde. Wer hier am Regieren und Regiertwerden Teil hat, der ist Bürger: das Erstere wird noch näher bestimmt als Teilnahme an Gericht und Ämtern. Allein der Bürger verwirklicht überhaupt all sein Können und jede Tugend im und am Staat, der ganze griechische Geist und seine Kultur, steht in stärkster Beziehung zur Polis, und weit die höchsten Hervorbringungen der Poesie und der Kunst des Blütezeitalters gehören nicht dem Privatgenuß, sondern der Öffentlichkeit an.

Die oft großartig pathethische Kunde von diesen Anschauungen erhalten wir teils durch die Dichter der Blütezeit, teils durch Philosophen und Redner des IV. Jahrhunderts, welche bereits nicht mehr das Gefühl[74] konstatieren, wie es wirklich noch herrschte, sondern wie es hätte herrschen sollen.

Die Vaterstadt (πατρίς) ist hier nicht bloß die Heimat62, wo dem Menschen am wohlsten ist und wohin ihn das Heimweh zieht, nicht bloß die Stadt, auf welche er trotz aller ihrer Mängel stolz ist, sondern ein höheres, göttlich mächtiges Wesen. Vor allem ist man ihr den Tod im Kampfe schuldig und zwar zahlt man ihr damit nur das »Nährgeld« zurück63. Schon Homer gönnt den Troern, zumal dem Hektor, hie und da die feurigsten Klänge des Patriotismus, und die Elegiendichter, in dem so Wenigen, was von ihnen erhalten ist, bleiben nicht zurück. Der gewaltigste Zeuge aber ist Aeschylos. Seine »vom Kriegsgott erfüllte« Dichtung »Sieben gegen Theben« vereinigt in den Reden des Eteokles den höchsten Ausdruck der Opferpflicht des Bürgers gegen die Muttererde mit dem Pathos des Königs und Verteidigers. In seiner eigenen Grabschrift64 redet der Dichter nicht von seiner Poesie, sondern von seiner Tapferkeit: »sagen mag es der marathonische Hain und der starklockige Meder, der es hat erfahren müssen.«

Aber die Großtaten gehören im Grunde gar nicht dem Einzelnen, sondern der Vaterstadt; diese, nicht Miltiades und Themistokles, hat bei Marathon und Salamis gesiegt, und Demosthenes findet dann ein Zeichen des Verfalls darin, daß jetzt Viele sagen, Timotheos habe Kerkyra genommen, und Chabrias habe bei Naxos die Feinde geschlagen. Jedenfalls hat auch der Verdienstvollste der Heimat mehr zu danken, als diese ihm65. Und wem die Heimat Unrecht getan, der soll ihr begegnen wie einer Mutter in solchem Falle. So lehrte Pythagoras.

Außer dem Siege, welcher für die Heimat mit äußerster Aufopferung erkämpft werden muß, wird derselbe bei den großen Dichtern auch ein Gefühl der höchsten Begeisterung wie eine Gabe dargebracht. Namentlich gestattet die griechische Denkweise derartige Gebete für das Wohl einer einzelnen Stadt, wie das Christentum als Weltreligion sie nicht mehr gestatten würde, weil es des Menschengeschlechts als eines Ganzen eingedenk sein muß. In den »Schutzflehenden« häuft das prachtvolle Chorlied[75] der Danaiden66 auf das gastliche Argos jeden denkbaren Segen im Überfluß; das Beste aber hat Aeschylos seiner eigenen Vaterstadt gegönnt, in dem letzten großen Chorgesang der »Eumeniden« mit den Zwischenreden der Athene. Nur einer in der alten Welt hat noch gewaltigere Töne dieser Art anzustimmen vermocht; Aeschylos wünscht und betet; Jesaias in seiner Vision des künftigen Jerusalems (Kap. 60) weissagt und schaut das Geweissagte schon als ein Vollendetes.

Die Polis hat ferner eine erziehende Kraft; sie ist nicht nur »die beste Amme, die früher euch als Knaben, welche spielten auf dem weichen Grund, treu hegte und pflegte und keine Last der Wärterin versäumte,« sondern sie erzieht den Bürger sein Leben lang. Sie hält zwar keine Schulen, wenn sie auch den herkömmlichen gymnastischen und musischen Unterricht begünstigt, auch mag hier des vielseitigen Bildungsstoffes noch nicht näher gedacht werden, welcher durch die Chorgesänge der Feste, durch den reichen Kultus, durch Bauten und Kunstwerke, durch das Drama und durch die Rezitationen von Dichtern der ganzen Bürgerschaft von selbst entgegenkam. Wohl aber galt als eine fortwährende Erziehung das Leben im Staat selbst mit seinem Regieren und Gehorchen, und ganz besonders stark lenkte die Polis in den bessern Zeiten ihre Leute durch die Ehren, welche sie dem Einzelnen erweisen konnte, bis auch hier der Mißbrauch überwog und die Klügern gerne auf die betreffenden Kränze, Heroldsrufe usw. verzichteten. Endlich erschien die ganze bisherige Geschichte einer ruhmvollen Stadt als eine der stärksten Anleitungen zur Trefflichkeit: nirgends, sagt Xenophon67, hat man größere und zahlreichere Taten der Vorfahren aufzuweisen als in Athen, und Viele, hievon erhoben, suchen dann sich der Tugend zu widmen und stark zu werden.

So ist die Polis, im Lebensgrad noch über die phönizische Stadtrepublik beträchtlich hinaus entwickelt, ein ganz eigenes Produkt der Weltgeschichte. Sie ist die Darstellung eines Gesamtwillens von höchster Tätigkeit und Tatfähigkeit, indem sie ja nur im Sinne der Tat, der Machtübung, der Leidenschaft aus dem Dorfleben herausgetreten ist; daher sie streng sein muß in der Definition des Aktivbürgers, der ja ein Teil von dieser Kraft sein soll.

Solche Poleis kennen eine ganz andere Sorte von Glück und Unglück als die Städte anderer Völker und Zeiten, und selbst die lebendigsten Stadtrepubliken des Mittelalters reichen nur momentan an diesen Grad des Lebens und Leidens.

Hieraus erklärt sich aber auch ihre Gewaltsamkeit. Nach außen ist die Polis trotz aller Bündnisse usw. in der Regel isoliert und oft in Lebenskonkurrenz[76] mit den nächsten Nachbarn, im Kriege aber herrscht ein schreckliches Kriegsrecht.

Im Innern wird sie dem Einzelnen höchst furchtbar, sobald er nicht völlig in ihr aufgeht. Ihre Zwangsmittel, von denen sie ausgiebigen Gebrauch macht, sind Tod, Atimie und Exil. Und zwar gibt es, von dem besonderen Falle abgesehen, daß Athen die Prozesse seiner Hegemoniestädte vor seine Tribunale zog, keine Appellation an eine auswärtige Instanz mehr; sie ist völlig unentrinnbar, da ein Entrinnenwollen den Verzicht auf alle Sicherheit der Person in sich schließt. Mit der Staatsallmacht aber geht der Mangel an individueller Freiheit in jeder Beziehung Hand in Hand. Kultus, Festkalender, Mythen – Alles dies ist einheimisch; so ist der Staat zugleich eine mit dem Rechte Asebieklagen anzustrengen ausgestattete Kirche, und dieser vereinigten Macht erliegt der Einzelne vollständig. Mit Kriegsdienst gehört er der Polis leiblich in Rom bis zum sechsundvierzigsten Jahre, in Athen und Sparta lebenslang; mit seiner Habe hat sie ihn völlig in der Gewalt und kann auch schon für mancherlei Güter die Werte bestimmen. Kurz, gegenüber der Polis und ihren Interessen fehlt jede Garantie von Leben und Besitz. Und zwar besteht diese Staatsknechtschaft des Individuums unter allen Verfassungen, nur wird sie unter der Demokratie, als sich die verruchtesten Streber für die Polis und deren Interesse ausgeben, d.h. den Satz salus rei publicae suprema lex esto in ihrem Sinne interpretieren konnten, am drückendsten gewesen sein. Die Polis hat sich also das Wenige von Sicherheit, was sie gewährte, möglichst hoch zahlen lassen68.

Wenn sich nun aber auch in den guten Zeiten das Höchste und Edelste, was in dem Griechen lebt, auf die Polis bezog, so war sie im Grunde seine Religion. Der Götterkult seinerseits hatte, wie sich zeigen wird, seine allerstärkste Stütze gegenüber von Fremdreligionen, Philosophien und andern auflösenden Kräften in seiner Wichtigkeit für die einzelne Stadt, welche ihn genau und vollständig aufrechtzuhalten hatte, und die wichtigern Kulte waren vorwiegend geradezu Staatssache. Während also die Polis schon eine Religion ist, enthält sie die übrige Religion noch mit in sich, und schon die Gemeinsamkeit der Opfer und Feste bildete ein sehr starkes Band unter den Bürgern, auch abgesehen von Gesetzen, Verfassung und öffentlichem Verkehr. »Weil aber der Staat dies alles bietet und allein zu bieten vermag, so erhellt aufs Deutlichste, warum der Grieche keine Kirche bedarf, warum er, um in seiner Weise Frömmigkeit zu üben,[77] bloß ein guter Bürger zu sein braucht, warum von hierarchischen Bestrebungen keine Rede sein kann, warum die höchste Kultusbehörde (in Athen), der Archon Basileus, ein Staatsbeamter ist, warum es endlich nicht nur gegen die Bürgerpflicht, sondern sogar gegen die Glaubenstreue verstößt, andern als den vom Staat anerkannten Formen der Gottesverehrung sich hinzugeben69

Als es dann mit der Polis anfing bergunter zu gehen, genügt ihr auch der Kult der Götter, selbst der in besonderm Sinne »stadthütenden Götter« und Heroen nicht mehr und sie vergötterte sich selbst als Tyche mit der Mauerkrone. Den Übergang bezeichnet hier merkwürdig deutlich ein Wort Pindars70. Er redet die Tyche, welche eine der Personifikationen der Moira, des Schicksals, ist, noch in dieser allgemeinen Eigenschaft an, bittet sie aber um Gunst für eine besondere Stadt: »Ich flehe, o Tochter des befreienden Zeus, umschwebe das kräftige Himera, rettende Tyche! Du beherrschest auf dem Meere die schnellen Schiffe und zu Lande die reißenden Heereskämpfe und die ratbringenden Agoren.« Noch im V. Jahrhundert aber wird der Kultus der als Tyche idealisierten einzelnen Stadt bald da, bald dort begonnen haben, mit eigenem Tempel und mit bisweilen kolossalem Bilde. Letzteres unterschied sich von der frühern allgemeinen Tyche mit Polos und Füllhorn, wie sie einst Bupalos für die Smyrnäer gebildet71, durch die Mauerkrone und durch irgend ein für den Ort charakteristisches Attribut. Die herrlichsten Gestalten sind bei solchem Anlaß entstanden, und auch noch späte Arbeiten, welche wohl die Wiederholung von ältern waren, würden Entzücken erregen, wenn man sie wieder auffände, wie z.B. jeneA15 Reihe von Erzbildern vor den Säulen des hadrianischen Olympieions in Athen, welche lauter Tychen der athenischen Kolonien darstellten72. Vielleicht war das Tychaion zwar nicht der größte, aber oft einer der zierlichsten Tempel einer Stadt, und noch ein später Rhetor entwirft das sehr reiche Gedankenbild eines solchen73.

Inzwischen hatte auch die Tyche nicht mehr genügt, indem die in den meisten Städten siegreiche Demokratie sich es nicht versagen konnte, ihre unterlegenen Gegner dadurch zu kränken, daß sie sich selbst als Demos idealisieren ließ. Und dies ebenfalls bisweilen kolossal, wie z.B. in dem Standbild auf der Agora zu Sparta74, welches nur in der jämmerlichsten[78] Zeit dieses Staates entstanden sein kann. Da man diesen Demos in derjenigen Gestalt zu bilden pflegte, welche sonst dem sogenannten »guten Dämon« eigen war, so konnte ihm auch ein wirklicher Kultus erwiesen werden. – Zu all diesen Vergötterungen würde weiter nichts gehört haben als die Gewißheit eines beständigen Glückes; es wird nicht gemeldet, mit welchen Augen man solche Bildwerke ansah, wenn Alles darniederlag75.

Als ideales Ganzes schaut sich aber die Polis noch in einem andern Sinne und in anderer Gestalt, nämlich in ihrem Nomos, unter welchem Ausdruck bekanntlich Gesetze und Staatsverfassung zusammenbegriffen sind. Er ist das höhere Objektive, welches über allem Einzeldasein, allem Einzelwillen waltet und sich nicht, wie in der neuern Welt, damit begnügt, das Individuum zu beschützen und zu Steuern und Kriegsdienst anzuhalten, sondern die Seele des Ganzen zu sein begehrt. In den erhabensten Ausdrücken werden Gesetz und Verfassung gepriesen, als Erfindung und Gabe der Götter, als Charakter der Stadt, als Hüter und Bewahrer jeglicher Tugend. Sie sind die »Herrscher der Städte« und Demaratos, der Spartiate, sucht dem Xerxes begreiflich zu machen, daß seine Landsleute den Herrscher Gesetz (δεσπότης νόμος) mehr fürchten, als die Perser ihren Großkönig76. Insbesondere sollen die Behörden laut Platos Ausdruck, Sklaven des Gesetzes sein. Der Gesetzgeber erscheint daher wie ein übermenschliches Wesen, und vom Ruhm eines Lykurg, Solon, Zaleukos, Charondas ging dann noch ein Reflex auf viel spätere Leute über, so daß z.B. noch gegen das Jahr 400 v. Chr. der syrakusische Gesetzesredaktor Diokles nach seinem Tode heroische Ehren und sogar einen Tempel erhielt77.

Der Nomos soll nun vor allem nicht den vorübergehenden Interessen und Stimmungen der Einzelnen oder der zufälligen Mehrheiten folgen; man rühmte wenigstens in der Theorie sehr das Beibehalten alter Gesetze, ja in dem, was vielleicht schon seit Gründung einer Stadt gegolten, in Brauch und Sitte78 erkannte man die Grundkraft, von welcher die Gesetze nur der Ausdruck seien. Und selbst mangelhafte Gesetze schienen, wenn sie nur streng beobachtet wurden, eher einen sichern Zustand zu verbürgen, als das Ändern79. So meinte ja auch Alkibiades am Schluß seiner großen Rede, in welcher er den Zug nach Sizilien angepriesen80. Ja[79] in einigen Staaten mußten schon die Knaben die Gesetze nach einer Melodie oder Kadenz auswendig lernen81, nicht bloß um sich dieselben einzuprägen, sondern damit die Gesetze um so viel unabänderlicher würden. Nomos hat ja den Doppelsinn Gesetz und Melodie.

Andererseits jedoch erfährt man aus alter, nicht erst spät anekdotischer Kunde82, daß schon Solon, als er nach vollbrachtem Werke zehn Jahre außer Landes ging, die Athener hatte durch hohe Eide binden müssen, sie wollten in seiner Abwesenheit nichts an seiner Gesetzgebung ändern. Und bald nachher machten sie die stärksten politischen Krisen durch und veränderten endlich seine Verfassung in eine völlig demokratische. Ähnlich ging es in vielen anderen griechischen Poleis, und auch die meisten Kolonien hatten trotz aller anfänglichen Gesetzgebung eine unruhige, ja stürmische Geschichte. In der vollendeten Demokratie ist dann die Revisionslust in Permanenz, und man kann dem Namen nach die Verfassung aufs Höchste ehren und preisen, zugleich aber durch unaufhörliches Hervorbringen von Volksbeschlüssen (Psephismen) sie aufs Stärkste verändern und durchlöchern. Es ist der Zustand, da nach dem Ausdruck des Aristoteles83 nicht mehr das Gesetz, sondern die Menge (πλῆϑος) herrscht.

Die griechische Staatsidee nämlich, mit ihrer völligen Unterordnung des Einzelnen unter das Allgemeine, hatte, wie sich zeigen wird, zugleich die Eigenschaft entwickelt, das Individuum auf das Stärkste vorwärts zu treiben. Diese ungeheuern individuellen Kräfte hätten sich nun, laut der idealisierenden Anschauung, völlig im Sinne des Allgemeinen ausgebildet; sie wären dessen lebendigster Ausdruck geworden; Freiheit und Unterordnung wären harmonisch in Eins verschmolzen gewesen. In Tat und Wahrheit ist vor allem die griechische Freiheit zunächst dahin zu modifizieren, daß die Polis, wie gesagt, unentrinnbar war; nicht einmal in die Religion konnte der Einzelne vor ihr fliehen, denn auch diese gehörte dem Staat, und ohnehin war man nicht sicher, daß die Götter gut und barmherzig seien. Die Hochbegabten aber, weil sie dableiben und aushalten mußten, bemächtigten sich nach Kräften der Herrschaft im Staate. Im Namen der Polis regieren hierauf Individuen und Parteien. Die jedesmal herrschende Partei benimmt sich dann völlig so, als ob sie die ganze Polis wäre und deren ganzes Pathos auszuüben das Recht hätte.

Wer sich aber im Altertum zur Herrschaft berechtigt glaubt oder sie auch nur begehrt, der erlaubt sich gegen den Gegner oder Konkurrenten[80] sogleich das Äußerste, die Zernichtung. Wie deutlich man einander das unter politischen Feinden gesagt hat, wird weiterhin zu erörtern sein, bisweilen hat aber die Poesie an scheinbar gleichgültiger Stelle diese Denkweise als eine selbstverständliche ausgeschwatzt. Man verfolge z.B. im »Ion« des Euripides die Reden des Pädagogen, welcher die Kreusa zur Ermordung des Xuthos und des Ion anzutreiben sucht84, und frage sich, ob in einem neuern Drama ein verbrecherischer Charakter sich im Namen der Herrschaft prinzipiell so vor Andern85 aussprechen dürfte. Alle politischen Strafen, so schuldig der Unterlegene an sich gewesen sein mag, haben in diesen Poleis das Wesen der Rache und des unbedingten Fertigmachens an sich. Wir werden sie kennen lernen, wenn von Verbannten oder Getöteten nicht nur die Kinder mitgestraft werden, sondern gewissermaßen auch noch die Vorfahren, indem man die Gräber der betreffenden Familien verwüstet86. Die Hellenen glaubten klar zu sein über die Alternative: entweder wir zernichten jene, oder jene uns, und handelten dann unerbittlich demgemäß. Bezeichnend ist aber für sie das Feierliche an solchen Terrorismus. Daß z.B. Tyrannenmörder, wenn sie das Leben davonbrachten, aufs Höchste geehrt wurden und nach ihrem Tode Denkmäler und Kultus erhielten, gibt als etwas Allbekanntes nicht mehr viel zu denken. Die Folge davon aber war z.B., daß ganz unberufene und obskure Mörder eines Menschen, der nachträglich als Schurke und Verräter erkannt worden war, wie in Athen (411 v. Chr.) Phrynichos, als öffentliche Wohltäter die Aufnahme in das Bürgerrecht, die öffentliche Bekränzung an den großen Dionysien und dgl. erhielten; Andere, die sich bei der Tat hilfreich beteiligt, bekamen wenigstens ehrenvolle Nennung ihres Namens auf dem errichteten Denkpfeiler und weitere Belohnungen87. Die herrschende Partei will mit dergleichen lange nicht bloß etwa noch vorhandene Feinde einschüchtern, ihnen einen möglichsten Verdruß bereiten, sondern vor allem ihrem eigenen Triumph ein recht pathetisches Ansehen geben. Die Täter werden gefeiert, gleichviel welches ihre Motive und ihre Persönlichkeit gewesen.

Da die Polis das Höchste und die eigentliche Religion der Hellenen ist, so haben die Kämpfe um sie auch die volle Schrecklichkeit von Religionskriegen, und jeder Bruch mit ihr hebt das Individuum aus allen Fugen. Da wird denn der Bürgerkrieg bejammert als der scheußlichste,[81] schlimmste, gottloseste und Göttern und Menschen verhaßteste aller Kriege88, allein den Frieden brachte eine solche Erkenntnis nicht. In mancher Polis war und blieb die jedesmalige Verfassung eine mit allen Schreckensmitteln aufrecht gehaltene Orthodoxie. Daß man die Fiktion vom unbedingten Bürgertum höher gespannt hatte, als die menschliche Natur auf die Länge erträgt, durfte einstweilen Niemand laut sagen, aber die heimliche, innerliche Abwendung der Fähigen, welche allmählich eintrat, war nicht zu beseitigen, und mit der Zeit fehlten auch diejenigen nicht, welche sich sehr laut und mit offenem Trotz dazu bekannten. Die philosophische Ethik folgte dann nach, indem sie ihre frühere Verflechtung mit dem Staat aufgab und eine allgemein menschliche wurde, und bei Epikur und seiner Schule ist die Polis, entblößt von aller fieberhaften Vergötterung, nur noch ein Sicherheitsvertrag Aller mit Allen. Die wirklichen Poleis aber, zerrüttet wie sie waren, fuhren nach Kräften fort auf dem Wege der Gewaltsamkeit. Eines konnte man nicht: die Autonomie an eine andere Stadt, an einen größeren Sammelstaat, an einen Fürsten aufgeben; es sollte sich weiterhin zeigen, unter welchen furchtbaren Leiden die Polis um jeden Preis weiterzuleben suchte. »Ein schuldiger, einzelner Mensch,« sagt Isokrates89, »stirbt vielleicht, bevor ihn die Vergeltung erreicht, die Poleis aber mit ihrem Nichtsterbenkönnen (ἀϑανασία) müssen die Rache der Menschen und der Götter ausdulden.«


Fußnoten

1 Über die Ansichten Fustels de Coulanges s. Nachtrag 9.

2 Dies laut indirektem Schluß aus Herodot, V, 69.

3 Dies offenbar bei Euripid. Jon 1580; auch Herodot hat sie V, 66.

4 Strabo VIII, 7, 1 unterscheidet die Phylen ausdrücklich von Berufsarten; Jon teilte zuerst die Menge εἰς τέτταρας φυλὰς dann erst (εἶτα) εἰς τέτταρας βίους, nämlich γεωργοὺς, δημιουργοὺς, ἱεροποιοὺς und φύλακας.

5 Anderswo sagte man κατὰ δήμους. Pausan. VIII, 45, 2. Vgl. Aristot. Poet. III, 6.

6 Für das Gebiet von Megara sagt es Plutarch Quaest. Graec. 17; dasselbe bestand aus fünf Gemeinden, wovon die Megarer nur eine waren. Für die Landschaft von Tanagra ebd. 37.

7 Wie man sich das »Vierdorf« (τετρακωμία) von Eleon, Harman, Mykalessos und Pharä in Böotien (Strabo IX, 2, 14, p. 405) in betreff seiner gemeinsamen Verfassung zu denken habe, mag auf sich beruhen.

8 Diodor V, 6.

9 Plut. Quaest. Graec. 13 u. 26.

10 Der arglistige Erwerb einer Erdscholle zur Begründung des Anspruchs auf eine ganze Landschaft kommt in einer Anzahl von Varianten auch bei andern Völkern vor. Ein Beispiel, welches besonders die Heftigkeit der nachherigen Reue betont, Plut. Quaest. Graec. c. 22. Ferner die Anekdote bei Pluttarch Proverbia Alexandr. 48: Der aus Korinth vertriebene Aletes (der Irrende) bittet auf dem Felde einen Hirten um etwas Nahrung, und der Hirt, offenbar aus Hohn, reicht ihm aus seiner Tasche eine Erdscholle; jener nahm es zu guter Vorbedeutung an und sagte: δέχεται καὶ βῶλον Ἀλήτης, mit welchem geheimen Gedanken, ist leicht zu erraten.

11 Im III. Jahrh. v. Chr. wurden die Aenianen vertilgt durch die mit Athamanen u. Akarnanen verbündeten Aetoler. Strabo IX, 4, 11, p. 427.

12 Herodot I, 145. Strabo VIII, 7, 4, p. 386.

13 Von einem großen Volksreichtum in der ältern Zeit hat Strabo eine Ahnung, z.B. bei Anlaß von Achia VIII, 7, 5, p. 386.

14 Statt aller Aussagen Thukyd. II, 15. Er sagt ausdrücklich, daß die Athener seit den frühesten Zeiten mehr als andere (Griechen) auf dem Lande lebten.

15 Strabo VIII, 3, 2, p. 336 f.

16 Thukyd. III, 2 f.

17 Laut Diodor XIII, 75 siedelten sie wirklich über (μετῳκίσϑησαν). – Vgl. Strabo XIV, 2.

18 Diodor XII, 34. – Xenoph. Hellen. V, 2, 12.

19 Diodor XV, 94. Vgl. Pausan. VIII, 27, 1-5, IX, 14, 2.

20 Strabo VIII, 8, 1, p. 388 datiert von da an den Anfang der Verödung Arkadiens. Vgl. über diese Synoikismen noch Nachtrag 10.

21 Sie heißen später πολίχνια, χῶραι oder κῶμαι der betreffenden Stadt. Hatten sie bisher Mauern gehabt, so wird man ihnen dieselben wahrscheinlich niedergelegt haben.

22 Μυρίανδρος πόλις. Wie sich zeigen wird, galt eine Zahl von 10000 Wehrfähigen oder Vollbürgern als das wünschenswerteste Mittelmaß für eine Stadt.

23 Diodor XI, 49.

24 Strabo XIII, 1, 59, p. 611.

25 Strabo XIII, 1, 52, p. 607 bei Anlaß der Skepsier. Strabo notiert auch häufige Verlegungen von Städten: eine Stadt lag früher dort und jetzt liegt sie da. Vermutlich geschah dies meist aus Erkenntnis einer bessern Lage, aber wohl auch durch Auszug eines Teils der Bürger wegen Unfrieden, διὰ στάσιν, wie die von Kos taten (XIV, 2, 19, p. 657). Solche mußten nur kräftig genug sein, um den Namen der Stadt mit sich hinüberzunehmen.

26 Vgl. Jacobus de Aquis, Imago mundi, in Historiae patriae monum. scriptt., Tom III, Col. 1569, 1605, 1614, chronologisch zum Teil sehr unordentlich.

27 Pausan. IX, 14, 2 und X, 3, 2. Mantinea wurde dann nach Leuktra wieder zu einer Polis gesammelt.

28 Pausan. IX, 26, 5.

29 Aelian V.H. XII, 28. Für Theben Pausan. IX, 17, 1 das Grab der Töchter des Antipoinos.

30 Jamblich. Vita Pythag. c. 9.

31 Pausan. IX, 33, 3.

32 Plut. Parall. c. 5.

33 Plut. VII sapient. conviv. 20.

34 Polyän. VI, 53.

35 Pausan. VIII, 47, 4.

36 Wenn dem Pausanias Damascenus bei Dindorf, Historici Graeci minores I, 156. 160 zu trauen ist.

37 Suidas s.v. Herodot.

38 In manchen Städten, zumal Kolonien befand sich auf der Agora das Grabmahl oder wenigstens die Statue des Gründers (κτιστής).

39 Talvj, Volkslieder der Serben I, 78.

40 Diog. Laert. IX, 20.

41 Das ϑέητρον in Sparta, Herodot VI, 67, ist nur im allgemeinen als Schauplatz zu verstehen.

42 Polit. VII, 10 f.

43 Il. XI, 807. Sie lag in der Nähe der Schiffe des Odysseus, welche laut Vers 5 f. die Mitte von allen einnahmen.

44 Odyss. VIII, 4.

45 Herodot III, 137.

46 Herodot III, 139.

47 Herodot IV, 78.

48 Herodot I, 153, auch sonst eine belehrende Stelle.

49 Zu den nicht seltenen Aussagen, welche dies betonen, gehört auch die hübsche Stelle Lucian, Anars. 20, wo Solon spricht.

50 Odyss. XI, 14.

51 Aristoph. Aves, 550.

52 κοινωνία τῶν ἐλευϑέρων, Polit. III. 4.

53 Odyss. IX, 112.

54 Polit. VII, 15. – Wie es in Sparta gehalten wurde, s. Plut. Lykurg 16.

55 Aelian. V.H. II, 7.

56 Polit. VII, 4.

57 Strabo XIV, 5, 19, p. 676 nennt in Cilicien, am issischen Busen, eine Stadt, welche den Namen Myriandros hatte. Vielleicht war sie gegründet worden mit dem Wunsche, daß wenigstens diese Zahl von Bürgern erreicht werden möchte.

58 Vgl. Anm. 1 zu S. 70 und Diodor XII, 59.

59 Aristot. Polit. II, 5.

60 Im Grunde hat C.F. Hermann Staatsaltert. § 51 kurz und vortrefflich erschöpft, was sich kaum besser sagen läßt.

61 Τὸ γὰρ ὅλον πρότερον ἀναγκαῖον εἶναι τοῦ μέρους. Aristot. Polit. I, 1. Aus diesem und den folgenden Kap. ist auch das Folgende zum Teil entnommen.

62 Auch von dieser Anschauung zeugt in später Zeit ein hübscher kleiner Aufsatz des Lucian, Patriae encomium.

63 Nicht alles indes geschah freiwillig; die meisten alten Gesetzgebungen bestraften die Entziehung vom Kriegsdienste mit dem Tode. Diodor XII, 16.

64 Bergk, Anthol. lyr. p. 94. Vgl. was dem Aeschylos von Aristophanes in den Mund gelegt wird. Ranae 1004 ff.

65 Man vgl. jedoch die sehr vernünftige Antwort, welche Themistokles einem Manne von Seriphos gab, der ihm gesagt hatte, er sei nicht durch sich, sondern durch Athen berühmt: »Allerdings, aber ich als Seriphier wäre nicht berühmt geworden und du nicht als Athener.«

66 Aesch. Suppl. 624 ff.

67 Xen. Memorab. III, 5, 3.

68 Vgl. Fustel de Coulanges »la cité antique« p. 226 ff. und besonders 265 ff. (Der Verf. fand nur, daß auch in diesen Kapiteln Fustel alles, – besonders alle Art von Ausschließlichkeit – zu sehr aus der Religion erkläre, während der griechische Eoigsmus dazu hinreiche.)

69 Dies die treffenden Worte Nägelsbachs, Nachhomerische Theologie, S. 293.

70 Der Anfang von Olymp. XII.

71 Pausan. IV, 30, 3 f.

72 Pausan. I, 18, 6.

73 Waltz, Rhetores Graeci I, 408 (Nikolaos, aus dem 5. Jahrh. n. Chr.).

74 Pausan. III, 11, 8.

75 Wessen Züge die Tyche bisweilen vorstellte, ist oben S. 68 erzählt worden.

76 Herdoto I, 104.

77 Diodor XIII, 35.

78 Mit diesen uralten, ungeschriebenen ἔϑη statt der Gesetze begnügten sich einfachere Völker. So die Lycier, Heraclid. Pont.

79 Aristot. Polit. IV, 6, 3.

80 Thukyd. VI, 18, 7.

81 So auf Kreta, s. Aelian. V.H. II, 39. Bekanntlich gehörten jedoch die Staaten von Kreta politisch zu den verrufensten.

82 Herodot I, 29.

83 Polit. IV, 4.

84 Euripid. Jon. 846, 1040 ff. Ein herbes Wort auch aus Jons Munde: 1334.

85 Und nicht etwa in einem bloßen [fehlt bei Oeri] Monolog.

86 Isokrates or. XVI, περὶ τοῦ ζεύγους Kap. 26: Wenn Phokion, den Schierlingsbecher am Munde, den Sohn mahnen ließ, den Athenern nichts nachzutragen, so ist dies nicht unbedingt Folge seines Seelenadels, sondern er will den Sohn vor weiterer Verfolgung retten.

87 Lysias, or. XIII, adv. Agorat. § 72.

88 Xenoph., Hist. Graec. II, 4, 22, in der Rede des Weihen-Heroldes Kelokritos.

89 Isokr., de pace p. 183 d.


Anmerkungen: A1 Statt: Polis. A2 Fehlt bei Oeri. A3 Statt: Anspruch. A4 Statt: Einrichtung. A5 Statt: werden. A6 Statt: Felle. A7 Statt: der A8 Statt: ausdrücklich an sie geknüpft. A9 Fehlt bei Oeri. A10 Statt: bestand. A11 Statt: auch öfter schon. A12 Fehlt bei Oeri. A13 Statt: die. A14 Statt: dem. A15 Statt: eine.

Quelle:
Jakob Burckhardt: Gesammelte Werke. Darmstadt 1956, Band 5.
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