[948] Steuerwesen. Die alten Germanen wussten von Steuern nichts; dagegen war Sitte, dass sie ihren Fürsten Geschenke darbrachten als Zeichen der Ehrfurcht und des Dankes. Solche Geschenke dauerten in mehrfacher Anwendung noch lange fort; entweder machte man sie dem König aus persönlichen. Gründen, zur Unterstützung einer Bitte, zur Erlangung eines Amtes, bei Gelegenheit einer in der königlichen Familie gefeierten Hochzeit; oder es waren jährliche, fest bestimmte oder frei gewählte Gaben, die man anfangs an die Märzversammlungen brachte, später bei anderen Terminen, an Weihnacht oder Neujahr; namentlich wurden geistlichen Stiftern solche Geschenke, in Rossen und Waffen bestehend, als Leistung auferlegt. Geschenken letzterer Art ähnlich sind die Tribute, welche ein unterworfener Volksstamm oder Fürst dem Herrn zu bezahlen hatte. Diese Leistung hiess steora, Steuer oder stuofa und bestand ebenfalls aus Naturalien: Rindern, Pferden, Lämmern, Hühnern, Eiern, Honig, Gewändern, Holz, teilweise auch in Geld; ob aber zu dieser Steuer alle, z.B. die Thüringer, Sachsen, Alemannen verpflichtet waren, ist nicht deutlich. Bei einer Landesnot wurden auf die Stifte, Klöster, Grafen und königlichen Vasallen ein Tribut ausgeschrieben, kraft dessen sie von jedem ihrer Haupt- und Nebenhöfe ein Bestimmtes zu zahlen hatten; Juden[948] mussten dann einen Zehnten, Handelsleute ein Elftel entrichten; sonst aber bestand noch in der Zeit der Karolinger der altgermanische Grundsatz, dass der Freie weder von seinem Lande noch von seiner Person eine Abgabe zu entrichten habe. Die Einkünfte des Königs, welche eins waren mit denjenigen des Reiches, bestanden im Ertrage der königlichen Güter, der Friedensgelder und Bannbussen, aus den häufigen Konfiskationen, der Einziehung erbloser Güter, dem Tribut fremder Völker, der Kriegsbeute; dazu kamen Zölle, Weg-, Brücken- und Fahrgelder auf den öffentlichen Wegen und Flüssen, der Ertrag des Münzwesens und zahlreiche Naturalleistungen des Volkes für besondere öffentliche Zwecke. Dahin zählten der Unterhalt der öffentlichen Wege, Schleusen und Brücken, der Aufenthalt, den man königlichen Gesandten zu leisten hatte, Leihung von Pferden und Fuhren derselben, zahlreiche Naturalleistungen, die das Kriegswesen mit sich brachte.
Ausserordentliche Beiträge, Beihilfen für verschiedene besondere Anlässe waren es, aus denen sich allmählich der Begriff der öffentlichen Steuer entwickelte. Solcher Natur waren die Zahlungen abhängiger Leute an ihren Herrn wegen nicht geleisteten Kriegsdienstes, die Heersteuer, ahd. heristiura, mhd. herstiure, siehe den Artikel Heerwesen. Ähnlicher Art sind in Bischofsstädten Zahlungen an den Herrn als Beihilfen zur Heer- und Hof-Fahrt. Andere Beihilfen sind zwar dem Namen nach freiwillig, werden auf Bitten gegeben, daher die Namen petitio, precaria, betta, bete, bede, aber die Bitte wurde oft strenge Forderung und durchaus regelmässig. Abhängige Leute verschiedenen Standes unterliegen diesen Forderungen, in den geistlichen Stiftern regelmässig von seiten der Vögte; Freie unterlagen solchen Forderungen in der Regel nicht. Auch die Könige brachten es vorderhand nur zu ausserordentlichen Beihilfen; als dazu verpflichtet galten vor allem die von alters her zu solchen Leistungen verpflichteten geistlichen Stifter; neu kamen jetzt die Städte hinzu und zwar musste ein solcher Beitrag, dem ohne Zweifel andere zur Bestreitung gemeinsamer Bedürfnisse zur Seite gingen, von den Angehörigen der Stadt aufgebracht werden. Eine eigentümliche Abgabe ist das in den Städten aufgekommene ungelt, eine Abgabe von Einfuhr und Verkauf der Lebensmittel, eine Zehr- und Verbrauchssteuer; die Bürger nannten sie, weil es dafür keinen Rechtsgrund gab, ungelt, d.h. was man nicht schuldig ist, indebitum; später wurde das Wort entstellt zu umbgelt, noch in der Schweiz als Ohmgelt erhalten. Es wurde anfangs, doch ohne Erfolg, von Reichs wegen verboten. Seit dem 14. Jahrhundert ahmten Landesherrn in ihren Territorien diese Steuer nach.
In den Städten nun und in den landesherrlichen Territorien entwickelten sich die eigentlichen regelmässigen Steuern. Wie die Umlage verteilt wurde, war verschieden; an einigen Orten nach dem Einkommen, an anderen nach dem Kapitalvermögen, in den Städten nach den Häusern und dem beweglichen Vermögen; auch ein Grundzins von jeder überlassenen Baustelle kam häufig vor. Daneben blieb, wie früher dem König, so jetzt dem Landesherrn vorbehalten, zu ausserordentlichen Bedürfnissen ein nôtbete zu verlangen, bei drängender Kriegsnot, zur Auslösung aus der feindlichen Gefangenschaft, zur Tilgung von Schulden, zum Besuche der Reichstage und des Hoflagers, zu einem Römerzug, zur Ausstattung einer Tochter, zu den Festlichkeiten des Ritterschlages[949] der Söhne. Seit dem 15. Jahrhundert war die Einführung neuer oder die Erhebung bestehender Steuern an den Beirat oder die Bewilligung der Landstände gebunden; dieses geschah dann auf gewisse Jahre oder auf unbestimmte Zeit unter den Namen Schatzung, Geschoss, Kontribution, und es wurden entweder die steuerpflichtigen Personen oder Güter unmittelbar nach ihrem Vermögen oder Ertrage besteuert, oder die ganze Summe nach bestimmten Quoten auf die Prälaten, Ritterschaft, Städte und gemeine Landschaft verlegt.
Nachdem mit der Zeit die ursprünglichen Reichseinkünfte fast ganz aufgehört hatten, kamen im 15. Jahrhundert für vorübergehende ausserordentliche Bedürfnisse Reichssteuern auf. Die eine Form derselben war die Ausschreibung eines gemeinen Pfennigs auf alle Einwohner des Reichs, nach dem Verhältnis ihres Vermögens, die andere ein den Reichsständen auferlegter Anschlag, der dem Kontingent jedes Standes entsprach; seit 1535 geschah der Anschlag so, dass die zu Worms 1521 für den beabsichtigten Römerzug entworfene Mannschaftsmatrikel zu Grunde gelegt wurde, wornach der Fussknecht zu vier, der Reisige zu zehn Gulden monatlich angeschlagen war; das Geldkontingent für eine monatliche Lösung hiess Römermonat. Die einzige stehende Reichssteuer war die von den Reichsständen seit 1548 zum Unterhalte des Reichskammergerichtes übernommene. Die Römermonate und die letztgenannte Steuer wurde in den einzelnen Territorien auf die Unterthanen verlegt. Waitz, Verfassungsgeschichte und Walter, Rechtsgeschichte.