Umzüge

[1027] Umzüge der germanischen Götter werden in verschiedener Weise erwähnt. Am feierlichsten war der Umzug mit dem Bilde oder dem Symbol der Gottheit, wobei man sich diese selbst von ihrem Heiligtume aus unter den Menschen ihren Umzug haltend dachte. Der Wagen mit dem Bilde wurde überall festlich empfangen, Opfer und Weihgeschenke ihm dargebracht und Festfriede gehalten. Tacitus Germania 40. Namentlich zur Erbittung eines fruchtbaren Jahres wurden solche Umzüge im Frühlinge abgehalten. Anderer Art sind die Nachrichten von Umzügen mit einem Schiffswagen, d.i. einem mit Rädern versehenen grossen Schiffe. Ein solcher wurde 1133 in einem Walde unweit Aachen gezimmert und durch die Mitglieder der Weberzunft, die sich vorspannten, weit im Lande herumgezogen, unter grossem Zulauf und Geleite des Volks. Die Ankunft des Schiffes war in den Städten voraus gesagt, wer die Erlaubnis erbat, das Schiff berühren zu dürfen, musste die Kleinode von seinem Halse den Webern geben oder sich durch eine andere Gabe lösen.

Die deutsche Mythologie ist auch an solchen Umzügen reich, welche die Götter ohne Vermittelung der Priester halten; dahin gehört der Umzug Wodans mit dem wütigen Heere und der Umzug der Göttermutter Freia. Rassmann in Ersch und Gruber, Artikel Götterbilder; Grimm, Mythol., S. 237 ff.

Die christliche Kirche ersetzte diese Umzüge zum Teil durch Grenzumgänge, Bittfahrten zu Wallfahrtskirchen, die ebenfalls meist im Vorsommer stattfinden und ein fruchtbares Jahr vom Himmel erbitten sollen. Solche Prozessionen fanden und finden immer noch in katholischen Gegenden regelmässig in der Kreuzwoche, in den Tagen vor und nach dem Himmelfahrtsfest statt; einzelne an andern Terminen, oft mit Aufwand grosser Pracht und Schaustellung; in Schwaben nennt man diese Umzüge Esch- oder Flurgänge; die ganze Gemeinde umzieht, den Geistlichen an der Spitze, die Markung; an vier Stellen macht man Halt, um das Evangelium zu lesen und den Wettersegen entgegenzunehmen, und Häuser, Menschen und Tiere werden mit Weihwasser besprengt. Berühmt ist namentlich der sog. Blutritt im ehemaligen Kloster Weingarten.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 1027.
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