[665] Mühlen. Da eine historischantiquarische Untersuchung über Mühlen im allgemeinen zu mangeln scheint, mag hier aus Genglers deutschen Städte-Altertümern, Erlangen 1882, Kap. 13 einiges über städtische Mühlen zusammengestellt werden.
Die mittelalterlichen städtischen Mühlen sind Wassermühlen, Windmühlen und Rossmühlen, die Windmühlen besonders seit dem Ausgange des 13. Jahrhunderts auf den grossen Stadtfeldern, manchmal auf den Stadtmauer-Bastionen angelegt; die Rossmühlen nicht minder uralt als die Haus-Mühlen und stets von hervorragender Bedeutung in Zeiten von Krieg und Belagerung. Unterarten der Wassermühle sind Getreide-Mahlmühle, Getreide-Stampfmühle, Grützmühle, Oel-, Malz-, Lohe-, Säge- oder Bretter-, Schleif-, Papier- und Walkmühle, die letztere im Tuchmachergewerbe schon im 12. Jahrhundert weit verbreitet. Was die Immobiliarbestandteile der Mühle betrifft, so nennen die Urkunden: die Mühl-Baustätte, das Mühlen-Haus, das Mühl-Wasser, den Mühlen-Teich und den Mühl-Graben, durch welchen[665] das überflüssige Mühlwasser hinweggeleitet wurde. Für die innere gewerbliche Mobiliareinrichtung der Mühle kommen in betracht: die Räder, deren Zahl in den Mühlgründungsbriefen regelmässig voraus bestimmt war; zum wenigsten pflegte eine Mühle zwei Räder oder Gerinne zu haben; es wird aber auch von zwölf und mehr Rädern berichtet; und die Mühlsteine, welche sich um eine eiserne Spindel in einem hölzernen, oben mit einem Einschüttetrichter versehenen vierwändigen Kasten herumdrehen; sie machten gleich den Schleifsteinen einen bedeutenden Handelsartikel aus, für welchen besondere Niederlagen bestanden.
In bezug auf die Eigentums- und Besitzverhältnisse sind zu unterscheiden: kirchenherrliche, stadtherrliche, in den Reichsstädten meist Reichsgut und als solches vom Könige zu Verpfändungen benutzt, grundherrliche, stadtgemeinliche und stadtzünftige Mühlen. Gewöhnlich wurde die Mühle von ihrem Eigentümer Zeitpacht- oder Erbleiheweise an andere zum Nutzbetriebe überlassen. Der Besitz einer zureichenden Anzahl von Mühlen zählte zu den Lebensfragen einer Stadt, und häufig wurde schon in den Handfesten die Erbauung von Mühlen in Aussicht genommen. Überhaupt aber bedurfte jede Neuanlegung einer Mühle, auch wenn der Erbauer dazu seinen eigenen Grund und Boden verwendete, der Genehmigung des Stadtherrn. Ein besonderer Vorzug war es, wenn einer neu entstandenen Mühle von dem Landes- oder Stadtherrn mit der Anlagebewilligung zugleich ein Baurecht verliehen wurde, wie dies im früheren Mittelalter in zahlreichen Fällen durch die Könige geschehen ist; zunächst durfte niemand anders als der Bauberechtigte die fragliche Wasserkraft für eine Mühle ausnutzen; mit der Zeit ging dann aus diesem Mahl-Vorrechte ein Mahl-Zwangsrecht hervor, vermöge dessen die Bewohner des betreffenden Mühlenortes gehalten waren, ihre Mahlbedürfnisse ausschliesslich in der Bannmühle befriedigen zu lassen. Einen wichtigen Akt bei der Anlegung einer Mühle bildete stets die Abstechung und Legung des Fachbaumes; die eigentliche Bauhandlung dabei vollzog der Mühlenbesitzer selbst unter Mitwirkung von mühlbaukundigen Baumlegern, worauf das vollendete Werk von der Obrigkeit feierlich, z.B. unter Vortragung des Gerichtsschwertes bestätigt zu werden pflegte.
Die Mühlen-Auflagen, d.h. die ständigen Sonderabgaben der Mühlen an die stadt- oder grundherrliche Kasse, bestehen aus der Mühlen-Accise, auch Mühlen-Zoll geheissen, aus dem Mahl-Pfennig, d.h. einer Naturalquote des Mahlkorns, aus dem Mühlen-Handlohn, bei Besitzveränderungen in festgesetzter Summe entrichtet, und aus dem Vogts-Scheffel.
Das gesamte städtische Mühlenwesen unterlag einer sorgfaltig geübten obrigkeitlichen Beaufsichtigung in technischer, finanzieller und gewerbspolizeilicher Beziehung. Namentlich verlangte die Müllerordnung, dass der Müller richtige, mit dem eingebrannten Probezeichen versehene »Gemässe« habe, dass er das ihm anvertraute Getreide vor Schaden bewahre und nicht betrügerisch mische, dass er die Mahlgäste nach der Reihenfolge, wie sie kommen, befriedige und seine Mahlkunden nicht übernehme. Die Gegenleistungen der Mahlkunden bestanden aber aus der Mahlmetze, bestehend in einem an den Müller fallenden Bruchteile von jedem ihm zum Mahlen übergebenen Scheffel Getreides oder aus dem Mahl-Schwing-, Roll- oder Beutelgeld, das in der Regel auf freier Verabredung beruhte.[666]
Nach der allgemeinen Volksanschauung des Mittelalters trübte das Mühlgewerbe den Leumund; es kommen daher Bestimmungen vor wie die, dass Müller nicht bewaffnet auf die Herberge kommen sollten, an gewissen Orten war ihnen sogar der Eintritt in die Innungen verwehrt; bei Strang-Hinrichtungen hatten mancherorts die Müller die Galgenleiter zu liefern. Umgekehrt erfreuten sich die Mühlen eines höheren Friedens und ihre Hofräume wurden nicht selten zur Abhaltung grosser Jahres-Volksfeste verwendet.