Schwabenspiegel

[913] Schwabenspiegel. Die Bedeutung,[913] welche der Sachsenspiegel schnell in Norddeutschland gewann, veranlasste auch süddeutsche Bearbeitungen dieses Rechtsbuches. Deren erste ist der Deutschenspiegel oder der Spiegel deutscher Leute, unvollendet und zum teil bloss eine oberdeutsche Übersetzung des niederdeutschen Vorbildes; an einzelnen Stellen sind andere Quellen benutzt, römisches und kanonisches Recht, die Lex Alemannorum, das Freiburger Stadtrecht, die Bibel, die Kaiserchronik u.a.; es ist wahrscheinlich, dass er um die Mitte des 13. Jahrhunderts in Augsburg entstanden ist. Ausgabe von Ficker, 1859. Während dieser Deutschenspiegel bald vergessen wurde, erlangte eine zweite oberdeutsche Bearbeitung des Sachsenspiegels, der Schwabenspiegel, in allen Teilen Süddeutschlands eine weite Verbreitung und grosses Ansehen in den Gerichten. Er zerfällt wie der Sachsen- und der Deutschenspiegel in Landrecht und Lehnrecht. Der Schwabenspiegel wird von dem Verfasser selbst landrechtbuoch genannt, in den Handschriften Land- und Lehnrechtbuch, Kaiser Karls Recht (für das Landrecht), Kaiser Friedrichs Recht (für das Lehnrecht), Kaiserrecht, in den ältesten Ausgaben Spiegel kaiserlichen und gemeinen Landrechts; der Name Schwabenspiegel stammt von Goldast, der das Buch zwar in der Ausgabe von 1600 Kaiserliches Land- und Lehnrecht nannte, am Rande aber Schwabenspiegel hinzufügte. Der Verfasser des Schwabenspiegels kannte den Sachsenspiegel selbst nicht; er benutzte ihn vielmehr bloss in derjenigen Gestalt, welche er im Deutschenspiegel durch Bearbeitung und Verbindung mit andern Quellen gewonnen hatte; ausser den Quellen, welche schon der Deutschenspiegel neu herangezogen hatte, sind hier noch andere selbständig benutzt, die Lex Bajuvariorum (siehe Leges Barbarorum), die Kapitularien, Reichsgesetze, das Augsburger Stadtrecht, Historische Schriften, der Freidank, Predigten. Die Tendenz des Verfassers ist, das allgemeine deutsche Recht darzustellen, das er aber weniger im Gewohnheitsrecht eines bestimmten Volkes, als vielmehr im mosaischen Gebot, im römischen Recht und dem Recht Karls des Grossen, im Dekret und den Dekretalen findet. So ist denn seine Arbeit mehr eine gelehrte, aus Büchern geschöpfte, welche der Rechtsbildung der Zeit gemäss voll von Widersprüchen und Missverständnissen sein musste. Gegenüber der freieren weltlichen Auffassung Eikes von Repgowe ist der Verfasser des Schwabenspiegels mehr der päpstlichen Partei zugewandt. Wie der Sachsenspiegel, zerfällt auch der Schwabenspiegel nur in Artikel oder Kapitel, nicht in Bücher. Die Entstehung wird zwischen 1273–1282 gesetzt. Der Verfasser ist unbekannt; er lebte in Schwaben oder Bayern, vielleicht wie der Berarbeiter des Deutschenspiegels in Augsburg. Der Schwabenspiegel ist in verschiedenen Mundarten überliefert, überwiegend jedoch in mittel- und oberdeutschen Idiomen, doch gibt es auch niederdeutsche Handschriften. Überhaupt aber ist die Zahl der Handschriften eine sehr grosse und ihr Text ein überaus verschiedener; Homeyer zählt 220 bekannte Handschriften auf. Älteste datierte Ausgabe Strassburg 1440. Ausgaben des Landrechts von Lassberg, 1840; W. Wackernagel, 1840, Gengler, 1851. Nach Stobbe, Geschichte der deutschen Rechtsquellen., Bd. I.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 913-914.
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