[457] Johannesminne oder Johannessegen heisst ein vom Priester im katholischen Deutschland geweihter Wein, den jener am Tage St. Johannis Evangelistae, 27. Dezember, am Altare der Gemeinde mit den Worten reicht: bibe amorem Sancti [457] Johannis in nomine patris etc.; oft wird der vom Hausvater in die Kirche gebrachte, stets rote Wein bloss vom Priester geweiht und erst zu Hause feierlich getrunken, von der ganzen Familie der Reihe nach aus demselben Becher, selbst von dem Kinde in der Wiege, zum Teil aber aufbewahrt oder in die Weinfässer gegossen. Missverständlich wird vom Volke die Johannesminne bisweilen als eine Art Abendmahl betrachtet. Dieser Wein bewahrt den übrigen Wein vor Verderbnis und hält von ihm bösen Zauber ab; als Heilmittel wird der Rest von Erkrankten getrunken, vor einer Reise als Schutz und Stärkung; das Brautpaar trinkt ihn bei der Trauung, wo er ihm vom Priester nach vorangegangener Segnung gereicht wird. Ähnlich, aber ohne die kirchliche Feier, ist ein zum Teil auch im evangelischen Süddeutschland am Johannistage, 24. Juni, getrunkener Johannissegen. Man deutet denselben auf den von dem Apostel getrunkenen Giftbecher, manchmal auf die Hochzeit zu Kana; er ist aber unzweifelhaft eine von deutschen heidnischen Trankopfern abstammende uralte Sitte, die nur christlich umgestaltet wurde. Johannes, der jugendlich vorgestellte Apostel des Friedens und der Liebe, scheint an die Stelle Freyrs, des freundlichen Gottes des Friedens und der Fruchtbarkeit getreten zu sein, dessen Feste sowohl in die Winter- als in die Sommersonnenwende fielen. Bei Hochzeiten opferte man dem Freyr, trinkt man den Johannissegen. Wullke, Volksaberglaube, § 194. Zingerle, Johannessegen. 1852.