Vorwort zur zweiten Auflage

[7] Was diese zweite Auflage vor der ersten auszeichnet, ist vornehmlich eine grössere Stofffülle, sowohl durch Erweiterung einzelner schon vorhandener Artikel besonders aber durch viele neue Artikel vermittelt. Die Erweiterung betrifft sehr verschiedene Gebiete, ich nenne namentlich Stadtrechts-Altertümer,[7] wofür das schöne Buch von Gengler reiche Ausbeute bot; gern hätte ich, dem Wunsche eines Rezensenten Folge gebend, die kirchlichen Altertümer ausgiebiger behandelt und z.B. Artikel über die verschiedenen Sakramente und Sakramentalien dem Buche einverleibt; ich sah mich schliesslich trotz vieles Nachsuchens ausser stande dies so zu thun, wie es für ein Reallexicon sich gebührte; denn protestantischerseits scheint es bis jetzt an ausgiebiger Behandlung solcher Objekte zu mangeln, und katholische Schriftsteller betrachten die genannten Gegenstände eben kaum als »Altertümer«. Zum Auseinandernehmen einzelner grösserer Artikel, wie sie ebenfalls vorgeschlagen wurde, konnte ich mich nicht entschliessen, obgleich ich wiederholt die ungleichartige Behandlung eingestehe, welche auf einzelnen Gebieten sich vorfindet; aber das Buch hat nun einmal ein Gesicht mit kleinen und mit grossen Runzeln, und soll diese Physiognomie nicht aufgeben. Dagegen habe ich, um Platz zu gewinnen und mehrfach ausgesprochenen Bedenken Raum gebend, die Übersetzung der Germania gestrichen; nicht alle Leser werden damit einverstanden sein. An abschliessende Arbeit auf dem Gebiete der deutschen Altertumskunde ist eigentlich überhaupt kaum zu denken; und es bleibt der Ausspruch Herders vom Jahre 1777, der sich in dem Aufsatz über die »Ähnlichkeit der mittleren englischen und deutschen Dichtkunst« vorfindet, namentlich in seinen Schlussworten immer noch zu Recht bestehen: »Unsere ganze mittlere Geschichte ist Pathologie, und meistens nur Pathologie des Kopfes, d.i. des Kaisers und einiger Reichsstände. Physiologie des ganzen Nationalkörpers_– was für ein ander Ding! und wie sich hierzu Denkart, Bildung, Sitte, Vortrag, Sprache verhielt, welch ein Meer ist da noch zu beschiften und wie schöne Inseln und unbekannte Flecke hie und da zu finden!«


St. Gallen, im November 1884.

Der Verfasser.[8]

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. VII7-IX9.
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