Kaufhaus

[486] Kaufhaus. Es giebt im Mittelalter zwei Formen dieser Einrichtung, Kaufhof und Kaufhaus im engeren Sinne.

Der Kauf- oder Kauffahrerhof ist ein gemeinsames Herbergshaus, das die durch gemeinsame Heimat verknüpften Grosskaufleute an den Auslandsplätzen besassen und wo sie zugleich Wohnung, Stallung, Geschäftsbetriebsräume und Vorratskammern fanden. Dazu gehören u.a. die uralten Teynhöfe der slavischen Grossstädte, namentlich Prags, der Fondaco dei Tedeschi zu Venedig und der hansische Stahlhof zu London.

Das deutsche Kaufhaus im engeren Sinne, das auch in kleineren Städten vorkommt, hat zum Zweck, einerseits dem lokalen Handelsverkehre einen konzentrierenden Mittelpunkt zu schaffen, und andererseits den Geschäftsbetrieb der Fremden, indem es ihn in einen bestimmten, öffentlich überwachten Raum bannt, auf ein erträgliches Mass zu reduzieren. Alte Benennungen des Kaufhauses sind koufhus, halle, sellehus. In der Regel muss ihre Entstehung auf einen Bewilligungsakt des Stadtherrn zurückgeführt werden. Nach seiner baulichen Gestaltung bestand das Kaufhaus gewöhnlich aus zwei[486] Stockwerken, deren jedes zunächst eine Anzahl von Koufkameren enthielt, abgeschlossene Gemächer von ansehnlicher Breite, mit Auslegetischen für die Waaren versehen; sie konnten entweder im Ganzen an einen, oder in Teilen an mehrere Händler vermietet werden; im oberen Stockwerke wurden kostbarere, im unteren geringere Artikel feilgeboten. Die übrigen Räumlichkeiten bestanden aus Versammlungsstuben, Speichern, Gewölben und Kellern. Eine Kaufkammer oder eine Stelle darin zu mieten, stand jedem wirklichen Kaufmann frei; doch gab es gewisse Gewerbserzeugnisse, mit denen nur im Kaufhaus gehandelt werden durfte, namentlich der Tuchverkauf, nicht der ballenweise, sondern der sog. Gewandschnitt, das ist der Verkauf in Viertels- oder Sechstelstücken oder nach der Elle; auch scheint diese Beengung des Tuchhandels allmählich nur noch die fremden Händler oder die Gäste betroffen zu haben. Die im Oberraum des Kaufhauses befindliche Saalhalle war das korporative Geschäftslokal des städtischen und auswärtigen Handelsstandes, zuweilen auch das städtische Gerichtslokal. Die Beamten, welche die Beaufsichtigung und Leitung des Kaufhauses unter sich hatten, waren die Kaufhaus-Meister oder Kaufhaus-Herrn, ein Ratsausschuss, dem zugleich die kaufhäusliche Gerichtsbarkeit über die während der Geschäftsstunden geschehenen überfarungen und über Handelsschuldsachen der im Kaufhause Verkehrenden oblag; der Kaufhaus-Vorstand oder Amtmann ist ein angestellter städtischer Beamter höheren Ranges; dann giebt es noch einen Kaufhaus-Schreiber, Kaufhaus-Umgelter, Kaufhaus-Zöllner, Wärter, Wagmeister und Pförtner. In das Kaufhaus-Buch wurden die in das Kaufhaus gebrachten Handels-Güter und gewisse Zahlungsgelöbnisse verzeichnet. In vielen grösseren Städten gab es ausser dem allgemeinen Kaufhause noch ein Gewand- oder Tuchhaus, das oft geradezu das Kaufhaus vertrat, und andere gesonderte Gebäude für den Umsatz von Leinenwaaren, Kleidungsstoffen von Halbseide und leichter Wolle, Garngespinsten und Geweben, Leder u.s.w. Artushöfe oder Junkerhöfe sind seit dem 14. Jahrhundert in Danzig, Elbing, Königsberg und anderen altpreussischen Städten bestehende, umfang- und schmuckreiche Steingebäude, worin der gesamte Kaufleutestand seine täglichen wie ausserordentlichen, dem Ernste und der geselligen Erheiterung gewidmeten Zusammenkünfte hielt und wo auch bei den Vorstehern eingeschriebene Fremde, namentlich aus den befreundeten Hansastädten, Zutritt bekamen. Nach Gengler, deutsche Stadtrechts-Altertümer. Kap. 16.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 486-487.
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