Stadtrechte

[942] Stadtrechte. Die individuelle Entwickelung der Städte brachte es mit sich, dass, im Gegensatz zu den, grössere Territorien umfassenden allgemeinen Rechten, jede Stadt ihr besonderes Recht heranbildete; die Aufzeichnungen derselben sind nach den verschiedenen Stufen der städtischen Selbständigkeit verschiedene. Sie beginnen mit Privilegien, deren älteste die dem Herrn der Stadt erteilten Immunitätsprivilegien sind, durch welche der bischöfliche Ort von der Grafschaft eximiert und die gräfliche Gewalt auf den [942] Vogt übertragen wird; seit dem Anfange des 12. Jahrhunderts kommen Privilegien zum Besten der Städte und ihrer Einwohner hinzu, welche sich meist bloss auf einzelne Rechtsbestimmungen beziehen, wie Markt- und Zollverhältnisse, Hörigkeit, Erbrecht u.a. Weitaus die meisten dieser Urkunden sind Bestätigungsurkunden. Nur städtische Neugründungen erhalten, was ältere Orte durch eine Reihe Urkunden bekommen hatten, durch ein einmaliges Privilegium. Anderer Natur sind solche Aufzeichnungen, welche infolge von Streitigkeiten zwischen der Bürgerschaft und dem Herrn der Stadt oder zwischen den einzelnen Klassen der Einwohner als endgültige Anerkennung der städtischen Rechte, oft unter kaiserlicher Vermittelung entstanden, sie heissen Handfesten. Da neu gegründete Städte von ihrem Landesherrn das Recht einer anderen Stadt erhielten, kam es vor, dass eine solche Mutterstadt erst durch Abforderung ihres Rechtes von Seiten einer Tochterstadt zur Aufzeichnung ihres Rechtes veranlasst wurde. Von der Stadt selbst ausgegangene Rechtsbestimmungen heissen Küren, Buerkören, Willkören, Einungen, Skraa (in sächsischen Gegenden), Recht; solche Rechtsbestimmungen, meist polizeilicher Natur, pflegte man mit den Handfesten und Privilegien in dem sogen. Stadtbuche zu vereinigen, das auch Ordeelbuch, rotes und schwarzes Buch heisst. Dazu kamen oft Urteile des Stadtgerichtes, die zugleich einen allgemein gültigen Rechtssatz enthielten. Um solchen meist sehr verschiedenen Rechtsstoff einheitlich zu verarbeiten, wurden seit der Mitte des 13. Jahrhunderts in manchen nord- und süddeutschen Städten Kommissionen niedergesetzt, die nun das gesamte öffentliche und Privatrecht zu einem Stadtrechte zusammenstellten; das geschah z.B. in Augsburg unter Gestattung König Rudolfs im Jahre 1276, in Strassburg 1322. Neben den eigentlichen Stadtrechten gab es in manchen norddeutschen Städten, wie Bremen, Hamburg, Lübeck, Wismar, Stendal, sogen. Bauersprachen, welche diejenigen polizeilichen Vorschriften enthielten, nach denen sich jeder Bürger zu richten hatte und die jährlich zur Nachachtung verkündet wurden. Seit den Zeiten der Zunftunruhen wurden sogen. Friedensbücher verfasst. Stobbe, deutsche Rechtsquellen I, § 50.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 942-943.
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