1. Zu den Metamorphosen S. 7-19. Zur Verwandlung in Gewässer (S. 10 f.) ist nachzutragen, daß nach Hygin (fab. 7) der Dirkequell auf dem Kithäron aus dem Blute der getöteten Dirke entstanden ist. – Nach Apollodor ferner (III, 12, 6) trifft Zeus einen Flußgott, der als Mensch eine Familie gegründet hat und ihn wegen einer verführten Tochter verfolgt, mit dem Blitzstrahl und sendet ihn in seine eigenen Fluten zurück, d.h. er macht ihn wieder zum Fluß. Daher führt dieser Fluß (Asopus, aber welcher?) noch bis heute Kohlen. – Noch nicht Metamorphose ist es, wenn ein schon vorhandener Fluß einen neuen Namen erhält, nämlich den eines menschlichen Wesens, das sich aus Verzweiflung, namentlich wegen unglücklicher oder verbrecherischer Liebe, hineingestürzt hat. Hiervon findet sich bei Plutarch de fluviis eine Menge von Beispielen. Öfter erfolgt die SacheA1 bei dem nämlichen Fluß zweimal zu verschiedenen Zeiten, womit die Idee der Metamorphose im Grunde ausgeschlossen ist. Mehrmals entsteht der neue Name »auf Anordnung der Götter«. – Nur eine momentane Metamorphose ist die in der nämlichen Schrift (24, 1) erzählte Verwandlung des Dionysos in den Fluß Tigris, eine echte dagegen (10, 1) die Entstehung der Satyrn und des Flusses Marsyas aus dem strömenden Blute des von Apollo geschundenen Marsyas. – Einmal (18, 3) wird erzählt, wie ein menschgewesener Fluß durch Götterrache ausgetrocknet wird: Inachos hatte den Zeus wegen Entführung der Io gescholten und wurde dafür durch den Blitzstrahl des Zeus trocken. Man fragt sich, ob er vielleicht schon durch den Zorn des Zeus zum Flusse geworden sei.
Zu S. 11 f. Auch die Metamorphose in Berge kommt bei Plutarch de fluviis mehrfach vor. Noch ist es keine solche, sondern eine bloße Umnennung, wenn der Berg Karmanorion den Namen Tmolos durch einen Sohn des Lyderkönigs Tmolos erhält, der dort durch Götterzorn umgekommen ist (7, 5). – Schon etwas mehr der Metamorphose genähert sind die Fälle, da die Umnennung »auf Anordnung der Götter« geschieht; so beim Berge Myenon in Ätolien (8, 3) und beim Sipylos (9, 4). – Eine wirkliche Verwandlung in einen Fels ist es, wenn (22, 4) erzählt wird,[396] Kalydon, der die Artemis im Bade erblickt hatte, sei zum Fels geworden (τὴν μορφὴν τοῦ σώματος μετέβαλεν εἰς πέτραν). Nur rückt die Aussage wieder durch den Zusatz, der bisher Gyron geheißene Berg sei durch Götterwillen nach ihm Kalydon genannt worden, in dieselbe Unbestimmtheit wie bei obigen Stellen. Dagegen hat Plutarch doch auch Beispiele von Verwandlungen in ganze Berge und nicht nur in einzelne Felsbildungen. Rache oder Strafe ist es zunächst, wenn die beleidigten Götter (11, 3) die Geschwister Rhodope und Hämus, die ineinander verliebt sind und sich Zeus und Hera nennen, in die gleichnamigen Berge verwandeln. Teils Gnade, teils Strafe ist die Verwandlung in folgender Sage (2, 3): Helikon und Kithäron sind ungleiche Brüder, Helikon mild und gegen die Eltern ehrerbietig, Kithäron gewaltsam und des Willens, das ganze Erbe an sich zu reißen; er mordet den Vater, stürzt den Bruder tückisch von der Höhe, fällt aber selber nach; durch Willen der Götter werden sie in die gleichnamigen Berge verwandelt; daher am Kithäron die Schreckensmythen, während der Helikon der Sitz der Musen ist. – Im alleinigen Sinn der Gnade verwandelt Selene (25, 4) einen ausschließlichen Verehrer, der sich damit den Haß der übrigen Götter und einen furchtbaren Untergang zugezogen, in den Berg Lilaion. – Das höchste Symbol des Schreckens ist die Versteinerung durch den Anblick des Gorgonenhauptes. Perseus versteinert jeden in der Stellung, die er gerade inne hat (Apollodor II, 4, 2 ὁποῖον ἕκαστος ἔτυχε σχῆμα ἔχων). – Zeigte, man seine Opfer, wie Kepheus, Prötos, Agenor usw., vielleicht als versteinerte Felsbildung vor, wie dies gewiß mit Lots Frau als Salzsäule geschah? (Vgl. auch Hygin, fab. 64.) – Was Niobe betrifft, so ist noch nachzutragen, daß sie in Apollodors Darstellung (III, 5, 6) die Versteinerung selbst als Gnade wünscht (Διὶ εὐξαμένη τὴν μορφὴν εἰς λίϑον μετέβαλε).
Zu S. 12 ff. Verwandlung in Tiere und Pflanzen. Während nach Apollodor (II, 1, 3) Zeus die Io, offenbar um sie zu retten, in eine Kuh verwandelt, erscheint die Verwandlung Aktäons in einen Hirsch (Apollod. III, 4, 4, Hygin, fab. 180, 181) als deutliche persönliche Rache, die noch dadurch gesteigert ist, daß die Hunde der beleidigten Artemis den Unglücklichen zerreißen müssen. Diese ist auch der Grund der Verwandlung der Jägerin Arge in eine Hindin, wodurch Helios ein vermessenes Wort bestraft (Hygin fab. 205). Rache der Aphrodite und des Zeus ist es auch, wenn Atalante und ihr Geliebter Milanion oder Hippomenes in ein Löwenpaar verwandelt werden (Apollod. III, 9, 2, Hygin, fab. 185).
Der Urtypus der Delphingeschichten (S. 14 f.) ist offenbar die Sage von Palämon-Melikertes, der nach dem Sprung ins Meer bei Megara, auf einem Delphin schlummernd, bei Korinth daherkommt. Die Hauptaussage über ihn hat der späte Philostratos (imag. I, 19; II, 16). Es wird dabei nicht gesagt, daß gerade dieser Delphin ein verwandelter Mensch sei,[397] wohl aber hat Philostratos bei diesem Anlaß zuerst die zu Delphinen gewordenen Seeräuber als gebessert und menschenfreundlich geworden überhaupt dargestellt, d.h. den homerischen Hymnus mit der Palämonsage kombiniert. – An die Möglichkeit solcher Facta wie die Rettung Arions durch den Delphin und an ihre Wiederholung glaubte das spätere Altertum. Plinius (H.N. IX, 8-10) gibt eine umständliche Sammlung von Geschichten zwischen Delphinen und Menschen, und Pausanias erzählt (III, 25, 5) als Augenzeuge: »Ich selbst habe in Poroselene (einer Insel zwischen Lesbos und dem Festland) den Delphin gesehen, welcher einem Knaben die Rettung verdankte, der ihn, als ihm die Fischer mit Hieben zugesetzt, heilte; er hörte nun auf des Knaben Ruf und trug ihn, wenn derselbe auf ihm reiten wollte.«
In Vögel (S. 15 f.) werden die den Meleager betrauernden Weiber (Apollod. I, 8, 3) und der Troer Aisakos, der seine Gemahlin durch den Tod verloren hat (ebd. III, 12, 5), – man fragt sich, ob freiwillig oder durch einen selbstverständlichen Hergang – bei bloßer Trauer verwandelt (ἀπορνεωϑῆναι). Von Prokne und Philomela heißt es (III, 14, 8), daß sie die Götter darum gebeten hätten, während vom Epops bloß die Tatsache erzählt wird. – Keyx und Alkyone sind nach Hygin (fab. 65) durch das Mitleid der Götter in Halcyonen verwandelt worden, nachdem jener in einem Schiffbruch untergegangen, diese sich ins Meer gestürzt, nach Apollodor (I, 7, 4) aber ist die Verwandlung eine Strafe, weil sie sich als Zeus und Hera betitelt hatten. – Aus Erbarmen endlich verwandelt Athene die von ihrem Vater Epopeus genotzüchtigte Nyktimene, die sich vor Scham in den Wäldern geborgen hat, in eine Nachteule (Hygin, fab. 204). – Von den S. 13 erwähnten Reihern der Diomedesinsel weiß Augustin, de civitate dei XVIII, c. 16, nach Varro zu berichten, daß sie mit ihren mächtigen Schnäbeln die Nichtgriechen sogar zu Tode hackten. Augustin hat für sie die Erklärung, es seien zwar nicht die in Vögel verwandelten Genossen des Diomedes, sondern diese seien entrückt und die Reiher an ihre Stelle gesetzt worden (subtractis credo fuisse suppositas), wie die Hindin für Iphigenia, dieses nämlich könnten die Dämonen. Sie hätten die Vögel aus einer andern Gegend nach der Insel gebracht, wo sie sich fortgepflanzt hätten.
An eine Rückverwandlung von Tier in Mensch (vgl. S. 16 f.) kann man bei der (äsopischen?) Fabel denken, auf welche Plutarch (Proverb. Alexandrin. 101) anspielt. Aphrodite verwandelt hier eine Katze in eine Frau, welche aber dann in ihrem safranfarbigen Chiton dennoch den Mäusen nachspringt. Doch ist die Geschichte auch symbolisch als Bild der Unveränderlichkeit des Charakters bei allen äußern Wandelungen zu verstehen.
Eine Metamorphose in die Pflanze (S. 16 f.) berichtet Strabo (VIII, 3,[398] 14, p. 344). Minthe, ein Nebenweib des Hades, wird, nachdem Kore sie mit Füßen getreten, in die κηπαία μίνϑη (Pfefferminz) verwandelt. Aus Mitleid dagegen wird (Hygin, fab. 138) Philyra von Zeus in eine Linde verwandelt. Sie hat diesen, nachdem sie, von Kronos (in Gestalt eines Rosses) beschlafen, den Kentauren Cheiron geboren hat, bei dem unerwarteten Anblick des Kindes um irgendeine Verwandlung angefleht (ut se in aliquam speciem mutaret).
Die weitere Ausdehnung des Verwandlungsglaubens im Volke führte dann dahin, daß an die Stelle der Gottheiten Hexen, besonders die thessalischen, traten und an die Stelle der dauernden Gattungsverwandlung wie bei der Lykanthropie eine vielleicht bloß zeitweilige, wofür das berühmteste Beispiel die Eselsgeschichte des Lucian und Apuleius ist. Bei Ptolemäus Hephäst. IV (Westermann, mythogr., p. 190) wird berichtet, in Tyrrhenien gebe es einen Ἁλὸς πύργος (sind hier wohl Pyrgi und Alsium vermischt?), so benannt von Hals, einer tyrrhenischen Hexe (φαρμακίς), welche Dienerin der Kirke gewesen und ihrer Herrin entlaufen war. Zu dieser, heißt es, sei Odysseus gekommen; sie verwandelte ihn durch ihre Zaubermittel in ein Pferd, das sie bei sich fütterte, bis es alt wurde und starb. Daher das WortA2 (Odyss. XI, 133) ϑάνατος δέ τοι ἐξ ἁλὸς αὐτῷ. – Augustin, nachdem er (de civ. dei XVIII, 17) von den Verwandlungen der Kirke und mit besonderem Detail von den in Wölfe verwandelten und dann wieder zu Menschen gewordenen Arkadern gesprochen hat, glaubt nicht völlig an solche Kraft der Dämonen (die immerhin gefallene Engel sind und unter Umständen wenigstens, was diese, können), Tiere in Menschen zu verwandeln. Doch wurde ihm in Italien behauptet, es gebe noch Gastwirtinnen (stabularias mulieres), welche Menschen in Pferde verwandeln könnten, wobei Apuleius als Parallele herangezogen wird. Eine mögliche Erklärung scheint ihm, daß man sich dergleichen nur in einem sehr festen Schlaf einbilde; er gibt eine genaue Relation von einem solchen, welcher als Pferd geglaubt hatte Militärproviant zu tragen (hier folgt noch eine nicht hierher gehörige merkwürdige Geschichte von Wirken in die Ferne, da ein fest Träumender einem andern körperlich erscheint, und hier glaubt Augustin, und vielleicht mit Recht).
Zu den »Sternbildern« (S. 18 f.). Für Menschen, Tiere und Dinge der Mythenwelt, welche ja sterblich oder vergänglich gewesen, will die Versetzung unter die Sternbilder am ehesten sagen, daß sie unsterblich, ja göttlich gemacht worden seien, wenn hier überhaupt von einer festen Bedeutung die Rede sein kann1. Mehrmals war es nicht einmal ganz sicher, wer gemeint sei, z.B. beim Schlangenhalter, der Jungfrau, dem Fuhrmann,[399] dem Wassermann usw. Mit andern Worten, die Phantasie, welche Sterne zu einem Bilde sammelte, war, wie man vermuten sollte, früher vorhanden als die mythologische Deutung. Der Ausdruck, fast ohne Ausnahme nur aus Quellen späterer Zeit zu entnehmen, läßt überall eine Gnade, Ehre oder Belohnung durch die Götter erkennen, und auch, wo es sich um Tiere handelt, sind es solche, welche sich um Götter verdient gemacht. Die Schlange z.B. ist durch Hera an den Himmel geraten, auf deren Gebot sie die goldenen Äpfel der Hesperiden gehütet hatte, bis Herakles sie erlegte; diesen aber (wörtlich sein εἴδωλον), unmittelbar an das Sternbild der Schlange stoßend, hat dann Zeus an den Himmel versetzt. Der Stier war derjenige, welcher die Europa durch die Fluten getragen; die Esel waren die des Dionysos und der Satyrn, und vor ihrem Gebrüll hatten einst die Giganten Reißaus genommen. Den Schwan brachte Zeus unter die Gestirne, als er in dieser Gestalt von irdischen Liebschaften her wieder in den Äther emporschwebt war, den Löwen als König der Tiere, den Adler, weil dieser ihm zugefallen, »als die Götter die Vögel unter sich verteilten«. Die Argo kam durch Athene, ihre Erbauerin, an das Firmament, damit die Seefahrer Mut faßten, und der Ruhm des Schiffes nie altern möchte (vgl. auch Hygin, fab. 14). Das Opferbecken (ϑυτήριον) ist dasjenige, über welchem die Götter schworen, als Zeus gegen Kronos aufbrach. Zum Andenken versetzten sie es an den Himmel. Nach Plutarch de fluviis (3, 4) wurde auf Wunsch Apollons auch die Lyra des Orpheus an den Himmel versetzt. – Vielleicht schon sehr alt ist die Deutung der Ursa major als Kallisto. Pausanias VIII, 3, 3 erzählt, Zeus habe Kallisto geliebt, und als Hera dies entdeckte, sie (offenbar um sie zu retten) in eine Bärin verwandelt. Artemis aber erschoß diese Bärin der Hera zu Gefallen. Darauf sandte Zeus den Hermes, um das Kind zu retten, mit dem sie schwanger war. (Die Ursa minor? oder eher den Arkas, welcher dann als Sohn der Kallisto auftritt?) Die Kallisto selbst aber verwandelte er in diejenigen Sterne, welche man den Großen Bären nennt. (Vgl. auch Apollodor III, 8, 2, Hygin, fab. 177, Pseudo-Hesiod Astronomica bei Kinkel, fragm. epic. Gr., p. 87 aus den Aratosscholien).
2. Zum Höhendienst S. 26 f. Preller, Mythol. I, 77 bespricht denselben nur bei Anlaß des Zeus und zitiert Herodot I, 131 über den Zeusdienst der Perser auf den höchsten Bergen, »indem sie den ganzen Kreis des Himmels Zeus nennen«, womit noch eher Mithra als Auramazda gemeint sein mag; laut Vorstellung des Zendavesta »setzt sich Mithra zuerst auf die Bergspitze« (vgl. Duncker, Gesch. d. Altert., I. Aufl. II, 362). Über den Höhendienst der heidnischen Kanaaniter s. Winer s.v. Berggötter und Höhen und Altäre.
Vor allem versteht sich das Besteigen der höchsten und steilsten Höhen, an welchen Griechenland keinen Mangel hat, nicht von selbst. Die[400] früheste Ideenassoziation, welche auf den Berghöhen den Sitz der Götter vermutete, mag daran gehangen haben, daß diese Höhen einstweilen unerstiegen waren. Die Sonne beschien sie mit ihren ersten Strahlen; von ihnen strömten Bäche und Quellen nieder, an ihnen sammelten sich die Gewitter.
Ein zweites Stadium war, daß man sie erstieg und ohne Zweifel sogleich dort opferte. Es waren wohl kühne Menschen, die sich dort zuerst hinaufwagten; sie konnten nicht wissen, wen sie oben treffen würden. Vom Athos glaubte man (Pompon. Mela II, 2), er sei so hoch, daß sein Gipfel über der Regenbildung liege; wenigstens fand man auf den dortigen »Altären« die Asche früherer Opfer noch unabgewaschen vor.
Schon dieser Plural zeigt nun, daß mehreren Göttern dort geopfert wurde, und in der Tat hatte Zeus auf den Höhendienst kein Alleinrecht. Auch den thessalischen Olymp hielt man gewiß schon sehr früh für den Wohnsitz aller Götter. Die meisten Bergaltäre aber galten ihm darum, weil er der Wetter- und Äthergott κατ᾽ ἐξοχήν war. Das Hauptbeispiel des Zeus-Höhendienstes ist der von Pausan. VIII, 38, 5 geschilderte Kult auf dem arkadischen Lykaion. Hier war zunächst der unzugängliche heilige Bezirk (τέμενος), wo die Tiere keinen Schatten warfen; dann kam auf dem obersten Gipfel eine Erdaufschüttung (γῆς χῶμα), nämlich der Altar des Zeus Lykaios, von wo aus man den größten Teil des Peloponnes übersah; vor derselben gegen Osten waren zwei vergoldete altertümliche Säulen (κίονες). Auf dem Altar aber brachte man dem Zeus Lykaios ein Geheimopfer (ἐν ἀποῤῥήτῳ) dar, über welches umständlich zu sein Pausanias nicht erwünscht (ἡδύ) ist. Vgl. auch das Verzeichnis der Zeusgipfel bei Preller I, 82 ff.
Vielleicht liegt noch ein anderer Wink zur Erklärung des Höhendienstes in einer zeitweilig stark vorherrschenden Sonnenreligion. Nach Eratosth. Katasterism. 24 ehrte Orpheus nicht den Dionysos, sondern hielt den Helios für den größten der Götter, den er auch Apollon nannte; er stand des Nachts auf und erwartete gegen Morgen hin auf dem Berge Pangaion den Aufgang der Sonne, ἵνα ἴδῃ τὸν Ἥλιον πρῶτον.
3. Zum Dämon Marc Aurels (S. 71 f.). Die angeführten Stellen aus der Schrift εἰς ἑαυτόν lauten folgendermaßen: II, 13 wird der Vielforscher getadelt, der in Welt und Mitmenschen alles ergründen will und nicht innewird, daß es genügt, nur bei dem Dämon seines eigenen Innern zu weilen und diesem würdig zu dienen (πρὸς μόνῳ τῷ ἔνδον ἐμυτοῦ δαίμο νι εἶναι καὶ τοῦτον γνησίως ϑεραπεύειν). Dieser Dienst besteht darin, daß man ihn (den Dämon) frei vom Affekt (πάϑος) bewahre und vom Nichtigen (εἰκαιότης) und von Unzufriedenheit wegen dessen, was uns von Göttern oder Menschen zustößt. – II, 17 (datiert aus CarnuntumA3): Gegenüber[401] von Hinfälligkeit alles Irdischen und Zeitlichen kann uns allein hindurchführen (durchhelfen, παραπέμψαι) die Philosophie. Diese besteht darin, daß man den Dämon seines Innern unmißhandelt und unverletzt (ἀνύβριστον καὶ ἀσινῆ) bewahre, den Genüssen und Leiden überlegen, nichts unbedacht (εἰκῇ) tuend und nichts mit Täuschung und Verstellung, unabhängig von allem, was andere tun oder nicht tun, alles, was geschieht und zustößt, so aufnehmend, als komme es von daher, von wannen er selbst gekommen ist, mit ruhigem Sinn gewärtig des Todes, der nichts als eine Auflösung der Elemente ist, aus welchen jedes lebende Wesen besteht. – Vom Tode, auch wenn er in das Nichts führen sollte, heißt es, III, 3: Du wirst wenigstens aufhören, einem so geringen Gefäß zu dienen. Wenn aber das bisher Dienende weiterlebt, so ist es Geist (νοῦς) und Dämon – Das andere ist Erde und Unreinigkeit (λύϑρος, sanies). – III, 4: Der nach dem Höchsten strebende Mensch ist ein Priester und Diener der Götter, indem er sich auch an das in seinem Innern Aufgerichtete hält (χρώμενος καὶ τῷ ἔνδον ἱδρυμένῳ αὐτοῦ, dieses Neutrum bezeichnet den Dämon), welches bewirkt, daß der Mensch sei unberührt von Lüsten, unverwundbar durch Leiden usw. – III, 6. Prädikate des Dämons: τοῦ ἐνιδρυμένου ἔν σοι δαίμονος, τάς τε ἰδίας ὁρμὰς ὑποτεταχότος ἑαυτῷ, καὶ τὰς φαντασίας ἐξετάζοντος, καὶ τῶν αἰσϑητικῶν πείσεων, ὡς ὁ Σωκράτης ἔλεγεν ἑαυτὸν ἀφειλκυκότος, καὶ τοῖς ϑεοῖς ὑποτεταχότος2 ἑαυτὸν καὶ τῶν ἀνϑρώπων προκηδομένου (der in dir selbst aufgerichtet ist und die eigenen Triebe sich selbst unterwürfig gemacht hat und die Vorstellungen prüft und sich von den sinnlichen Affekten, wie Sokrates sagte, losgerissen hat und sich den Göttern untergeordnet hat und für alle Menschen zu sorgen sucht). – III, 12. In einer Anweisung zum glücklichen Leben heißt es u.a.: Wenn du deinen Dämon in reinem Bestande (καϑαρὸν ἑστῶτα) bewahrst, als müßtest du gerade jetzt von ihm scheiden, wenn du dich diesem (τούτῳ statt τοῦτο zu lesen) anschließest. – III, 16. Von den drei Teilen des menschlichen Wesens haben wir die körperlichen Empfindungen (σώματος αἰσϑήσεις) auch mit den Tieren, die Triebe des Innern (ψυχῆς ὁρμάς) auch mit Verbrechern gemein, aber nur der Gute hat den Intellekt (νοῦς) zum Führer, so daß er, was ihm irgend zustößt, gutwillig aufnimmt, den in seiner Brust aufgerichteten Dämon nicht befleckt (φύρειν), noch verwirrt durch ein Gedränge von Phantasiebildern (ὄχλῳ φαντασιῶν), sondern gnädig bewahrt, indem er ihm fromm (κοσμίως) folgt wie einem Gotte. – V, 10. Die Stimmung des Auslebens bedarf nur zweierlei, nämlich die Überzeugung, daß nichts geschehen könne, als was der Natur des Alls gemäß ist, sodann: daß ich das Recht habe nichts zu tun gegen meinen Gott und Dämon (παρὰ τὸν ἐμὸν ϑεὸν[402] καὶ δαίμονα). Denn niemand kann mich zwingen, diesem zuwiderzuhandeln. – V, 27 (Hauptstelle): Mit Göttern lebt, wer ihnen beständig seine Seele zeigt als eine solche, welche mit dem Beschiedenen zufrieden ist, das tut, was der Dämon will, den Zeus einem jeden als Vorgesetzten und Führer, als einen Bruchteil von ihm selbst gegeben hat. Dieser ist der Intellekt und die Vernunft eines jeden (ὃν ἑκάστῳ προστάτην καὶ ἡγεμόνα ὁ Ζεὺς ἔδωκεν, ἀπόσπασμα ἑαυτοῦ. Οὗτος δέ ἐστιν ὁ ἑκάστου νοῦς καὶ λόγος, mens ac ratio). – VIII, 45: Nimm mich und wirf mich, wohin du willst, werde ich doch daselbst meinen Dämon gnädig gestimmt haben, d.h. als einen der sich damit begnügt, daß er erhält und wirkt, was seiner Anlage gemäß ist (ἀρκούμενον εἰ ἔχοι καὶ ἐνεργοίη κατὰ τὸ ἑξῆς τῇ ἰδία κατασκευῇ). – XII, 3: Wenn du von der obersten Kraft alles absonderst, was ihr von Gemeinschaft mit dem Leibe und von Zukunft und Vergangenheit anhängt ... und nur das, was du lebst, d.h. die gegenwärtige Zeit, zu leben beflissen bist, dann magst du deinen Rest von Leben in Ruhe und Würde und im Frieden oderA4 Einklang mit deinem Dämon hinbringen (ἀπράκτως καὶ εὐγενῶς καὶ ἱλέως τῷ σαυτοῦ δαίμονι διαβιῶναι).
4. Zum griechischen Götterglauben S. 211. Xenophon im Ἱππαρχικός (IX, 7 ff.) äußert sich nach Aufzählung aller möglichen militärischen Einrichtungen folgendermaßen: »Dies alles kann wohl geschehen, wenn die Götter mit wollen. Wundert sich jemand, daß so oft (bei mir) geschrieben steht σὺν τῷ ϑεῷ πράττειν (mit Gott handeln), so möge er wohl wissen, daß er sich weniger wundern wird, sobald er häufiger wird in Gefahr gewesen sein, und sobald er überlegtA5, daß im Kriege einander die Parteien mit Nachstellung zusetzen, während nur selten die einen die Nachstellung der andern kennen. Vollends, wer mit wem Rat gepflegt (sich militärisch verabredet), ist ohne Götter unmöglich ausfindig zu machen. Diese aber wissen alles und künden, wem sie wollen, alles an, sowohl durch Opferzeichen, als durch den Vogelflug, als durch sonstige Offenbarungen (φῆμαι), als durch Träume. Begreiflicherweise aber werden sie ihren Rat eher denjenigen spenden wollen, welche nicht bloß bei (dringendem) Bedürfnis sie befragen, was zu tun sei, sondern auch im Wohlergehen ihnen nach Vermögen dienen (ϑεραπεύειν)«. – Wenn hier der Krieger und besonders der Anführer ebenso wie Jäger, Seefahrer usw. einenA6 besondern Grund zum Götterdienst hat (obwohl es gerade etwa zu Xenophons Zeit unter athenischen Offizieren damit am wenigsten gut mag bestellt gewesen sein), so ist doch höchst belehrend, daß auch der andächtige Xenophon den Göttern keine Lenkung der Schicksale, sondern nur das Wissen und dessen Mitteilung an die Menschen zutraut. Fromm ist auch[403] der Schluß von Xenophons Κυνηγετικός. Bei seiner Parallele des Jägers mit dem Stadtpolitiker findet er, daß der erstere rüstig sei und bei der Jagd auch kriegstüchtig werde, während bei letzterem das Gegenteil der Fall sei, und schließt auf allgemeine Gunst der Götter für Jäger und JagdA7.
Der unmittelbare und empfundene Ausdruck der Jägerfrömmigkeit der hadrianischen Zeit findet sich in Arrians Κυνηγετικός (c. 33-36). Er fordert zur Verehrung der Artemis Agrotera auf, wegen der Qualität der Jagdhunde, berichtet dann umständlich und gewiß genau über die Artemisopfer bei den Kelten samt dem Schlußfest, wobei die Jagdhunde bekränzt werden, und erörtert dann, daß überhaupt nichts ohne die Götter Unternommenes den Menschen gelinge. Von den Seefahrern genießen Andacht und Verehrung: Poseidon, Amphitrite, die Nereiden; von den Landbauern: Demeter, ihre Tochter und Dionysos; von den Gewerbsleuten: Athene und Hephästos; von den Vertretern der Künste und Wissenschaften (οἱ ἀμφὶ παίδευ σιν): die Musen, Apollon Musagetes, Hermes und MnemosyneA8; von den Liebenden: Aphrodite, Eros, Peitho und die Chariten. So sollen auch die Jagdbeflissenen nicht vergessen der Artemis Agrotera, noch Apollons, noch Pans, noch der Nymphen, noch des Hermes Enodios und Hegemonios, noch aller übrigen Götter des Gebirgs (ὄρειοι ϑεοί) – wo nicht, so wird ihr Bemühen nur halb gelingen, denn die Hunde leiden Schaden, die Pferde hinken und die Leute kommen zu Falle. Wie bei jedem Tun, soll man also auch bei der Jagd mit den Göttern beginnen, und wenn es gut gegangen ist, Dankopfer und Spenden darbringen und andächtiges Schweigen beobachten und Kränze winden und Hymnen singen und Weihegaben von der Jagdbeute spenden, nicht weniger als Siegesgaben nach einer gewonnenen Schlacht. – Hier ist charakteristisch, daß nicht Gunst und Förderung durch die Götter betont wird, sondern Furcht vor ihrer Empfindlichkeit, wenn man ihrer nicht gedacht hat, was Arrian dann noch mit Beispielen aus Homer belegt.
5. Zum Lokalisieren von Heroen an Orten, die dem Heros fremd waren. (S. 226 f.). Ähnlich wie bei manchen der Heroengräber von Megara darf man auch fragen, wie die Phliasier dazu kamen, sich den großen Amphiaraos anzueignen. Als er, offenbar auf einer Reise, zu Phlius in dem Gebäude übernachtete, welches später das »mantische Haus« hieß, soll er zum erstenmal begonnen haben zu weissagen, nachdem er bisher nur ein Laie (ἰδιώτης) und kein Mantis gewesen (Pausan. II, 13, 6). – Argos hatte unter seinen außerordentlich zahlreichen Gräbern und Denkmälern auch eine Anzahl solcher, welche gar nicht in den argivischen Sagenkreis gehörten: ein Grab der Deianira, welche doch am Öta begraben liegt, ein[404] Grab des Priamiden Helenos, der doch in Epirus als Vormund der Söhne Neoptolems auslebte. »Es entgeht auch den argivischen Exegeten selbst nicht, daß sie nicht alles mit Wahrheit sagen, sie sagen es aber doch, denn bei den meisten ist es nicht leicht, sie zu überzeugen vom Gegenteil dessen, was sie glauben.« (Pausan. II, 23, 5). Argos eignete sich auch mit einer oberflächlichen Fiktion den kalydonischen Oineus an, welcher von Diomed sollte ehrfurchtsvoll aufgenommen und begraben worden sein; nämlich es gab einen argivischen Ort Oinoe, der nun nach Oineus benannt sein sollte (II, 25, 2). Offenbar handelt es sich um bloße Aneignungen, nicht um ursprüngliches identisches Vorkommen des betreffenden Heros an verschiedenen Stellen. Es lautete schön, und darum wollte man es auch haben.
Auch in Trözen hatte man, wie in Korinth, eine Quelle Hippokrene (II, 31, 12); nämlich Bellerophontes mit seinem Pegasos war auch nach Trözen gekommen, und zwar zur Werbung um die Äthra, die er dann durch ein Mißgeschick nicht bekommen habe. Den Orestes wollte alle Welt bei sich gehabt haben; daher die Reisen, die man ihn vor und nach seiner Katharsis machen ließ (vgl. Witzschel bei Pauly; Realenc. V, 970 f.). Die Trözenier hatten ihn und das Drum und DranA9 der Katharsis stark lokalisiert (Paus. II, 31, 11), und dies aus Gründen: es war eine Stiftung darauf fundiert, und die Nachkommen der »Reiniger« speisten noch zu Pausanias Zeit an gewissen Tagen in dem Oresteszelt (Ὀρέστου σκηνή). Die Trözenier konnten überhaupt das Lokale nicht genug verherrlichen (σεμνύνοντες εἴπερ καὶ ἄλλοι τινὲς τὰ ἐπιχώρια II, 30, 6); und nun sollte einst auch Theseus bei ihnen Amazonen besiegt haben (II, 32, 8). Hier aber muß ihnen Pausanias doch mit einer Hypothese zu Hilfe kommen: »es möchten wohl von den nämlichen gewesen sein, welche in Attika mit Theseus und den Athenern kämpften.« – Wie kommt ferner (III, 12, 7) Hippolytos zu einem Heroon in Sparta? Etwa doch als Gott, (als ehemaliger Helios-Apollon?), als welchen ihn die Argiver verehrten? oder doch nur durch kecke Aneignung?
Am Lokalisieren der Göttermythen nämlich an verschiedenen Orten nehmen wir keinen Anstoß; daß z.B. in der Nähe des Apolltempels beim böotischen Tegyra, welcher der Geburtsort des Gottes gewesen sein sollte, ein Berg den Namen Delos hatte, und zwei Quellen »Palme« und »Ölbaum« hießen, braucht nicht durch Usurpation des Mythus der Insel Delos geschehen zu sein, sondern kann als uralte Parallelsage gelten.
Nicht in Betracht kommt hier die Lokalisierung Achills an manchen Orten, weil er sichtlich ein göttliches Wesen war. Und doch geschieht der Kultus hie und da als der eines Heros. Nach Paus. VI, 23, 2 war zu[405] seinen. Ehren im Gymnasion von Elis nicht ein Altar (βωμός), sondern ein leeres Grabmal (κενὸν μνῆμα) gemäß einem Orakel, – also ein Orakel verlangt für den Kultus eines notorisch anderswo Begrabenen oder verklärt Weiterlebenden ein Kenotaph. Auch VI, 24, 1 ist vom Grab (τάφος) Achills die Rede – wahrscheinlich, weil beim Kult die bloßen Heroenehren (ἐναγισμός) festgehalten wurden.
6. Zu den vorbedeutenden Worten (Kledonen) (S. 262). – Auf das unabsichtlich Gesagte, die κλῃδόνες, pflegte man übrigens überhaupt aufzuhorchen und ihm Bedeutung beizulegen, auch im Sinne der Hoffnung und um zu einem Entschlusse zu kommen. Vgl. Apuleius, de deo Socratis, p. 241: ».... wie wir sehen, begegnet es sehr vielen, daß sie sich aus allzu abergläubischer Bedenklichkeit gegenüber allem nicht durch den eigenen Kopf, sondern durch Worte anderer leiten lassen. Diese lesen sich, auf den Gäßchen herumstreichend, einen Rat von (zufälligen) Äußerungen anderer Leute auf und denken sozusagen nicht mit dem Verstand, sondern mit den Ohren.« Diese »Kledonen« genossen denn auch eine förmliche Verehrung. Pausanias (IX, 11, 5) erzählt, in Theben habe sich der aus der Asche der Opfertiere gebildete Altar des Apollon Spodios befunden, und eine Wahrsagung auf Kledonen hin bestehe daselbst, einer solchen bedienten sich aber, wie der Autor wisse, zumal auch die Smyrnäer; denn auch diese hätten oberhalb der Stadt vor der Stadtmauer ein Heiligtum der Kledonen.[406]
1 Zusammenstellung bei (Pseudo-) Eratosthenes Catasterismi bei Westerm., Mythogr. Laut c. 20 stammt der διάκοσμος τῶν ἄστρων von Hermes her.
2 Die beiden ὑποτεταχότος geben zu denken.
Anmerkungen: A1 Oeri: Rache. A2 Oeri: Daher heißt es. A3 Oeri: Carnutum. A4 Oeri: und. A5 Oeri: überlegt hat, daß. A6 Oeri: seinen. A7 Oeri: Pferd. A8 Oeri: Dionysos. A9 Oeri: Dran und Drum.
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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro