Frô, Freyr

[237] Frô, Freyr. Die nordische Mythologie kennt einen leuchtenden Gott, mit seligem Sitz, Namens Freyr, aus Fravis, d.h. der Erfreuende, Frohe, der Herr. Er entspross dem Stamme der Wanen. Er waltet über dem Regen und Sonnenschein wie über dem Ergrünen und Wachstum der Erde. Er fährt entweder auf seinem zu Lande wie zu Wasser segelnden Schiff Skidhbladhnir, in welchem er stets mit gutem Winde steuert und welches nach dem Gebrauche wie ein Tuch zusammengelegt werden kann, oder fährt auf seinem Wagen, den der goldborstige Eber Gullinbursti oder Slidhrugtanni, d.i. Spitzzahn, zieht, oder er reitet auf dem Eber. Schiff und Eber sind Naturbilder der lichtdurchstrahlten Wolken, auf denen die Sonnenstrahlen über die Weiten des Himmels schweben. Freyr ist der trefflichste aller Götter; seine Hausfrau ist die liebliche Gerdhr, des Riesen Gymir Tochter. Man rief den Gott um Fruchtbarkeit der Erde an, er spendete den Erntesegen durch alle Lande. Darum hiess er freundlich, wohlthätig, fruchtbar, glücklich und gabmilde.[237] Im Frühling wurde in Schweden eine Bildsäule des Gottes auf einem Wagen durchs Land gefahren. Man meinte, das sei der lebende Gott. Freyr und eine Priesterin, die man sein Weib nannte, sassen im Wagen, ein Diener schritt voraus. Das von überall zusammengeströmte Volk empfing den Wagen mit Opfermahlzeiten, um ein fruchtbares Jahr zu erbitten, mit Gaben von Gold, Silber, guten Kleidern. Wo der Gott einkehrte, klärte sich das Wetter auf und man erwartete reiche Ernte. Freyr füllte auch das Haus mit blühenden Kindern und spendete den Sterblichen Liebeslust. Bei Hochzeiten opferte man ihm. Freyr ist auch der Gott des Friedens. Man trank seine Minne um Frieden und Fruchtbarkeit. Um Mittwinterzeit leitete ein dreiwöchentlicher Julfriede, während dessen alle Fehden schweigen mussten, das grosse Fest der Wintersonnenwende, das Julfest, ein. Auf das feierliche Opfer im Tempel vor Freyrs Bild folgten Gastereien und Spiele; zum Nachtmahl trugen die Diener den dem Freyr und der Freyja geweihten Sühneber auf den Tisch, und man legte darauf das Gelübde ab, im beginnenden Jahre grosse und kühne Thaten zu thun. In Ostergotland wird noch jetzt am Julabend ein mit Schweinshaut überzogener Block auf den Tisch gesetzt, und der Hausvater, die Hausfrau und das Gesinde schwören, ihre Pflicht treu leisten zu wollen. An anderen Orten werden Kuchen in Ebergestalt gebacken. Auch Stiere fielen dem Freyr als Opfer. Um manche Tempel Freyrs weideten heilige Sonnenrosse. Gegenüber dem in Norwegen verehrten Thorr galt Freyr als der Schweden Gott; sein grosser Haupttempel, in welchem doch auch Thorrs und Odhins Bildnisse standen, lag zu Upsala. Freyrs Sohn heisst Fjölnir, mächtig, fruchtbar, glücklich und friedselig, wie sein Vater.

Bei den Dänen hiess der Gott Fridhleifr = Friedenserbe, Frohdi = der Weise, oder Fridhfrodhi.

Derselbe Gott nun, der bei den Nordländern Freyr hiess, wurde von den Deutschen verehrt; er ist ein Sonnengott, sein deutscher Name aber nicht mehr nachweisbar; man nennt ihn mit dem dem nordischen Freyr entsprechenden deutschen Worte Frô, welches im Altdeutschen als Gemeinname für den Begriff Herr, weiblich Frouwa = Frau, Herrin und zugleich als Adjektiv, ahd. frô, auftritt. Die Sonnenräder, welche beim Johannis- und beim Osterfeuer angezündet werden, gelten wahrscheinlich diesem Sonnengott. Ihm war besonders das Julfest eigen, das Fest der Wintersonnenwende.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 237-238.
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