[1041] ERYCINA, æ, Gr. Ἐρυκίνη, ης, ein Beynamen der Venus, welchen sie von dem Berge Eryx, in Sicilien, bekommen, auf dessen Höhe sie einen berühmten Tempel hatte. Serv. ad Virgil. Aen. V. v. 760. Es hatte ihr denselben, nach einigen, ihr Sohn, Erix, Diod. Sic. lib. IV. c. 85. p. 196. nach andern aber Aeneas, erbauet. Virgil. l. c. & Mela lib. II. c. 17. Da er aber ziemlich baufällig geworden, so erneuerte ihn der Kaiser Claudius wieder. Sueton. Claud. c. 25. & ad. eum Torrent. l. c. In demselben befanden sich überaus viele Kostbarkeiten und allerhand prächtige Gefäße und Geräthe. Thucyd. L. VI. c. 46. Aelian. H. A. L. X. c. 50. Zugleich erzählete man sehr besondere Wunder, die daselbst vorgehen sollten. Unter andern feyerte man allda ein Fest, welches Anagogia, oder die Abreise, [1041] hieß, weil man sagete, Venus pflegete um diese Zeit nach Libyen zu reisen. Die Ursache, woher man solches muthmaßete, war, weil zu der Zeit keine von der großen Menge Tauben, die sich daselbst befand, zum Vorscheine kam, indem sie, wie es hieß, die Göttinn begleiten müßten, deren Dienste sie geheiliget wären. Nach einer Abwesenheit von neun Tagen läßt sich eine viel schönere Taube, als die andern, zuerst auf dem Meere sehen, die aus Libyen zurück kömmt. Sie ist nicht von der Farbe der gemeinen Tauben, sondern purpurfarbicht und goldglänzend, so wie uns Anakreon die Venus beschreibt, und nach dem Homer schildert. Ihr folget der ganze Schwarm der übrigen Tauben nach; und darauf feyret man sogleich die Katagogia, oder die Zurückkunft. Aelian. l. c. L. IV. c. 2. Indessen verehrete man doch unter dem Namen Erycina die Venus auch zu Psophis in Arkadien, Pausan. Arcad. c. 24. p. 492. und zu Rom selbst, wo sie einen großen und prächtigen Tempel nahe vor dem collinischen Thore hatte. Ovid. Fast. IV. 871. Strabo lib. IV. p. 272. Da derselbe einen großen Vorhof hatte, so will man ihn noch auf einer Münze des C. Considius Nonianus sehen, wo auf der Hauptseite der Kopf der erycinischen Venus mit Myrthen gekrönet, auf der Gegenseite aber ein Tempel von vier Säulen auf dem Gipfel eines Berges vorkommt, in dessen Mitte die Buchstaben ERVC stehen, und der unten von einer starken Mauer mit Thürmen und einem Thore umgeben ist. Beger. Thes. Brand. T. II. p. 108. Patin. fam. Rom. p. 81. Jedoch haben andere solchen lieber für den sicilianischen Tempel annehmen wollen. Haverc. Thes. Morell. p. 109. Es gelobete ihn L. Portius Licinus, in dem ligustischen Kriege, und sein Sohn weyhete ihn nachher ein. Livius lib. XL. c. 34. Er stund aber vor der Stadt, damit weder die jungen Bursche, noch auch das Frauenzimmer solcher Göttinn gar zu sehr nachhängen sollten. Vitruv. l. I. c. 7. Tiraquell. ad Alex. ab Alex. l. II. c. 4. [1042] Indessen hatte sie doch noch einen andern Tempel unter diesem Namen selbst auf dem Capitolio, welchen ihr Q. Fabius Maximus erbauete, Livius. lib. XXIII. c. 31. das ist über dreyßig Jahr eher, als Licinus seinen. Tiraquell. l. c. Neap. ad Ovid. Fast. l. c. Man will ihre Abbildung auf einem alten Denkmaale finden, mit welchem Horazens Beschreibung derselben L. I. Od. II. v. 33. 34. Erycina ridens, Quam Iocus circumvolat et Cupido vollkommen übereinstimmet. Sie sitzt auf demselben mit lächelndem Gesichte und Flügeln an den Schultern, zum Zeichen, daß sie die himmlische seyn soll, an der Erde, und spielet auf einer Harfe. Vor ihr steht Cupido, welcher auf der Spitze zwoer wie Haarzöpfe geflochtener Ruthen, eine Maske, die eine Kappe aufhat, in die Höhe hält, die sich aber gegen die Venus niederbeugt, und worüber IOCVS steht, so wie über die beyden Personen VENVS und CVPIDO. Montfauc. antiq. expliq. T. I. P. I. tab. 116.