Pfalzgraf

[772] Pfalzgraf, comes palatii, Graf des königlichen Palastes oder der königlichen Pfalz, ist schon unter den Merovingern dem Könige bei der Ausübung seiner höheren Gerichtsbarkeit zugeordnet. Unter Karl und seinen Nachfolgern hatte er die obere Leitung alles dessen, was mit der königlichen Gerichtsbarkeit zusammenhing; Sachen geringerer Personen machte er für sich ab, während Angelegenheiten angesehener Männer dem Könige vorbehalten blieben. Wahrscheinlich lag ihm auch die Vollstreckung der Gerichtsurteile des königlichen Gerichtshofes ob. Nach dem Aussterben der Karolinger scheint dieses ältere Amt aufgehört zu haben; dagegen werden seit Otto I. neuerdings Pfalzgrafen, comites palatini, in anderer Stellung genannt, deren Bedeutung sehr im Dunkeln liegt. Man findet sie in Bayern, Sachsen, Lothringen und Schwaben, wo sie überall zu den Grafen gerechnet werden, auch eine bestimmte Herrschaft inne haben; andere Pfalzgrafen als diese vier genannten, die den alten Stammesherzogtümern entsprechen, hat es nie gegeben. Ob es sich bei ihrer Einsetzung darum handelte, den Herzogen ein gewisses Gegengewicht zu geben und durch sie die eigentlich königlichen Interessen wahrnehmen zu lassen, ist nicht ausgemacht. In Bayern scheint die Würde der Pfalzgrafen an die Pfalz in Regensburg geknüpft, in Lothringen gab die Bedeutung Aachens dem Amte eine besondere Bedeutung, welche diesem später den ersten Platz unter den Pfalzgrafen verschaffte; doch trat die Beziehung zur alten Kaiserpfalz später so in den Hintergrund, dass sein späterer Name Pfalzgraf vom Rheine wurde; er galt als der erste unter den fränkischen Fürsten. Nach dem Sachsenspiegel war es als ein Recht der Fürsten anerkannt, dass sie bei dem Pfalzgrafen bei Rhein, als des Kaisers oberstem stellvertretenden Richter, Klage gegen den Kaiser führen konnten. Für den Fall seiner Abwesenheit von Deutschland konnte der König das Richteramt über die Fürsten demselben Pfalzgrafen übertragen, der auch den Vorsitz im Fürstengericht, das Erztruchsessenamt, das Reichsvikariat und die Kurwürde besass. Wie andere Fürstentümer, so wurden auch die mit der Pfalzgrafenschaft verbundenen Herrschaften mit der Zeit erblich und der Wertmesser für das Ansehen und die Bedeutung ihrer Träger. Der letzte Rest des Pfalzgrafenamtes scheint in den von Karl IV. ernannten Hofpfalzgrafen, comites sacri palatii, zu liegen, welche namentlich Doktoren, Licentiaten, gekrönte Poeten, kaiserliche Notarien kreieren, uneheliche Kinder legitimieren und das Recht der Volljährigkeit erteilen konnten.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 772.
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